Hospitation zur Grundbildung in Dublin und Limerick, Irland

Von dieser Mobilität profitierten vhs-Kolleginnen und Kollegen aus zwei Bundesländern: aus Mecklenburg-Vorpommern und aus Schleswig-Holstein, die sich alle für Grundbildung und Schulabschlusskurse engagieren. In erster Linie ermöglichte der Aufenthalt in Irland, die Arbeit dort kennenzulernen, in zweiter auch einen intensiven Austausch zwischen den beiden Bundesländern.

Montag, 31.03.2025: Dublin: CASPr und AONTAS

„It’s all about empowering adults through education to foster community participation and break cycles of disadvantage.“

Der Dachverband AONTAS hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, uns als aufnehmende Organisation zur Verfügung zu stehen. AONTAS nennt sich selber die Stimme der Erwachsenenbildung in Irland. Die Kollegin Lorraine O‘Connor war der erste Kontakt nach Irland und sollte sich als Glücksgriff erweisen. Denn sie hat alle Kontakte in Irland für uns hergestellt – sei es in Dublin oder in Limerick.

Am Montag traf uns Lorraine in der Hotel-Lobby und brachte uns zunächst zu CASPr (Community After School Programme), einer Bildungseinrichtung, die in der Dubliner North East Inner City sozialräumliche Bildungs- und Mitmachangebote für Kinder und Erwachsene bereithält. Die Leiterin der Erwachsenenbildung (Training Manager), Lynn Simpson, nahm uns zusammen mit Aleena, der Verantwortlichen für die Nachmittagsbetreuung der 5- bis 12-jährigen Kinder, in Empfang.

Das Bildungszentrum feierte letztes Jahr sein 30-jähriges Bestehen und hat seine Ursprünge in der Kinder-Betreuung nach der Schule, um den Kindern aus bildungsbenachteiligten und z.T. von Sucht betroffenen Familien eine sinnvolle und lehrreiche Nachmittags-Gestaltung zu ermöglichen („the aim was to keep the children off the streets“). Über die Arbeit mit den Kindern entstand der Kontakt zu den Familien und bald lag der Fokus auf dem ganzen System Familie und darüber hinaus auf dem sozialen Lernen und dem Zusammenhalt im Quartier. Hier spielt die Erwachsenenbildung neben der Kinderbetreuung eine entscheidende Rolle, da es mitunter darum geht, die Familien mit formalen und informellen Bildungsangeboten zu stabilisieren, Menschen über das kostenfreie offene Kursangebot (und die dort gebotene emotionale Unterstützung) Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu vermitteln, sowie Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements und der reellen Weiterbildung (hier: in der Kinderpflege) aufzuzeigen. Davon, so sind sich hier alle sicher, profitiert letzten Endes auch die Gemeinschaft im Quartier. Deshalb ist eine Ausrichtung des Angebots an den Bedarfen der Gemeinschaft so wichtig und die systematische Erfassung des Feedbacks der Lernenden für die qualitative Weiterentwicklung des Programms essentiell.

In Lynns Ausführungen begegnete uns zum ersten Mal ein Phänomen, das uns auch bei unseren nächsten Treffen in Bildungseinrichtungen immer wieder begegnen sollte: Dem Handeln aus einer ehemaligen eigenen Betroffenheit heraus. So erzählte uns Lynn, dass sie selber als junge Erwachsene mit LRS die Schule ohne Abschluss verließ und dann nach ein paar Jahren in prekären Arbeitsverhältnissen über informelle Bildungsangebote wieder zurückfand und ihren Abschluss nachholte. Nun wolle sie anderen Mut machen, diesen Weg ebenfalls zu gehen. 

Heute bietet CASPr:

  • Die Betreuung von Krippenkindern am Vormittag
  • Die Betreuung von ca. 30 Schulkindern am Nachmittag, wobei uns Aileen die vielen schönen Aktivitäten vorgestellt hat, die mit den Kindern unternommen werden – viele davon mit einer äußerst wertvollen pädagogischen und präventiven Zielsetzung
  • informelle, nicht-zertifizierte Kurse wie Yoga, Stricken, Meditation, Umgang mit mobilen Endgeräten, Lesen und Schreiben etc.
  • Krisenberatung für Familien, Schuldnerberatung etc.; wenn keine eigene Hilfe möglich ist, erfolgt eine Verweisberatung an Netzwerkpartner
  • Verschiedene themenbezogene Projekte (z.B. Teilnahme an der Pride Parade mit selbst gestalteten Plakaten, Pilotkurs Future Female Leaders)
  • Arbeit mit der sozialen Gemeinschaft direkt im Quartier (Garten- und Mitmachprojekte wie z.B. Neugestaltung des Außenbereichs und den I-love-myself-tree)
  • Akkreditierte Weiterbildung (1-jährig) in der Kinderpflege.

Hier erfuhren wir zum ersten Mal, dass das Mitdenken von Themen der Erwachsenenbildung in Irland auf nationaler Ebene (und damit einhergehend auch die staatliche finanzielle Förderung) ursprünglich einer Gruppe von Frauen zu verdanken ist, die immer wieder auf soziale Missstände und Schwierigkeiten in den Familien und Quartieren aufmerksam gemacht haben. Mehr Bildungsmöglichkeiten und Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe zu schaffen, sei hier immer wieder die zentrale Forderung gewesen und diese wurde am Ende von der Regierung als nationale Strategie angenommen. Dieses „Grassroot Movement“ führte im Endeffekt dazu, dass das ETB (Educational Training Board) nun jedes Jahr Mittel für die Grundbildung von Familien und Communities bereitstellt. Da die Beträge allerdings von Jahr zu Jahr variieren, sind die Bildungszentren sehr auf Förderung angewiesen. So wird z.B. Lynns Stelle über drei verschiedene Projekte finanziert.

Zuletzt hat uns noch der Einrichtungsleiter, Tom O’Brian, kurz begrüßt und uns von der Wichtigkeit ihrer aller Arbeit im Sinne eines ganzheitlichen Bildungsansatzes berichtet.

Am Montag Nachmittag hat Lorraine uns in die AONTAS-Zentrale (Aos Oideachais Náisiúnta Trí Aontú Saorálach) eingeladen, um dort die Arbeit der Organisation zu präsentieren und uns ihr Kollegium vorzustellen. AONTAS ist eine Mitgliederorganisation, die sich für die Förderung und Entwicklung der Erwachsenenbildung in Irland einsetzt. Hauptziel ist, Erwachsenen Lernmöglichkeiten zu bieten, um ihre persönliche und berufliche Entwicklung zu unterstützen. Die Organisation arbeitet dafür nicht nur eng mit Bildungsanbietern und politischen Entscheidungsträgern zusammen. Sie legt auch einen hohen Stellenwert, die Stimme der Lernenden in ihre Arbeit einzubeziehen. Es lassen sich dabei fünf Kernbereiche der Arbeit von AONTAS nennen:

1. Interessenvertretung und Lobbyarbeit

2. Unterstützung von Lernenden: Im Learner Forum bietet AONTAS Lernenden die Möglichkeit, Erfahrungen zu teilen und Feedback zu geben. So stellen sie sicher, dass die Stimme der Lernenden in Entscheidungsprozessen berücksichtigt wird.

3. Community Education Network: AONTAS koordiniert ein Netzwerk von Bildungsanbietern zum Praxisaustausch und um Ressourcen zu teilen. So wird lebenslanges Lernen auf lokaler Ebene gefördert.

4. Forschung: AONTAS hat eine eigene Forschungsabteilung

5. Veranstaltungen und Kampagnen: AONTAS organisiert Veranstaltungen und Kampagnen – zum Beispiel das Adult Learners` Festival. So wird Sichtbarkeit hergestellt und die Erwachsenenbildung öffentlich in den Fokus gerückt. Dies gelingt unter anderem mit dem Star-Award, der besondere Projekte oder Leistungen von Lernenden würdigt.

Auffallend war, dass die soziale Situation der irischen Gesellschaft immer wieder erwähnt wurde: Armut, Arbeitslosigkeit, Gewalt und Suchterfahrungen in Familien, Suizidraten, soziale Ungleichheit und Migration werden immer wieder genannt – einerseits als Ursache für die Entwicklung des Erwachsenenbildungssystems in der Vergangenheit. Andererseits hat man diese Probleme weiterhin im Blick, wenn es darum geht, wie Lernende gefördert werden können. Deshalb bedeutet Erwachsenenbildung hier auch, dass die Familien – also auch die Kinder – mitgedacht werden, dass günstige Freizeitangebote ermöglicht werden und ganz selbstverständlich psychologische oder sozialpädagogische Maßnahmen in einzelne Projekte implementiert werden.

Dienstag, 01.04.2025, Dublin: Besuch des Dachverbandes für Grundbildung NALA (National Adult Literacy Agency)

Nachdem wir am Vortag die Organisationen CASPr und AONTAS aufgesucht und bereits erste theoretische und praktische Eindrücke gesammelt haben, sollte es am heutigen Tag zu NALA (National Adult Literacy Agency), einem Dachverband für Grundbildung, in den südlichen Teil der Stadt Dublin gehen. Nach einem kurzen Stück mit der Tram (Straßenbahn) und einem sonnigen Fußmarsch waren wir gegen 10:30 Uhr vor Ort. Die Institution selbst befindet sich mitten in einem Wohngebiet und einer unmittelbaren Schulumgebung. Empfangen wurden wir von Colleen Dube (CEO NALA) und Aoife Crawford (Research and Policy Officer). Unser Aufenthalt bei NALA diente in erster Linie dem Kennenlernen der Organisation und deren Arbeitsauftrag im irischen Bildungssystem sowie dem Austausch untereinander. Unterstützt wurde der Austausch durch Fergus Dolan (Literacies Development Worker), einem weiteren Teamkollegen, welcher uns im Fachbereich der Grundbildung einen Einblick in praktische Umsetzungsmöglichkeiten gab.

NALA ist eine mitgliedergestützte Organisation, welche (Lernenden-)Bedarfe im Grundbildungsbereich erforscht, direkte Bildungsangebote konzipiert und darüber hinaus über jahresübergreifende Strategiepläne das irische Bildungssystem auf politischer Ebene mitsteuert. Dabei wird Grundbildung immer als Bestandteil der Menschenrechte betrachtet, in welcher Lernprozesse zu einer nachhaltigen lebenslangen Veränderung von Denk- und Verhaltensweisen anregen sollen. Der Arbeitsauftrag von NALA basiert auf der Idee, dass Lernen mehr als bloßer Wissenserwerb ist, sondern ein lebenslanges Lernen (lifelong learning) ermöglicht und somit die Integration in die Gesellschaft fördern soll. In Dublin selbst, aber auch landesweit, gibt es verschiedene NALA-Angebote, darunter Zentren (Learn with NALA), welche die Lese-, Schreib-, Mathematik- oder digitalen Fähigkeiten verbessern sollen. Im ganzen Land gibt es über 100 lokale Alphabetisierungsdienste für Erwachsene, die von ETBs und kommunalen Bildungszentren betrieben werden. Jeder Dienst bietet kostenfreie Kurse (Level 1-3) für Erwachsene in den Bereichen Lesen, Schreiben, Rechtschreibung, Mathematik, Technik und Computer an. Man kann den örtlichen Dienst direkt aufsuchen und vor Ort mit geschulten Tutoren in Einzelunterricht oder in kleinen Gruppen arbeiten. Zusätzlich wird nach individuellem Lern(enden)bedarf auch ein online-Angebot (NALA Distance learning) bzw. 1:1 Lernen über das Telefon mit einem Tutor vorgehalten. Alle Angebote können von Personen nach dem 16. Lebensjahr genutzt werden. Interessant ist hier, dass die Zahl der Lernenden, die in die Klassen kommen, niedriger ist als die Zahl derer, die sich für das selbständige Lernen auf Distanz (online oder telefonisch begleitet) entscheiden. Die Lern(enden)bedarfe (learner‘s needs) stehen grundsätzlich an erster Stelle und werden separat unter anderem über „Learner´s voice“ dargestellt. Neben den Lernzentren gibt es auch Learner Days, an welchen sich Personen zu den Programmen und Angeboten informieren bzw. austauschen können. Um aktive Lernerfolge nach außen zu tragen, werden sogenannte Learner Stories genutzt.

Durchschnittlich haben derzeit laut PIAAC-Studie in Irland 21% der Bevölkerung „unmet literary needs“, brauchen also Unterstützung in grundlegenden alltäglichen Situationen (Lesen/Schreiben, Rechnen, Nutzung digitaler Geräte). Durch die verstärkte Migration in den vergangenen Jahren sind auch die Herausforderungen der Erwachsenenbildung mit den gegebenen Bedürfnissen gewachsen. Nichts desto trotz lässt sich ein weitestgehender Erfolg messen. Parallel erstreckt sich die Reichweite von Programmen bis hin zu Inhaftierten und Personen der irischen „Traveller-Community“.

Um eine bestmögliche telefonische Erreichbarkeit für Lernende zu garantieren, gibt es den Freephone service, den überraschend viele (1.325 in 2024) für einen Erstkontakt nutzen. Zur Unterstützung und Akquise von motivierten Kursleitungen im Bereich der Erwachsenengrundbildung wird im Besonderen der „NALA’s Tutoring Service“ eingesetzt. Um auch die ländlichsten Gebiete zu erreichen, wird trotz des digitalen Zeitalters gern der „Postal Service AnPost“ als Kooperationspartner bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen genutzt, da dieser in der irischen Bevölkerung höchstes Vertrauen genießt. Unterstützt wird der Arbeitsauftrag von weiteren kooperierenden Partnern, wie z.B. Bibliotheken. Besonders beeindruckend war, dass NALA seine Weiterbildungslehrwerke teils selbst entwickelt und diese den Teilnehmenden kostenfrei zur Verfügung stellen kann. Die Finanzierung der Organisation und damit verbundenen Aufgaben ist überwiegend staatlich (die Regierung stellt jährlich 2,6 Mio. an Mitteln für die Grundbildung zur Verfügung), wird aber auch durch private und wirtschaftliche Zuwendungsgeber und Projektmittel ergänzt. Eine starke Vernetzung auf politischer Ebene ist dabei das A und O einer erfolgreichen, zukunftsweisenden Zusammenarbeit aller Akteure im Sinne des lebenslangen Lernens.

Mittwoch, 02.04.2025

Halbzeit – Zeit bereits Gehörtes, Gesehenes und Erlebtes zu reflektieren

Wir befinden uns bereits auf halber Strecke unserer Weiterbildungsreise. Bevor wir in Richtung Limerick, an der Westküste Irlands, aufbrechen, treffen wir uns in gemeinsamer Runde für einen größeren Austausch. Man bemerkt recht schnell, dass alle Teilnehmenden voller wertvoller Eindrücke sind. Die ersten beiden Tage waren von den Besuchen bei CASPr, AONTAS und NALA geprägt. Jede der besuchten Organisationen bildet eine wichtige Aufgabe im irischen Bildungssystem. Was allen gemein ist, ist, dass sie die Stimmen der Gesellschaft Irlands und somit der Lernenden repräsentieren und ihnen einen Raum zur Verwirklichung ihrer Bedürfnisse geben. Was bei allen bisherigen Treffen mit den Organisationen hervorsticht, ist der Fokus auf die starke Berücksichtigung der Lernendenbedarfe und dem damit verbundenen intensiven Dialog mit den Lernenden selbst. Learner’s voices und auch Lernbotschafter in Form von Learner stories sind die mit wichtigsten Marketingstrategien, um auf gesellschaftlicher und politischer Ebene neue Bildungsstrategiepläne und -tendenzen vorzustellen bzw. umzusetzen. Die Forschungsarbeit des Landes orientiert sich hierbei an den Stimmen der Lernenden und den evaluierenden Organisationen. Die dadurch erfassten individuellen Lernerfolge des einzelnen Lernenden können auch die geleistete Bildungsarbeit der jeweiligen Organisationen stärker sichtbar machen. Unweigerlich stellten wir einen Vergleich zum deutschen Bildungssystem her. Wir stellen schnell fest, dass sich unsere Teilnehmenden im Grundbildungsbereich eher im Alphalevel 2 befinden. Im Gegenzug wird in Irland bereits verstärkt im Level 3 unterrichtet. Für unseren eigenen Auftrag im Arbeitsalltag nehmen wir mit, den Fokus verstärkt auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden zu legen, verstärkt Gespräche und Interaktionen mit den Lernenden selbst zu suchen und eigene Ideen in der Umsetzung zu kreieren. Die konzeptionelle Vorarbeit darf dabei das Selbstvertrauen und die Authentizität der Teilnehmenden in den Learner stories (Lernbotschaften) nicht überschatten. Hier bedarf es einem feinen und sensibilisierten Fingerspitzengefühl, um die Kernbotschaft der Learner stories im Zwischenspiel von Teilnehmenden und Bildungsinstitutionen prägnant hervorzuheben.

„Für unsere Arbeit ist die Erfahrung der Lernenden WICHTIG!“

Des Weiteren haben wir erfahren, dass über öffentlichkeitswirksame Learner-Festivals die Gesellschaft Irlands in einem lockeren und erlebnisreichen Rahmen aufgefordert wird, ihre Bedürfnisse öffentlich kundzutun. Die Teilnehmenden erhalten hier eine weitere Möglichkeit, ihre Stimme für die Bildungszukunft Irlands einzusetzen. Wir tauschen uns bis zur Weiterfahrt nach Limerick weiter intensiv und kritisch miteinander aus und versetzen uns in die Lage des jeweils anderen, um für uns neue Erkenntnisse und Lernerfahrungen noch deutlicher zu machen. Unter anderem diskutieren wir nochmals die Umsetzungsmöglichkeiten von Grundbildungskursen bis hin zu Schulabschlusskursen in JVAs in Mecklenburg-Vorpommern bzw. Schleswig-Holstein. Auch der Family-Learning-Ansatz wird in Irland im Einklang mit einem gesamtheitlichen Bildungskonzept zwischen den Generationen (Eltern-Kind) gefördert. Auf der anschließenden Zugfahrt nach Limerick setzen wir unsere Gespräche fort und lassen uns vom umgebenden Grün der Landschaft inspirieren. Was nehmen wir bisher mit? Begeisterung, Neues auszuprobieren und den Gesamtkontext zwischen Lernenden, Lehrenden und zu vermittelten Inhalten voranzubringen.

„Everybody Else Is Doing It, So Why Can’t We?“ (Cranberries – Irish rockband, 1993)

Unser ZIEL sollte es daher sein – die Lernenden im BLICK zu behalten und der (Bildungs-) Zukunft der Lernenden eine Stimme zu geben!

Nach dem intensiven Austausch haben wir uns auf den Weg zum Bahnhof gemacht: Auf nach Limerick!

Donnerstag, 03.04.2024: Grundbildungsarbeit in Stadtteilzentren in Limerick bei LCEN (Limerick Community Education Network)

Am Donnerstag haben wir uns in einem Minibus auf den Weg zum Southill Family Resource Center gemacht. Dort erwarteten uns Jim Prior (Southill Manager/LCEN-Mitglied) und Ellen Walsh Kerley (LCEN Development Worker).

Das Limerick Community Education Network (LCEN) fungiert als Dachverband für verschiedene Stadtteilzentren, die eine breite Palette an Beratungs- und Unterstützungsangeboten bereitstellen. Laut Ellen sind diese Zentren „under our umbrella“ vereint. Das Southill Family Resource Center bietet beispielsweise:

• Beratungsdienste: Familienunterstützung, Erwachsenentherapie, Spieltherapie für Kinder, Beratung bei Spielsucht, Community-Gruppen, Bildungsangebote, Gesundheits- und Wohlfühlberatung, Peer-Support, Sozialrechtsberatung, psychische Gesundheits-Unterstützung, u. v. m.

• Zahlreiche kostenlose Kurse und Weiterbildungsmaßnahmen, darunter akkreditierte Kurse auf Niveau 5 (entspricht ungefähr dem mittleren Schulabschluss), die mit Unterstützung des Limerick and Clare Education and Training Board (LCETB) angeboten werden. Diese Qualifikationen erleichtern den Zugang zum Arbeitsmarkt und ermöglichen weiterführende Studien.

Die Auswahl der Kurse orientiert sich sowohl an den Bedürfnissen der potenziellen Teilnehmenden als auch an den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Besonders gefragt sind derzeit Programme in den Bereichen Kinderbetreuung (Childcare) – aufgrund des Fachkräftemangels – sowie Gesundheitswesen (Healthcare), da eine abgeschlossene Qualifikation auf Niveau 5 bessere Jobchancen eröffnet oder den Zugang zu weiterführenden Ausbildungsmöglichkeiten, etwa für den Pflegeberuf, erleichtert.

Weiterhin haben wir die Our Lady of Lourdes Community Services Group, die St. Mary’s Adult Education Group und das Northside Family Resource Center besucht. Ihnen allen ist ein breit gefächertes Beratungs- und Bildungsangebot gemeinsam, das darauf abzielt:

• das Gemeinschaftsleben in sozial benachteiligten Stadtteilen zu stärken,

• einen geschützten Raum für Austausch und Unterstützung zu schaffen,

• Menschen zur Teilnahme an offenen, fast kostenfreien Kursen zu motivieren,

• individuelle Potenziale zu entdecken und zu fördern,

• langfristig das Selbstbewusstsein für weiterführende Bildungswege zu stärken.

Diese Zentren befinden sich in Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogenabhängigkeit und sozialen Isolationstendenzen – häufig einhergehend mit einer alarmierenden Suizidrate unter Jugendlichen. Besonders beeindruckend ist die familiäre Atmosphäre, die in allen Einrichtungen spürbar ist. Die Mitarbeitenden setzen auf individuelle Beratung und unterstützen auch Menschen mit niedriger Bildungsqualifikation (Levels 1–4, entsprechen ungefähr Klasse 1-9), einschließlich Alphabetisierungsbedarf.

Ein weiteres wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Isolation ist der „Essen auf Rädern“-Service, der Betroffene ermutigt, regelmäßig die Kantine eines Zentrums zum Mittagessen zu besuchen.

Neben spezifischen Bildungsangeboten für Erwachsene gibt es viele Programme, die auf die gesamte Familie ausgerichtet sind. Durch Eltern-Kind-Kurse wie Backworkshops, Kindergartengruppen oder Schülernachmittagsbetreuung wird der Kontakt zu den Eltern gestärkt. Dies ermöglicht es, familiäre Herausforderungen zu erkennen und gezielt Unterstützung anzubieten. Diese Kurse werden als „Türöffner“ für weiterführende Kurse verstanden.

Ein langfristiges Ziel der Zentren ist es, mehrere Generationen innerhalb einer Familie in die Programme zu integrieren. In einigen Fällen werden Absolventinnen von Weiterbildungsmaßnahmen direkt in den Zentren beruflich eingebunden – etwa im Bereich Kinderbetreuung oder durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten für Selbstständige wie Friseurinnen. Die Community ist in diesem Verständnis mehr als nur ein Angebot an einzelnen Kursen.

Dieses eng verknüpfte Netzwerk aus Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten ist durch eine effektive Zusammenarbeit verschiedener Institutionen und die besonders engagierte Arbeit leidenschaftlicher Mitarbeiter*innen möglich. Den Teilnehmenden werden Hilfestellungen angeboten, die über den Lernkontext hinausgehen und ihnen eine umfangreiche Teilhabe am Bildungsprozess ermöglichen. Dadurch werden diese Zentren nicht nur Orte der Bildung, sondern vor allem Anlaufstellen für Hoffnung und Gemeinschaft. Auffällig ist die Mischung aus „accredited“ und „non-accredited“ Kursen, d.h. Kursen, bei denen ein Abschluss erworben werden kann, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Die Institutionen nutzen non-accredited Kurse als niederschwelligen Zugang, um in erster Linie Eltern zu erreichen und sie schrittweise in akkreditierte Bildungsangebote zu überführen. Dadurch wird ermöglicht, dass auch ihre Kinder langfristig vom Bildungszugang und den damit einhergehenden Chancen profitieren.

Die hinter den Zentren stehende Idee ist die der Co-Produktion, d.h. dass Mitarbeiter*innen und Bürger*innen gleichermaßen ihre Skills und ihr Wissen der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Betont wurde immer wieder die Zusammenarbeit mit den Lernenden. Das Angebot wird als eine Art Kreislauf verstanden: Zuerst werden (in informeller Form, d.h. durch Gespräche, Austausch etc.) die Bedarfe erhoben, dann wird ein Kurs eingerichtet und durchgeführt und im Anschluss daran werden Rückmeldungen ausgewertet, ob die Kursform verändert bzw. verbessert werden kann.

Ein weiterer Begriff, der immer wieder fiel, ist der des „wrap around model“, d.h., dass alle Hauptakteure in den Lernprozess miteinbezogen werden sollen. Die Lernenden erhalten somit ein ganzes Paket an Maßnahmen, die aufeinander abgestimmt sind.

Ferner verstehen sich die Zentren als Anwälte der Lernenden. Sie sind NGOs, d.h. unabhängig vom Staat.

Es gibt viele Aspekte, die sich von unseren Ansätzen unterscheiden und die eine Überlegung wert wären, ob sie nicht auch bei uns umsetzbar wären: die Familie als Ursprung für Bildungsangebote zu sehen und nicht den einzelnen, und hier insbesondere die Frauen, die Beseitigung institutioneller Hindernisse und die Unterstützung der Lernenden über das einzelne Kursangebot hinaus.

Abgerundet wurde der Tag durch ein gemeinsames Abendessen mit den irischen Kolleginnen und Kollegen, bei dem wir uns in entspannter Atmosphäre über verschiedene Aspekte unserer Arbeit austauschen konnten. Dabei wurde deutlich, wie viele Parallelen unsere Tätigkeitsfelder trotz nationaler Unterschiede aufweisen. Gleichzeitig wurden auch Unterschiede thematisiert, die sich insbesondere durch abweichende politische Strukturen oder gesellschaftliche Gegebenheiten erklären lassen. Diese Unterschiede führten zu einem interessanten Austausch über Herausforderungen, Methoden und Chancen in dem jeweiligen nationalen Kontext.

Neben den fachlichen Konversationen standen auch das persönliche Kennenlernen und der Austausch über die kulturellen Eindrücke im Vordergrund, und es war schön zu sehen, wie aus der Begegnung erste Ideen für einen möglichen Gegenbesuch in Deutschland entstanden.

Der Tag hat nochmal gezeigt, wie wichtig Begegnungen im internationalen Kontext sind – sie fördern nicht nur den fachlichen Austausch, sondern helfen auch dabei, neue Ideen und Perspektiven zu entwickeln. Eine solche Begegnung schafft die Basis für eine langfristige Kooperation.

Freitag, 04.04.2024, Limerick

Am letzten Tag unserer Erasmus+ Fortbildung besuchten wir das College of Further Education & Training in Limerick. Dieses befindet sich in einem alten, herrschaftlichen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, das von Einheimischen auch „Red Tech“ genannt wird, weil in dem roten Backsteinbau früher das Limerick Institute of Technology untergebracht war.

Wir wurden von Síle O’Riordan, der Leiterin des Colleges, herzlich empfangen und in einen Konferenzraum mit moderner Einrichtung und Smartboard geführt. Bei einer kurzen Vorstellungsrunde wurden bereits einige Querschnittsstellen und Anknüpfungspunkte zwischen unseren Tätigkeiten sichtbar, die in der späteren Tee- bzw. Kaffeepause zu interessanten Fragen und einem regen Austausch führten. Jede/r war neugierig, etwas über die Arbeitsbereiche des/der Anderen zu hören, um im besten Fall Inspirationen für die eigene Arbeit zu bekommen.

Doch zunächst hatte Síle das Wort und stellte ihre Bildungseinrichtung als ein „Multi-Campus College“ vor, das in Zusammenarbeit mit den regionalen Gemeindezentren an 300 verschiedenen Lernorten Kurse, u.a. aus den Bereichen Grundbildung, Englisch als Fremdsprache, berufliche Weiterbildung oder Jugendbildung anbietet.

Dazu kommen noch beratende Tätigkeiten. Insgesamt werden 10.000 Lernende betreut. Die Mischung von urbaner und ländlicher Bildungsarbeit bringt jeweils ihre ganz speziellen Herausforderungen mit sich, die uns von der eigenen vhs-Arbeit durchaus auch bekannt sind. Dazu gehören u.a. Themen wie Isolation, Erreichbarkeit und (öffentliche) Transportmöglichkeiten im ländlichen Raum. In manchen irischen Städten sind Armut und Drogensucht die Faktoren, durch die der Zugang zur Bildung erschwert wird. 

Die Bildungsarbeit folgt einer ganzheitlichen Strategie, die Síle als „wrap around service“ bezeichnete und setzt nicht nur eine enge Zusammenarbeit mit den Community Centern vor Ort voraus, sondern auch, dass sich die Mitarbeitenden in den Centern direkt mit den Teilnehmenden über deren Bedarfe unterhalten, um möglichst passgenau deren Weiterbildungswünsche zu erfüllen. Hervorgehoben wurde von den Gastgebern in diesem Fall das St. Marys Community Centre, welches wir am vergangenen Tag besuchen durften und welches zwar klein, aber stark frequentiert ist. Als nächstes informierten uns Mitarbeitende von Síle über die verschiedenen Kurse, die in dem Campus des Red Tech angeboten werden.

So berichtete uns Sean O‘ Carroll über das „Youth Provision“ und das „Youth Reach“-Programm. Hierbei haben Schulabbrecher die Möglichkeit, ihren Abschluss nachzuholen. Im Unterschied zu Deutschland können die Schüler bereits mit 16 Jahren daran teilnehmen. Diese zweite Chance erhalten auch verurteilte junge Straftäter, die bereits im Gefängnis sitzen, oder Jugendliche, die zumindest mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Ähnlich wie in Deutschland haben auch unsere irischen Kolleg*innen festgestellt, dass die Teilnehmenden ihrer Kurse immer mehr psychische Probleme haben, mit Autismus oder mit Depressionen leben oder Suizidgedanken haben, worauf in den Kursen reagiert werden muss. Meist helfen – wie bei uns – Kooperationen mit externen Fachkräften. Teils ist es jedoch schwierig, stets den komplexen Bedürfnissen der Teilnehmenden gerecht zu werden. Die Kurse werden in der Stadt sowie in vielen kleineren Orten im Limerick County angeboten. Dabei ist eine weitere Herausforderung die Zahl der Kursinteressierten. Häufig können Sean und seine Kolleg*innen die hohe Nachfrage nicht bewältigen. Selbst in den kleinen Kursorten kommen oft bis zu 12 Teilnehmende zusammen.

Im Anschluss an Sean sprach Geraldine über ihre Grundbildungskurse, wobei 50 % der Teilnehmenden Zugewanderte sind. Die Teilnehmenden dieser Kurse bewegen sich dabei auf dem „Education Level“ 1-3. Neben den reinen Alphabetisierungskursen werden auch themen-basierte Grundbildungskurse wie Kochen, Gartenbau oder Kunst angeboten. Diese nicht abschlussbezogenen bzw. nicht akkreditierten Kurse sind gute Einsteigerkurse für Erstlernende, die sich (wieder) an ein formelles Lernen gewöhnen oder erst einmal Selbst-vertrauen aufbauen müssen – „learn to learn“ ist die Devise. Besonders für Zugewanderte sind diese Kurse ein guter Einstieg. Für alle Kursinteressierten haben Geraldine und ihre Kolleg:innen eine Art Einstufungstest entwickelt. „Very effective!“, hieß es von ihr, was natürlich unsere Neugier geweckt hat und wir hoffen sehr, den Test noch zugesandt zu bekommen. Grund für das Einsetzen des Tests ist, dass jeder Mensch nicht nur sehr unterschiedliche Vorkenntnisse in Wort und Schrift, sondern auch ganz verschiedene Lernerfahrungen gemacht hat. Dazu kommen dann noch mögliche (ggf. bisher nicht festgestellte) Lernbehinderungen oder durch Erkrankungen bzw. Drogenkonsum ausgelöste Lernbeeinträchtigungen. Für die Durchführung dieser Tests ist deshalb auch eine hohe Sensibilität und besondere Mitarbeiterschulung nötig.

Wenn Teilnehmende die Grundbildungskurse der Level 1-3 erfolgreich absolviert haben, wird ihnen die Möglichkeit geboten, Kurse auf dem Level 4 bis 6 am College zu besuchen. Darüber gab Adèle Auskunft. Es handelt sich dabei z.B. um berufliche Fortbildungskurse für Menschen aus dem Einzelhandel, die sich für Beförderungen spezialisieren möchten. Es werden ebenfalls Kurse im Bereich Gesundheitswesen oder Kinderbetreuung für Teilnehmende angeboten, die einen Berufswechsel anstreben. Diese Kurse sind sehr praxisnah orientiert. Ziel ist es, die Teilnehmenden mit Hilfe dieser Kurse direkt in Arbeit zu bringen. Für Zugewanderte ist eine Teilnahme an dieser Art Kurse erst möglich, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis haben.

Tom Kent, der Regionalkoordinator für Alphabetisierung, rundete Adèles Vortrag mit allgemeinen Informationen zum Stand der Grundbildung in Irland und den sich wandelnden Grundbildungsbedürfnissen ab. Wie auch in Deutschland sind es heute viel mehr Lebensbereiche, für die Lese- und Schreibfähigkeiten sowie Mathematikkenntnisse essenziell sind. Dazu kommen noch digitale oder Medien-Kompetenzen.

Während des Austausches in der Tee/Kaffeepause wurde sehr deutlich, dass unsere irischen Kolleg*innen mit ähnlichen Herausforderungen in der Bildungsarbeit zu kämpfen haben wie wir: Wie können wir Teilnehmende gewinnen, die aus den sogenannten bildungsfernen Schichten kommen oder Bildung bzw. Bildungseinrichtungen aufgrund negativer Schulerfahrungen sehr kritisch gegenüberstehen? Die „family learning courses“, die in Irland angeboten werden, sind dafür ein guter Ansatz.

Weitere gemeinsame Fragen waren: Sind Kurse/Kursleitende in der jeweiligen Region verfügbar? Gibt es genug Gelder für die Durchführung der Kurse?

Nach der Pause gab es noch ein gelungenes Praxisbeispiel für einen kreativen Grundbildungskurs von Paddy O’Connor. Er leitet bereits im dritten Jahr in Folge ein Creative Arts Studio, in dem Teilzeitkurse zum Thema Drehbuchschreiben, Kostümdesign, Videoschnitt, Songwriting o. Ä. angeboten werden. Mit Begeisterung hat er uns Filmplakate seiner Teilnehmenden und Fotos vom Kursgeschehen gezeigt.

Das Interessante an der Arbeit in Hinsicht auf unsere Tätigkeit ist, dass auch in einen Medienkurs Grundbildungsinhalte einfließen können, die Teilnehmenden Selbstvertrauen beim Lernen bekommen und gleichzeitig ihre Fähigkeiten im Lesen und Schreiben verbessern. Im zweiten Teil des Kurses können sie sogar ein Level 2 erreichen und dafür ein Zertifikat bekommen.

Zum Schluss berichtete Emma Maher, eine Bildungs- oder Berufsberaterin, von ihrer Arbeit im Projekt STEAM (Science, Technology, Engineering, Art, Maths) und stellte die Übung „What lights you up?“ vor. Sie geht damit in Schulen und hilft Schüler*innen oder auch deren Eltern, die eigene Persönlichkeit besser kennenzulernen, Interessen, Leidenschaften, Fähigkeiten und Begabungen herauszuarbeiten sowie evtl. verborgene Talente zu entdecken. Es geht darum, was den Einzelnen ausmacht, welche Talente und Fähigkeiten er/sie hat oder wo seine/ihre Leidenschaft liegt. Das Ziel ist, die Schüler*innen im Hinblick auf eine Ausbildung nach der Schule oder auf die Studien- oder Berufswahl zu sensibilisieren. Den einleitenden Teil der Übung haben wir gemeinsam mit Emma absolviert. Schon dieses kurze Praxisbeispiel war sehr mitreißend und motivierte uns, über uns selbst und unsere Fähigkeiten nachzudenken.

Insgesamt hat uns dieser Tag am College of Further Education & Training einen guten Einblick in die Arbeit der Mitarbeitenden und die Vielseitigkeit der Kursangebote gegeben. Die irischen Kolleg*innen waren uns gegenüber sehr aufgeschlossen und auch sehr interessiert an unserer Arbeit. Dies lässt hoffen, dass wir uns auch in Zukunft austauschen werden.

Egzona Alija, Cornelia Bade, Donatella Capriz, Ascan Dieffenbach, Antje Findeisen, Dana Kaminski, Sabine Karwath, Katrin Kellermann, Adrienne Rausch, Christine Voigt

Grundbildung in Malmö, Schweden

von A. Dieffenbach

 

 

 

 

 

 

 

Grundbildung in Malmö, Schweden

von Adrienne Rausch

23. April 2024

Auf dieser Reise bin ich im doppelten Sinne zu Gast: bei der Kvarnby Folkhögskola, die unsere Gruppe empfängt, und bei der Reisegruppe selbst: Die Reise hat die Volkshochschule Husum organisiert und mich (vom Landesverband der Volkshochschulen in Schleswig-Holstein) aufgenommen. Die eine Hälfte der Reisegruppe ist an integrativen Angeboten, die andere Hälfte an Grundbildungsangeboten interessiert. Ich gehöre zur zweiten Hälfte.

Bei Sonne und sehr niedrigen Temperaturen geht die Reise los. Der kleine Bus der vhs Husum ist bequem und wir sind gespannt auf den Besuch bei der Kvarnby Folkhögskola in Malmö. Aber zuerst geht es nach Lund.

Uhr im Lunder Dom

Die Landschaft in Dänemark bietet keinen großen Kontrast zu Schleswig-Holstein, aber der erste Input bereits im Bus lenkt unsere Aufmerksamkeit ohnehin auf etwas ganz Anderes: aufs Thema Aufenthaltstitel und Reisefreiheit in Deutschland. Imke Steffen führt uns in dieses „Rechtslabyrinth“ ein. Das abschließende Quiz bestehen wir gemeinsam und mit viel Wohlwollen der Spielleitung.

In Schweden erwarten uns ebenfalls Sonne und sehr niedrige Temperaturen UND Helena Berglund, stellvertretende Leiterin am Institut für Lehrerbildung an der Universität in Lund. Sie gibt uns eine Übersicht über das Schulsystem und die Lehrerausbildung in Schweden. Ihr Vortrag verwandelt sich schnell in einen offenen Austausch. Es ist für uns sehr spannend zu sehen, wie gut die Erwachsenenbildung im Bildungssystem verankert ist, womit die Voraussetzungen für Lebenslanges Lernen etabliert sind.

Im Anschluss führt sie uns übers historische Gelände, umgeben von und verwoben mit moderner Architektur (eine harmonische Mischung, die wir in Malmö auch sehen werden). In sehr entspannter Atmosphäre wird hier gelernt, wir schlendern durch gemütliche Räume, Ecken, Nischen, wo in kleinen Gruppen gearbeitet wird. Abschlussarbeiten werden hier wortwörtlich an die Wand genagelt.

Nach den theoretischen Ausführungen sind wir alle sehr gespannt, wie die Praxis aussieht. Auf nach Malmö!

24.04.2024

Henning Süßner-Rubin, der Leiter der Kvarnby Folkhögskola, holt uns direkt am Hotel ab und zeigt uns die Außenstelle der Volkshochschule, wo er stundenlang geduldig und ausführlich Auskunft über die Zusammensetzung der Teilnehmenden, über die Teilnahmevoraussetzungen, über Curricula, über Finanzierung und über die Lehrkräfte gibt. Diese kommen in den Pausen dazu und ein lebhaftes Gespräch entfaltet sich auf Englisch, Deutsch und Schwedisch. Sehr interessant ist, dass man in Schweden ohne Abitur kaum noch Chancen auf einen Job oder eine Ausbildung hat. Die Hürde ist an dieser Stelle also hochgelegt, die Zugänge zur Bildung wiederum sehr niedrig.

Der schwedische Staat ist großzügig bei der Finanzierung von nachholender oder Weiterbildung. Kostenfreie Kurse und eine Art Bafög ermöglichen allen einen Zugang – und eine gelebte Weiterbildungskultur. Alle Einrichtungen, die wir kennenlernen, sind so eingerichtet, dass man dort gut verweilen sowie Lernen unter guten und gleichzeitig angenehmen Bedingungen stattfinden kann.

Nach einem leckeren Kantinenessen brechen wir in die Innenstadt auf, wo wir eine junge, dynamische Stadt kennenlernen, die stark von der Öresundbrücke profitiert und wächst. Wieder treffen wir auf die harmonische Verschmelzung von Alt und Neu in der Architektur und auf Vorbereitungen auf den Eurovision Song Contest, der groß gefeiert werden soll. Eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen und noch mehr Wimpelreihen gehören zur Vorbereitung.

Alte Badeanstalt, neuer Turm

 

Alte und neue Fenster

25.04.2024

Diesmal besuchen wir einen weiteren Standort der Volkshochschule im Außenbezirk Malmös. Zum Auftakt gibt es eine Wiederholung zum Thema Förderung der Erwachsenenbildung in Schweden. Abschlussbezogene Kurse werden an den kommunalen Einrichtungen für Erwachsene (Komvux) durchgeführt. Ein breites Kursprogramm, stark an unterschiedlichsten Bedarfen und Interessen orientiert, gibt es bei den neun Studienverbänden, die von freien Trägern gefördert werden – wie z. B. ABF (Arbeternas Bildningsförening). Diese sind für den kommenden Tag vorgesehen, heute steht aber noch mal der dritte große Pfeiler im Mittelpunkt: die folkhögskola – mit intensiven Vollzeitangeboten. Die folkhögskola ist also nur dem Namen nach mit unseren Volkshochschulen eng verwandt. Die Kvarnby folkhögskola hat zwei wichtige Schwerpunkte: Die Comiczeichnerschule und SFI (svenska för invandrare).

In der Außenstelle für SFI-Kurse haben wir erneut die Möglichkeit, mit Lehrkräften zu reden. Im Unterricht erleben wir eine lebendige Diskussion zum Thema Kommunalwesen und können uns im Anschluss mit der Kursleitung über Methodik und Didaktik unterhalten. Interessant ist, wie hier durch die Anwendung von einfacher Sprache der Austausch über ein kompliziertes Thema ermöglicht wird.

Digitale Mittel werden kaum eingesetzt, diese dienen eher der Kommunikation. Im Unterrichtsraum und –geschehen fehlt nicht einmal der Hinweis, dass jede digitale Quelle zu überprüfen ist.

Fragen zur Quellenüberprüfung

Die Pausenräume sind auch hier mit gemütlichen Sitzecken und reichlich Lektüre ausgestattet. An diesem Lernort fühlt man sich wohl. Die gemeinsame Mittagszeit, möglichst warm, gibt Energie auch für längere Lerntage und stärkt das Miteinander. Da die Außenstellen wirklich AUßENstellen sind, ermöglicht eine gut ausgestattete Küche, genügend Kaffee für alle und eine Reihe von Mikrowellen eine schnelle Vorbereitung.

26.04.2024

Am letzten Tag lernen wir die anderen Bereiche der Erwachsenenbildung kennen und besuchen zuerst ein kommunales Erwachsenenbildungszentrum in Malmö. Ab 20 Jahren kann man hier (nochmal) loslegen. Nicht nur Schulabbrecher bekommen hier eine zweite Chance, sondern auch diejenigen, die ihren Abschluss verbessern wollen. Auch auf das Abitur kann man sich hier vorbereiten oder einen Beruf erlernen. Angebote für Menschen mit Behinderung gibt es auch sowie Berufsberatung und eine Schulbibliothek. Solche Schulen sind fester Bestandteil des Schulsystems und ermöglichen jedem und jederzeit, Verpasstes nachzuholen und damit die Grundvoraussetzungen für Bildung und Beruf zu schaffen, sich neu zu orientieren. Schulbesuch ist kein Privileg der Jugend!

Danach besuchen wir noch ABF, Arbeternas Bildningsförening, eins der sog. Studienwerkstätten. Diese haben unterschiedliche (politische oder religiöse) Träger. Die Trägerschaft ist natürlich bekannt und bietet keinen Anlass zur Diskussion, eher eine Orientierung. Bei ABF zieren große Wandgemälde aus der Zeit der Arbeiterbewegung die Räume. Die Bewegungs-, Vortrags- und Seminarräume sowie das Programmheft mit fünf Programmbereichen kommen uns sehr bekannt vor, hier finden wir tatsächlich eine Einrichtung, die den Volkshochschulen in Deutschland sehr ähnelt.

Erschlagen von den Eindrücken und Informationen sind wir auf dem Heimweg erst einmal still. Wir sind uns aber sicher, dass wir viel im Gepäck haben, worauf wir noch zurückkommen wollen. Vor allem die Selbstverständlichkeit des Lernens in jedem Lebensalter. Lernen gehört zum Alltag, zum Leben. Das sind die besten Voraussetzungen, um Grundbildung nachzuholen, denn Lernbedarfe können immer neu entstehen und jeden betreffen, damit entfallen Stigmatisierung und Erklärungsnöte.

Hospitation in Malmö, Schweden

von A. W.

Lerntagebuch Malmö 2024

23. April, Tag 1

Dieses Mal ist der vhs-Kugelschreiber auf Erasmus-Rudelreise unterwegs. Mit dem vhs-Bus geht es nach Malmö. Da wir u.a. in Sachen Integration unterwegs sind, beschäftigen wir uns auf der Fahrt mit der Frage, ob wir mit unseren Teilnehmenden aus Integrations- und EOK-/ STAFF-Kursen diese Reise machen könnten. Die Antwort ist eindeutig: Es kommt darauf an. Wir erfahren, dass es insgesamt sieben Aufenthaltstitel gibt, einen „grauen“ und einen „blauen Pass“ und das Aufenthaltsrecht nicht leicht zu durchdringen ist.

Das reisende Kugelschreiber-Rudel

Auf der großen Beltbrücke

Der erste Stopp führt jedoch an Malmö vorbei in die Dom- und Universitätsstadt Lund, wo wir uns zunächst den Dom anschauen. Insbesondere die Krypta ist groß, warm und beeindruckend. Sie wird als Ausstellungsfläche genutzt.

Dom zu Lund

Weiter geht es zur Universität Lund, wo uns Helena Berglund vom Institut für Lehrerbildung erwartet. Sie erklärt uns das schwedische Bildungssystem, was mit seinen vielen Optionen wie in den meisten Ländern nicht leicht zu verstehen ist, wenn man es nicht selbst durchlaufen hat. Das Thema soll uns noch die nächsten Tage begleiten. Interessant ist die kommunale Einrichtung für nachholende Bildung „komvux“ (kommunal vuxenutbildning) als Teil des Bildungssystems. Erwachsene können hier auf unterschiedlichen Niveaustufen des Schulsystems Fächer nachholen und sich damit Zugänge zu weiterführender Bildung verschaffen.

Ein Gang über den Campus rundet unseren Besuch ab.

Witziges Detail: Die Wand, an der Doktoranden ihre fertige, als Buch veröffentlichte Doktorarbeit annageln, bevor sie sie verteidigen

 

24. April, Tag 2

Wir besuchen die Kvarnby Folkhögskolan, das eigentliche Ziel unserer Reise. Unsere Einrichtungen sind seit mittlerweile 6 Jahren miteinander bekannt, was sich durch unregelmäßige Besuche auszeichnet, und der Empfang durch Rektor Henning Süssner Rubin und seine Kolleg*innen ist herzlich.

Hier finden vor den Toren der Stadt Kurse statt, in denen Erwachsene den schwedischen Schulabschluss erlangen können (wie es auch bei „komvux“ möglich ist) aber auch Schwedischkurse für Migrant*innen, so z. B. ein Kurs für Akademiker*innen mit entsprechender Progression.

Die Folkhögskolan ist nur bedingt mit einer deutschen Volkshochschule vergleichbar. Es fehlt z. B. das offene Kursangebot. Auch scheint die Finanzierung der Einrichtung durch öffentliche Gelder auskömmlich zu sein. Die Erwachsenenbildung wird in Schweden offenbar als gleichberechtigte 4. Säule des Bildungssystems anerkannt. Hinzu kommt, dass von der Finanzierung auch die Teilnehmenden profitieren. Nicht nur sind die Kurse kostenfrei, es gibt auch einen Anspruch auf eine Art BAföG über die Lebenszeit von insgesamt 6 Jahren, sodass man sich tatsächlich in Vollzeit weiterbilden kann. Alternativ gibt es Teilzeit-Bildungsangebote.

Die Kvarnby Folkhögskolan ist als Kooperative/Genossenschaft organisiert. Es gibt ca. 150 Anteilseigner, neben Privatpersonen vorrangig Gruppierungen aus dem politisch linken Spektrum. Noch ein Unterschied zu Deutschland und seinen Volkshochschulen, die sich die politische Neutralität auf die Fahnen schreiben: Erwachsenenbildungseinrichtungen haben (abgesehen vom kommunalen „komvux“) eine politische oder religiöse Zugehörigkeit.

Den Anteilseignern steht die Schule als Veranstaltungsstätte zur Verfügung, ein Vorstand bestimmt über die Gesamtausrichtung.

Am Nachmittag bekommen wir von Henning eine Führung durch das ehemals dänische Malmö, das 1658 schwedisch wurde. Spätestens seit der Landverbindung mit Dänemark durch die Öresundbrücke wächst die Stadt. Sie hat mittlerweile knapp 350.000 Einwohner*innen.

Viele alte Gebäude wurden im Laufe der Jahre abgerissen, dennoch ist ein charmantes Stadtbild erhalten geblieben:

Die Liebesstraße –Kärleksgatan

Das Rathaus

Altes Fachwerkhaus am Marktplatz

Mülltrennung wird auch im öffentlichen Raum praktiziert – am Park gibt es einen eigenen Container für Einweggrills.

2 Wochen nach unserer Reise findet in Malmö der diesjährige ESC statt. Wegen der Teilnahme Israels wird mit größeren Protesten und Ausschreitungen gerechnet. Während wir vor Ort sind, wird die Terrorwarnstufe auf 4 von 5 hochgesetzt – auf uns macht die Stadt jedoch einen friedlichen Eindruck.

 25. April, Tag 3

Wir besuchen eine Außenstelle der Kvarnby Folkhögskolan in Malmö, wo Schwedischkurse (das schwedische Integrationskurs-Pendant sfi – svenska för indvandrare) stattfinden. Dort dürfen wir im Unterricht hospitieren. In einem A1/A2-Kurs (wobei Schweden sich nicht für den Europäischen Referenzrahmen interessiert) ist heute die Kommune und ihre Aufgaben das Thema.

Drei Dinge fallen besonders auf:

  • Die Teilnehmenden sind sich einig, dass Steuern zahlen eine gute Sache ist – schon auf diesem Niveau wird deutlich gemacht, was der Staat/die Kommune damit alles ermöglicht und bereitstellt.
  • Ein melodisches Klingeln am Ende der Stunde – so leise, dass man es fast schon überhört – sorgt für einen ruhigen Übergang in die Pause. Warum braucht es so ein schrilles Klingeln, das alle aufschreckt und für Unruhe sorgt?
  • Neben der fika spielt auch ein gemeinsames warmes Mittagessen eine große Rolle. Überall, wo wir hinkommen, finden wir in allen Teeküchen immer mindestens 3 Mikrowellen vor.

26. April, Tag 4

„Komvux“ ist uns in den vergangenen Tagen immer wieder im Zusammenhang mit Erwachsenenbildung begegnet und wir bekommen die Gelegenheit, Komvux Malmö einen Besuch abzustatten und uns dort mit der stellvertretenden Schulleiterin und einige Lehrkräften und Sozialpädagogen auszutauschen.

Komvux Malmö ist in kommunaler Trägerschaft. Als Pflichtaufgabe der Kommunen wird es zum Teil auf an private Träger vergeben – im sozialdemokratisch geprägten Malmö ist Komvux in der Hand der Kommune.

Hier finden Kurse zum Nachholen oder Verbessern des Schulabschlusses statt. Außerdem gibt es die schulische Ausbildung in den Bereichen Gastronomie und Bäckerei (die duale Ausbildung gibt es in Schweden nicht) und natürlich auch sfi – Schwedisch für Einwanderer. Inklusion spielt eine große Rolle in Schweden. Lernschwächeren und Lernbehinderten wird man mit der „anpassat utbildning“ gerecht und bringt sie über diese „angepasste Ausbildung“ zum Abschluss. Die Kommune investiert in Stellen für Pädagogen, die Lehrkräften zur Seite stehen. Eine Herausforderung bleibt es trotzdem. Beeindruckend sind auch die offenen Lernwerkstätten, wo es „drop-in Zeiten“ gibt, an denen Lehrkräfte den Lernenden zur Beratung zur Verfügung stehen.

Letzter Programmpunkt unserer Reise ist ABF, der Arbetarnas Bildningsförbund. Er ist einer von insgesamt neun nationalen Studienverbünden.

Das Haus wurde 1938 eröffnet. Überall finden sich große Wandbilder, die verschiedene Arbeiterszenen darstellen.

Die Studienverbünde kommen von ihrer Organisation und ihrem Angebot den deutschen Volkshochschulen am nächsten, haben jedoch alle eine bestimmte politische oder religiöse Herkunft. Wie der Name schon sagt, ist der ABF der Bildungsverein der Arbeiterbewegung. Auch hier sind wieder Vereine und Verbünde Mitglieder, können das Haus nutzen und Angebote durchführen. Gleichzeitig gibt es auch ein offenes Kursprogramm sowie die schwedischen „studiecirklar“ – Studienzirkel, ein partizipatives Bildungsformat, was oftmals von Einzelpersonen initiiert wird und hier stattfindet.

Mit diesem letzten Programmpunkt endet unsere Reise und wir machen uns über die Brücken wieder auf den Weg nach Hause. Ein inspirierender Blick über den eigenen Tellerrand!

„Wie alle anderen!“ – Lernende aus Grundbildungskursen fahren nach Florenz

Sonntag, 24.09.23

Endlich der Tag, auf den alle hingefiebert haben: Abflug nach Italien (Mailand) und der Beginn einer außergewöhnlichen Zeit in Florenz!

Zunächst hieß es jedoch, mitten in der Nacht aufzustehen und rechtzeitig den Flughafen in Hamburg zu erreichen. Die Anfahrtswege waren zum Teil recht weit (Rendsburg, Oldenburg in Holstein…) und nicht alle Teilnehmenden konnten von uns Begleiterinnen im Auto mitgenommen werden. Letztendlich haben es aber alle geschafft, auch wenn es kurze Zeit so aussah, als hätten wir schon im Vorwege die ersten verloren…

Für manche war es der erste Flug, dementsprechend groß war die Aufregung. Aber es war ein ruhiger Flug mit toller Aussicht auf die vorüberziehende Landschaft unter uns und wir sind pünktlich in Mailand / Bergamo gelandet. Weiter ging es mit einem Shuttle nach Mailand hinein, wo wir uns vor der Weiterfahrt mit dem Zug nach Florenz in einer echt italienischen Eisdiele ausgiebig gestärkt haben.

Assistenz am Mailänder Flughafen

Die Zugfahrt verlief wie im Fluge und die Teilnehmenden der drei Regionalstellen begannen langsam, sich untereinander kennenzulernen.

Schließlich war es so weit: Ankunft in Florenz! Nachdem wir uns aus dem Gewusel im Bahnhof herausgekämpft hatten, warteten einige auf ein Taxi, während sich andere bei herrlichstem Sommerwetter zu Fuß auf den Weg ins Hotel machten.

Nach einer Ruhepause im Hotel war es dringend an der Zeit, etwas zu essen, denn alle hatten nach der langen Reise großen Hunger. Donatella hatte in einem kleinen Restaurant einen großen Tisch für uns alle reserviert und nachdem wir uns gemeinsam mit der italienischen Speisekarte auseinandergesetzt hatten, haben wir himmlisch gespeist!

Vieles auf der Speisekarte war unbekannt, was uns aber nicht davon abgehalten hat, das ein oder andere auszuprobieren – alle waren von diesen neuen kulinarischen Erfahrungen begeistert!

So rollten wir also mehr, als dass wir gingen, zum Hotel zurück und schliefen alle satt und zufrieden nach einem langen Tag voller neuer Eindrücke ein.

Montag, 25.09.23

Heute ging es richtig los – der erste Tag an der Universität!

Nach einem typisch italienischen Frühstück (Weißbrot, Butter, Marmelade und Kaffee) ging es zu Fuß bei schönstem Sonnenschein zur Universität zum ersten Unterricht.

Dort trafen wir zum ersten Mal auf die Teilnehmenden aus Vorpommern.

Nach der herzlichen Begrüßung durch die Leiterin der Universität ‚Centro Linguistico di Ateno‘ Professorin Annick Farina lernten wir unsere Italienischdozentin Elisabetta kennen – und schon ging es los mit der ersten Italienischstunde! Wie sagt man ‚Ich heiße…‘ auf Italienisch? Was bedeutet ‚Sono tedesco‘? Alles sehr verwirrend, aber nach zwei Stunden konnten schon die ersten Sätze auf Italienisch gesprochen werden!

Nach einer kleinen Verschnaufpause ging es weiter mit der Deutschdozentin Valerie. Sie gab uns einen kleinen Überblick über die Sehenswürdigkeiten der Stadt Florenz und bereitete somit die Rallye am Nachmittag vor.

Die Rallye, die Donatella und Cornelia akribisch vorbereitet hatten, führte die Teilnehmenden in kleinen Gruppen zu den wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten Florenz‘. An jeder Station hatten sie Aufgaben zu beantworten. Dies war eine große Herausforderung, denn die Aufgaben mussten gelesen und schriftlich beantwortet werden. Die Teilnehmenden halfen sich gegenseitig und so wurden alle Aufgaben von allen Gruppen bestens gelöst!

Die Rallye endete in der alten Apotheke ‚Antica Farmacia di Santo Maria Novella‘, die neben z.B. dem Dom und der Ponte Vecchio, ein echtes Highlight war. Nicht nur ‚alte‘ Düfte gab es dort zu erschnuppern, sondern auch z.B. eine besondere Videoinstallation zu bestaunen.

Stadtrallye Ponte Vecchio

Stadtrallye Apotheke – Videoinstallation

Nach so viel Lernen, Erkunden, Laufen und Eindrücke sammeln haben wir den Abend mit einem feinen Essen ausklingen lassen.

Dienstag, 26.09.23

Nach dem Frühstück ging es wie jeden Morgen zum Centro linguistico.

In der ersten Unterrichtseinheit gab es Raum für Reflexion, Austausch und Fotos des vorherigen Tages. Die Teilnehmer schrieben ihre Gedanken zum Montag auf, was ihnen besonders gefallen hatte oder aufgefallen war. In der zweiten Stunde folgte der Italienischunterricht mit Elisabetta. Es wurden verschiedene Arten der Begrüßung vom Vortag wiederholt und gelernt zu sagen, woher man kommt.

Im Unterricht

Bei Valerie wurde das Bestellen geübt, die verschiedenen Bezeichnungen der Getränke gelernt und direkt im Anschluss in die Praxis umgesetzt, und zwar auf der Dachterrasse des Archäologischen Museums, wo es ein Café gibt, von dem aus man einen wunderbaren Blick über einen Teil der Stadt hat. (Bild Café) Alle Teilnehmer bestellten sich selbst auf Italienisch ein Getränk und genossen diesen schönen Ort. Für viele Teilnehmer war es eine neue Erfahrung, das Gelernte sofort umsetzen zu können und ein Resultat zu erzielen. Italien rückte dadurch ein ganzes Stück näher.

Am Nachmittag sollte eigentlich das Archäologische Museum besucht werden, aber leider hatte es geschlossen. So wurde dieser Besuch verschoben und stattdessen ging es auf die andere Seite des Flusses hinauf zur Piazzale di Michelangelo, von aus man einen wunderschönen Blick über die ganze Stadt hat, die vom Dom und dem mittelalterlichen Rathaus beherrscht wird.

Piazzale Michelangelo

Der Aufstieg war etwas beschwerlich, sodass sich eine Teilnehmerin entschied, zusammen mit Cornelia unten zu bleiben. Treffpunkt danach war die Piazza di Santa Croce, einer der schönsten Plätze von Florenz, mit der gleichnamigen Kirche, deren Atmosphäre wir eine ganze Weile genossen und wo die ersten Souvenirs erstanden wurden. Zum Ausklang des Tages ging es ins Kellergewölbe einer Pizzeria, wo alle eine besonders leckere Pizza aßen.

Mittwoch, 27.09.23

Wie schon am Dienstag galt die erste Stunde der Reflexion, dem Austausch und der Fotoaufbereitung. Danach lernten die Teilnehmer die Namen von Lebensmitteln auf Italienisch. Im dritten Teil des Unterrichts führte die Dozentin Valerie uns auf einen Markt, wo sie uns verschiedene italienische Spezialitäten erklärte und es die Möglichkeit gab, mit einem Obst- und Gemüsehändler zu sprechen.

Am Ende gab es ganz spontan an einem der Stände für alle ein Menü aus drei Gängen, das der Chef für uns zusammenstellte. Jeder bekam so viel Nachschlag, wie er wollte. Das war beeindruckend.

Danach ging es zu Fuß zur Bushaltestelle, von wo aus wir mit dem Bus nach Settignano fahren wollten, einem kleinen Dorf an den Toren von Florenz. Im dortigen Gemeindezentrum, der casa del popolo („Volkshaus“) hatten wir bei Rosalba einen Kochkurs gebucht. Wir wurden sehr herzlich empfangen. Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen eingeteilt, von denen jede für ein bis zwei Gänge zuständig war. Alle Teilnehmer bekamen eine Küchenschürze und ein Kopftuch, das sie behalten durften. Danach ging es an die Arbeit. Es wurde Gemüse geschnitten und gedünstet, Bruschetta (Brote mit verschiedenem Belag) vorbereitet, Fleischbällchen geformt und ein Nachtisch aus Obst zubereitet. Während die eine Gruppe schuftete, konnten die anderen die Gärten der Villa Gamberaia besichtigen, der am anderen Ende des Dorfes lag.

Als alles fertig war, wurde ein großer Tisch im Hinterhof des Gemeindezentrums gedeckt, und zusammen mit Rosalba, unserer Chefköchin, wurde das sehr leckere, selbst zubereitete Abendessen verzehrt. Alle waren satt und zufrieden. Rosalba war überrascht, wie gut alle kochen konnten. Spät am Abend nahmen wir den Bus, der uns in unglaublicher Geschwindigkeit zurück nach Florenz brachte.

In der Küche beim Kochen

Donnerstag, 28.09.23

Der Unterricht am Morgen war an diesem Tag etwas kürzer, weil ein längerer Ausflug anstand. Bei Elisabetta lernten die Teilnehmer auf Italienisch zu zählen, und Valerie erzählte uns viele interessante Aspekte über die Toskana, zum Beispiel, dass die meisten italienischen Städte im Mittelalter Stadtmauern hatten, von denen aber die wenigsten erhalten sind. Lucca ist eine der ganz wenigen Städte, die noch eine komplette Stadtmauer haben. Wir sollten die Möglichkeit haben, sie uns anzuschauen.

Für den Ausflug gab es zwei Optionen: Lucca mit seiner Altstadt und Stadtmauer oder Livorno am Meer. Die meisten Teilnehmer entschieden sich für Lucca, zwei fuhren mit Sabine nach Livorno. Während die drei vor allem das schöne Wetter am Meer ausnutzten, haben die anderen Lucca unsicher gemacht, die Stadt besichtigt, geshoppt, Eis gegessen, Kaffee getrunken u.v.m. Zunächst gab es noch eine kleine Aufregung im Zug. Wenn man die Fahrkarten am Automaten kauft, muss man sie am Bahnhof abstempeln. Ohne den Stempel mit Datum und Uhrzeit ist die Fahrkarte ungültig. Da wir noch auf die Gruppe aus Vorpommern warten mussten, wurde die Zeit immer knapper und es reichte nicht mehr, alle Fahrkarten abzustempeln. Donatella ist mutig am nächsten Halt ausgestiegen, um den Rest noch zu stempeln.

Ein Teilnehmer ist alleine auf den Torre Guinigi gestiegen. Als es oben sehr eng und voll wurde, sagte er ‚Scusi‘ (Entschuldigen Sie!) und die Leute machten ihm Platz. Das war für ihn eine wichtige Erfahrung. Er konnte etwas auf Italienisch sagen und bekam daraufhin die erwünschte Reaktion.

Eine weitere Attraktion war die Fahrt mit einem Tandem auf der Stadtmauer einmal um die ganze Stadt herum. Treffpunkt zum Abendessen war das ehemalige Amphitheater der Stadt, das heute ein wunderschöner ovaler Platz mit mittelalterlichen Häusern ist. Nach einem weiteren guten Abendessen ging es zu Fuß zurück durch das nächtliche Lucca zum Bahnhof und dann mit dem Zug zurück nach Florenz.

Im Unterricht

Auf der Stadtmauer von Lucca

Freitag, 29.09.23

Der letzte Tag in Florenz. Wie an jedem Morgen war die erste Stunde der Reflexion über den Vortag gewidmet. Bei Elisabetta hörten wir ein italienisches Lied. Valerie erzählte uns viel über wichtige Sehenswürdigkeiten in Florenz wie z.B. den Dom. Eine Schülerin hatte eine Dankesrede vorbereitet, woraufhin Tränen flossen. Alle waren sichtlich ergriffen. Im Anschluss sollte es im Hof des Sprachenzentrums eine kleine Abschiedsfeier geben. In Wirklichkeit war ein riesiges Buffet mit vielen leckeren Speisen aufgebaut. Aber vorher bedankten wir uns bei den italienischen Dozentinnen, der Leiterin Professorin Annick Farina und den Universitätsmitarbeiterinnen für ihr großartiges Engagement, ihre Offenheit, solch ein Projekt zu wagen, und ihre unglaublich freundliche Aufnahme. Es wurden Geschenke ausgetauscht. Wir hatten Lübecker Marzipan und VHS-Anhänger mitgebracht und bekamen alle eine Flasche mit der Aufschrift des Sprachenzentrums.

Abschied

Für den Nachmittag hatten wir Eintrittskarten für den Dom, um nicht in einer langen Schlange anstehen zu müssen und, wer wollte, konnte den Turm des Doms besteigen, was mit 414 Stufen eine recht beschwerliche Angelegenheit war.

Danach gab es eine Kutschfahrt bzw. die Fahrt mit einem elektrischen Golf-Cart durch die Stadt. Der Rest der Zeit bis zum Abendessen stand zur freien Verfügung. Alle waren sich einig, dass allen das Restaurant am ersten Abend am besten gefallen hatte, sodass wir dort die Reise ausklingen lassen wollten. Noch einmal konnten wir die leckeren toskanischen Spezialitäten genießen, wie z.B. das Bistecca fiorentina, ein sehr großes und dickes Stück Rindfleisch, das fast roh gegessen wird und das vor allem beim männlichen Teil der Teilnehmer großen Anklang fand.

Kutschfahrt

Golf-Cart

Samstag, 30.09.23

Tag der Rückreise. Bevor es zum Bahnhof ging, musste noch der Besuch im Archäologischen Museum nachgeholt werden. Die Teilnehmer hatten die Aufgabe, bestimmte Ausstellungsstücke zu suchen und Fragen dazu zu beantworten. Dazu hatten wir eine Museumsrallye erstellt. Alle waren mit Begeisterung dabei und schauten sich auch andere Exponate an. Ein Highlight war die „Tavoletta marsiliana“, eine Steintafel mit einem der ersten lateinischen Alphabete, noch von rechts nach links geschrieben, leider nur sehr klein. Hier schloss sich der Bogen unserer Reise.

Danach ging es kurz zurück zum b&b, um die Koffer abzuholen. Die Nonnen vom b&b hatten für uns vier Taxis bestellt, von denen nach einigem Warten nur zwei kamen. Der zweite Taxisfahrer war sehr freundlich und lud alle Koffer in sein Taxi, sodass wir unbeschwert zu Fuß zum Bahnhof gehen konnten. Diese Flexibilität zu sehen, aus der Not eine Tugend zu machen, war eine gute Erfahrung.

Innenhof b&b

Von Florenz ging es dann mit dem Zug nach Mailand, wo wir einen längeren Aufenthalt hatten, den wir für ein letztes gemeinsames Mittagessen in einem sizilianischen Restaurant nutzten. Die Teller gefielen einem Teilnehmer so sehr, dass er die Besitzerin überredete, ihm einen zu schenken. Auch das eine spontane gelungene Situation. Danach wieder mit dem Shuttle-Bus zum Flughafen Bergamo und von dort mit einem Direktflug nach Hamburg. Da eine Teilnehmerin starke Schmerzen hatte, wurde für sie die Assistenz beim Einsteigen organisiert. Am Hamburger Flughafen trennten sich dann unsere Wege. Alle waren spät in der Nacht zu Hause.

Fazit

Es war eine sehr gelungene Reise, die bei allen Teilnehmern einen starken Eindruck hinterlassen hat.

Für die meisten von ihnen waren viele Erfahrungen vollkommen neu.

Wirklich beachtlich war, wie gut sie mit all diesen neuen Eindrücken zurechtgekommen sind. Sie waren allem gegenüber aufgeschlossen und interessiert. Sie haben mit den italienischen Dozentinnen und den Nonnen vom b&b ohne Probleme kommuniziert und haben sich in der Stadt ohne Schwierigkeiten bewegt. Sie haben beim Essen viele Gerichte probiert, die sie nicht kannten.

Sie haben, z.B. auf der Stadt- und der Museumsrallye und beim Kochkurs, in Gruppenarbeit Aufgaben gemeinsam gemeistert. In kurzer Zeit ist eine Gruppe entstanden, die gegenseitig auf sich achtete.

Es ist uns offenbar gelungen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich sicher fühlen und so offen gegenüber Neuem sein konnten. Sie haben erlebt, dass sie mehr können, als sie sich selbst vorgestellt hatten. Sie haben an der Reise sehr aktiv teilgenommen, und das ist vielleicht eine der besten Formen von Teilhabe. Das Gelernte konnte oft direkt in die Praxis umgesetzt werden, wodurch es als positiv empfunden wird.

Ein Teilnehmer sagte, dass es die beste Zeit seines Lebens gewesen sei.

Ausblick

Die Reise hat sehr deutlich gezeigt, dass es wichtig ist, über die reine Alphabetisierungsarbeit hinaus Anlässe für lebensweltliche Erfahrung zu schaffen. Dass sich hier Menschen begegnet sind, die sich normalerweise wahrscheinlich nicht begegnet wären, war eine der wichtigen Erfahrungen, und zwar für beide Seiten, sowohl für die Teilnehmer als auch für die italienischen Dozentinnen und für uns als Organisatorinnen. Noch mehr Möglichkeiten, über den geschützten Rahmen der Alphabetisierung hinaus schauen zu können, müssten in Zukunft geschaffen werden.

Ein weiterer Aspekt, den die Teilnehmer hier ganz direkt erfahren haben und der oft negativ besetzt ist, ist die Selbstwirksamkeit. Sie waren dem fremden Land nicht hilflos ausgeliefert, eine Situation, die sie allzu oft schon erlebt haben. Das ist eine wesentliche Erfahrung im Leben.

All diesen Aspekten sollte in Zukunft in der Alphabetisierungsarbeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Deshalb hoffen wir, diese oder eine ähnliche Reise in Zukunft wiederholen bzw. fortsetzen zu können.

Moin Malmö! Lernende aus Grundbildungskursen reisen nach Schweden

Moin Malmö!

Eine Erasmus+ Lernmobilität nach Schweden von der Regionalstelle Alphabetisierung der vhs Husum und vom Grundbildungszentrum der Förde-vhs Kiel Anfang des Jahres 2023 klingelte bei Martina Vanicek im Grundbildungszentrum in Kiel das Telefon: Ascan Dieffenbach von der Regionalstelle für Alphabetisierung in Husum erzählt von seinem Plan, mit Kursteilnehmenden aus dem Bereich Grundbildung über das Programm Erasmus+ nach Malmö zu fahren, um dort die Kvarnby Folkhögskola zu besuchen, zu der bereits eine Kooperation bestehe. „Und in unserem vhs-Bulli haben wir noch Platz …!“. Das ließen sich die Kieler*innen nicht zweimal sagen – und so war eine Reisegruppe von acht Teilnehmenden gegründet: Je zwei Kursteilnehmende und je zwei Kurs-/Projektleitungen aus Husum und Kiel. Ein Planungstreffen fand Anfang März statt, zu dem Ascan nach Malmö reiste, um mit Henning Süssner Rubin, dem Rektor der Kvarnby Folkhögskola, und der online dazu geschalteten Martina ein Programm für die Lernmobilität zu erarbeiten. Das Programm sollte verschiedene Lernmöglichkeiten bieten, eine Auseinandersetzung mit kulturellen Aspekten sowie einen Einblick in das schwedische Sozialsystem und das System der Erwachsenenbildung ermöglichen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Kolleginnen Jana Behrens und Julia Francke vom Landesverband der Volkshochschulen Schleswig-Holstein wurden individuelle Lernvereinbarungen ausgearbeitet und alle Formalitäten geklärt – und dann hieß es nur noch Koffer packen!

Dienstag, 2. Mai 2023

  Um 8:03 Uhr setzt sich der Zug von Kiel nach Schleswig in Bewegung. Die Kieler Gruppe: Doris, Floriona, Patrick und Martina (v.l.n.r.) ist gutgelaunt an Bord.     Und es gibt bereits eine erste Lektion in digitaler Kompetenz: Floriona erklärt ihrer Lehrerin Doris, wie Instagram funktioniert.   Um kurz vor 9 Uhr kommen wir in Schleswig an, wo uns die Husumer Gruppe schon am Bahnhof erwartet. Eine kurze Begrüßung zwischen den Husumern und den Kieler*innen, dann schnell im Bahnhofskiosk mit Proviant eingedeckt und los geht es im blauen Bulli der vhs Husum Richtung Norden.

Unsere Reisegruppe ist komplett:

Patrick, Patrick, Doris, Floriona, Jochen, Florian, Ascan und Martina (v.l.n.r.) – das Abenteuer kann beginnen!

Gleich hinter der Grenze zu Dänemark starten wir ein kleines Schweden-Quiz, das alle drei Gruppen, eingeteilt nach den Sitzbänken, mit Bravour meistern: Schweden ist zwar der Fläche nach größer als Deutschland, aber es leben dort 10-mal weniger Menschen pro Quadratkilometer. Der schwedische König heißt nicht Horst Helmut sondern Carl Gustaf und seine Königin Silvia ist in Deutschland geboren, genau gesagt in Heidelberg. Volvo ist eine schwedische Automarke und „Köttbullar“ sind keine Gummibärchen, sondern die typisch schwedischen Hackfleischbällchen…

Bei einer Pause an einer Raststätte in Dänemark schauen wir uns die Reiseroute an. Zwei lange Brücken liegen noch vor uns.

Danach sprechen wir darüber, was wir von Schweden bereits wissen und was wir mit Schweden verbinden.

Und wir sammeln Fragen, die wir unseren Gastgeber*innen der Kvarnby Folkhögskola stellen wollen. Die Stimmung ist super!

  Um 13.15 Uhr sind wir dann bereits im Hotel im Malmö angekommen und beziehen unsere schönen Hotelzimmer. Um 14 Uhr treffen wir uns bereits wieder in der Hotellobby und starten einen Stadtrundgang mit dem Schulleiter Henning Süssner Rubin als Stadtführer. Praktischerweise ist Henning in Deutschland geboren, so dass es mit der Verständigung ganz einfach ist. Henning nimmt sich den ganzen Nachmittag für uns Zeit, um uns die schönsten Stellen der Malmöer Altstadt zu zeigen. Malmö ist viel größer als Husum und sogar größer als Kiel. Es ist die drittgrößte Stadt Schwedens und war früher sogar für 8 Monate Hauptstadt! Die Sonne strahlt vom blauen Himmel als wir die Altstadt erkunden. Wir sehen, wo früher die Stadtmauer stand und bewundern das schöne alte Rathaus (Bild oben), besuchen die wunderschöne St. Petri Kirche (unten) und essen Hamburger von einem echten schwedischen Burgerladen auf den Stufen eines Denkmals von einem der vielen schwedischen Könige, die alle Carl hießen. Nach 3 Stunden Stadtrundgang bringt uns Henning zum Hotel zurück und nach einer kleinen Pause starten wir ins Abendprogramm und suchen uns ein Restaurant. Manche essen eine „Planka“, ein typisch schwedisches Gericht mit Kartoffelbrei. Gestärkt vom Essen besprechen wir, was wir alles erlebt haben. Der letzte Programmpunkt des Tages, ist das Tagebuchschreiben. Was hat uns heute am besten gefallen? Auf dem Rückweg plündern wir noch die Naschibar eines Supermarktes. Das gibt es so in Deutschland nicht! Dank der Rechen-App von Patrick wissen wir, dass wir jeden Preis ungefähr durch 10 teilen müssen, um Schwedische Kronen in Euro umzurechnen. Und die Naschibar taucht dann auch später unter anderem in der Whatsapp-Story einer der Kursteilnehmenden auf… Um 21:30 Uhr geht ein wundervoller erster Tag zu Ende. Godnatt, Malmö!

Mittwoch, 3. Mai 2023

Um 8 Uhr sind wir zum Frühstück verabredet und schauen erst einmal, was es alles an Leckereien am Frühstücksbuffet gibt, wo die Teller und das Besteck zu finden sind usw. Nach dem Frühstück holt uns Henning im Hotel ab und wir lernen, dass in Schweden die Zebrastreifen „ungefähr das gleiche bedeuten, wie in Deutschland: Du darfst keine Menschen überfahren!“, sagt Henning ;-). Auf dem Weg in den Malmöer Stadtteil Rosengård, erfahren wir, warum der schwedische „National- und Fußballheld“ Zlatan Ibrahimović, der in Rosengård aufgewachsen ist, in seiner Heimatstadt Malmö nicht besonders beliebt ist: Er hat sich nicht nett über seinen Heimatfußballverein geäußert. Das kommt in Malmö nicht besonders gut an. Es wurde sogar eine Statue von Zlatan einige Male verunstaltet – mit einer Plastiktüte über dem Kopf und einer Klobrille über dem Arm, so dass sie abgebaut werden musste. Aber es gibt auf einem der Häuser noch ein Bildnis von ihm, wie man auf dem Foto im Hintergrund sehen kann. Der Stadtteil Rosengård sieht aus wie der Kieler Stadtteil Mettenhof. Hier wohnen sehr viele Menschen, die aus einem anderen Land nach Schweden gekommen sind, z.B, auf der Flucht vor Krieg. Nach diesem kleinen Abstecher geht es endlich in die Kvarnby Folkhögskola. „Kvarnby“ bedeutet „Mühlendorf“. Wir bekommen eine Führung und erfahren bei einem Kaffee alles, was es über die Folkhögskola zu wissen gibt und wie sie organisiert ist.   Anders als in Deutschland gehört die Folkhögskola nicht zur Stadtverwaltung wie in Kiel und ist auch kein eingetragener Verein wie in Husum, sondern sie ist als eine Kooperative zwischen 180 Eignern organisiert. Davon sind 40 Vereine und Institutionen. Alle Kurse sind kostenlos und werden vom schwedischen Staat finanziert! In Malmö gibt es sieben verschiedene Volkshochschulen! Das liegt daran, dass jede Schule ihr eigenes Profil hat, also eine Auswahl an Bildungsbereichen und Themen, die man dort lernen kann. In Kvarnby gibt es die Bildungsbereiche: Schwedisch, Schulabschluss, die ästhetische Linie für Comiczeichner*innen und Autor*innen und eine politische Linie. Die Schule hat drei Standorte. Wir sind jetzt in einem, der etwas außerhalb von Malmö liegt und einen wunderschönen Garten hat, in dem es sogar Bienenstöcke gibt. Im Schulgebäude gibt es viele schöne Ecken und Nischen zum Lesen und Lernen. Außerdem hat der Bildungsbereich für Schriftstellerei ein eigenes kleines Literaturhaus. Aus dem Kurs sind schon einige berühmte Schriftsteller*innen hervorgegangen, z.B. Jonas Hassen Khemiri, der schon viele Preise gewonnen hat, und dessen Werke auch ins Deutsche übersetzt wurden und sehr erfolgreich sind. In der Schule gibt es ein Café, das Café „Plugghästen“, in dem Menschen mit Behinderungen ihren Arbeitsplatz haben, ähnlich wie auf einem Außenarbeitsplatz einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen in Deutschland. Wie das genau organisiert ist, werden wir noch am Donnerstag erfahren. Wir bekommen auch gleich eine typisch schwedische Kostprobe aus dem Café: Frischgebackenes Knäckebrot – sehr lecker! Wir lernen das Café-Team kennen, das bereits unser Mittagsessen vorbereitet, und erfahren, welche Aufgaben zur Arbeit im Café gehören: das Kochen, die Arbeit an der Kasse und mit den Kunden sowie der Abwasch. Das Mittagessen, das wir später serviert bekommen, war sehr lecker und gesund, wie auch später auf Whatsapp zu lesen ist 🙂 Und dann nimmt sich Henning die Zeit, um alle unsere Fragen zu beantworten, die wir gestern auf der Hinfahrt gesammelt haben: Frage: Was darf der König? Antwort: Wie in Deutschland ist Schweden eine Demokratie, das heißt, eine vom Volk gewählte Regierung trifft die wichtigen Entscheidungen. Die Gesetze erlässt der Reichstag. Der König ist zwar laut Verfassung das Staatsoberhaupt, aber er nimmt eher feierliche Aufgaben wahr, etwas vergleichbar mit dem Bundespräsidenten in Deutschland. Außerdem ist er „immun“, das bedeutet z.B. wenn er zu schnell Auto fährt, verliert er nicht seinen Führerschein. Nach Carl Gustaf wird seine Tochter Viktoria die nächste Königin. Frage: Gibt es in Schweden auch Bundesländer? Antwort: In Schweden gibt es keine Bundesländer, sondern Schweden ist zentral regiert. Aber es gibt Regionen und Kommunen, die den deutschen Kreisen und Städten entsprechen. „Skåne“ ist der Regierungsbezirk, in dem Malmö liegt. Frage: Was ist „typisch schwedisch“? Antwort: In Schweden sind alle sehr höflich und legen darauf auch großen Wert. Zum Beispiel bedankt man sich ständig für alles Mögliche. Und man gibt in einer Gruppe von Menschen zur Begrüßung immer allen einzeln die Hand. Außerdem ist es typisch schwedisch, dass sich alle mit Du und mit Vornamen ansprechen. Frage: Wie Fußball-begeistert ist Schweden? Antwort: Sehr! Die Stadien sind oft voll – allerdings auch, weil sie so klein sind. 22 500 Menschen passen in das Stadion von Malmö, dessen Mannschaft in der 1. Liga spielt. Frage: Wie ist das mit dem Alkohol in Schweden? Antwort: Der Alkohol ist sehr teuer. Jedes Getränk mit über 3,5, Prozent Alkoholgehalt wird in besonderen Geschäften, die „Systembolaget“ heißen, verkauft und nicht im Supermarkt. Hier darf man Bier in einem Restaurant erst trinken, wenn man 18 Jahre alt ist, aber um Alkohol in einem Systembolaget kaufen zu dürfen, muss man 20 Jahre alt sein. Jugendliche dürfen also eigentlich keinen Alkohol trinken, aber es gibt Erwachsene, die Jugendlichen Alkohol kaufen, die sich dann betrinken. In Schweden trinkt man mehr Schnaps als Deutschland, wo man eher Bier trinkt. Die strengen Regeln gibt es, weil früher die Menschen im Alltag oft betrunken waren. Um 13:30 Uhr geht es los zu einem anderen Standort von Kvarnby, wo wir bereits von der Lehrerin Agnes zum Schwedisch-Unterricht erwartet werden. Da Agnes kein Deutsch spricht, geht es gleich los auf Schwedisch. Das klappt besser als gedacht. Wir bekommen von Agnes oft ein „mycket bra!“ zu hören – und was sich für uns immer anhört wie das deutsche Wort „Mücke“ bedeutet auf Schwedisch „Sehr gut!“, wie wir schnell verstehen. Wir lernen, dass das O im Schwedischen aussieht wie ein A mit einem Kringel: Å. Und das U wird wie ein Ü ausgesprochen. Es dauert eine Stunde und wir alle können uns mit Namen vorstellen, sagen, wo wir wohnen und welche Farbe unsere Kleidung hat. Außerdem heißt in Schweden das Bier „Öl“…. Es entstehen die ersten kleinen Unterhaltungen. Toll! Dann werden wir eingeladen zu einer typisch schwedischen „Fika“, einer schwedischen Kaffeepause mit den typischen Zimtschnecken.   Und plötzlich kommt Henning mit tollen Kvarnby-Fleecejacken um die Ecke, die wir geschenkt bekommen. Und wir sagen: Tack så mycket! Zurück mit dem Bulli Richtung Hotel, probieren wir aus, ob der Bulli ins Parkhaus passt: Er passt! Als nächster Punkt auf unserem Programm steht: Shopping! Gemeinsam mit Henning spazieren („promenerar“) wir ins Einkaufszentrum „Triangel“ und teilen uns auf, um shoppen zu gehen. Dabei machen wir die Erfahrung, dass in manchen Geschäften kein schwedisches Bargeld angenommen wird, weil alle nur mit Bank-Karte bezahlen! Mit unseren Einkaufstüten ziehen wir weiter in ein Restaurant, denn mittlerweile ist Abendbrotzeit. Wir kehren ein im „Ölkaffeet“ und wir wissen nun dank Agnes, dass das „Bier-Café“ bedeutet und die Stammkneipe des hiesigen Fußballvereins ist – mit Fernsehern, wohin man auch blickt. Für unsere fußballbegeisterte Gruppe genau das Richtige! Der Abend klingt aus wieder mit den typischen „Planka“ (lecker!), schwedischem Bier (nicht so lecker) und sehr schönen Gesprächen mit Henning, Agnes und der Tochter einer Kollegin aus Husum, die in Malmö lebt, sowie ihren Freunden, so dass wir eine lustige Truppe von 13 Personen waren. Wir haben heute so viel über Schweden erfahren, dass der Kopf schwirrt, als wir um 24 Uhr wieder im Hotel sind. Ein toller Tag! Tack så mycket, lieber Henning und liebe Agnes und das ganze Küchenteam von Kvarnby!

Donnerstag, 4. Mai 2023

Ein neuer sonniger Tag startet wieder mit einem leckeren Frühstück am Hotelbuffet. Weil der Tag gestern voller Termine war und wir es nicht geschafft haben, treffen wir uns heute um 9.00 Uhr in der Hotellobby, um Tagebuch für den gestrigen Tag zu schreiben. Was war gestern besonders toll?   Danach holt uns wieder Henning ab und wir spazieren zum Schlosspark. Dort ist es sehr schön mit Gänsefamilie, viel Wasser, grünen Wiesen, einer Windmühle und schönen Blumen.   Wir legen einen Zwischenstopp in der Stadtbücherei ein, die in Schweden für alle Menschen kostenlos ist. Anders als in Deutschland, wo man eine Jahresgebühr bezahlen muss, um Bücher und andere Medien ausleihen zu können – was Henning uns erst gar nicht glauben will! Es gibt sehr viele Bücher in „Lättläst“ (siehe Bild links), das schwedische Wort für Leichte bzw. Einfache Sprache.     Danach besuchen wir das Technische Museum. Das ist ein toller Ort, wo es viel zum Anschauen und zum selbst ausprobieren gibt. Wir bestaunen alte Fahrräder, Flugzeuge und Autos.       Eine Etage höher können wir sehr viele Experimente selber machen. Zum Beispiel gibt es eine Wärmebildkamera (links), auf der wir klar sehen können, wer von uns eine kalte Nase hat, die ist dann nämlich dunkel! Außerdem gibt es eine Umfrage, mit vielen Fragen zu einer nachhaltigen Zukunft. Henning übersetzt uns, so dass wir mitmachen können und wieder etwas Neues über die schwedische Kultur und den Umweltschutz lernen. Zum Beispiel, dass es vielen Schweden bei Ihrer Art zu wohnen am wichtigsten ist, in der Nähe ihrer Familie zu wohnen. Das ist ihnen wichtiger, als in einer großen oder modernen Wohnung zu wohnen. Wir überlegen, ob das vielleicht daran liegen könnte, dass Schweden ein so großes Land ist mit weiten Entfernungen. Wir sind alle total begeistert und danach sehr hungrig! Also zurück in den Schlosspark, wo es in einem Biergarten endlich das klassische schwedisch Essen gibt: Köttbullar! Wir nutzen die Gelegenheit, um Postkarten zu schreiben. Gestärkt machen wir uns danach zu Fuß auf den Weg zum Strand, wo es ein wunderschönes Meerwasserbad mit Sauna gibt, das über einen Steg erreichbar ist. Von dort aus sehen wir auch den „Turning Torso“, mit 190 Metern Höhe der höchste Wolkenkratzer Schwedens und ein modernes Wahrzeichen von Malmö. Da wir gerade mal 12 Grad haben, traut sich niemand von uns ins Wasser, aber wie gut, dass die Husumer extra ihren Fußball mitgebracht haben, so dass wir einen entspannten Nachmittag am Strand mit einem Freundschaftsspiel Husum-Kiel im Dünensand erleben. Ein sehr entspannter Nachmittag geht zu Ende und wir fahren mit den Öffentlichen Verkehrs-mitteln zurück in die Innenstadt. An der Bushaltestelle hören wir plötzlich eine Stimme, die ansagt, wann welcher Bus als nächstes fährt. Eine Schwedin zeigt uns einen Knopf an der Haltestelle auf dem „Info“ steht. Wenn man darauf drückt, werden die aktuellen Abfahrtzeiten genannt. Das finden wir toll! Zum Beispiel für Menschen, denen das Lesen schwer fällt oder die nicht gut sehen können. Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hotel treffen wir uns wieder und gehen zum Abendessen in eine Pizzeria. Eine von uns traut sich an exotische Pizza mit Curry und Banane – und die ist wohl super lecker, wie auch später auf Whatsapp zu lesen ist… Es ist ein toller Abend, an dem wir viel quatschen und sogar Geheimnisse miteinander austauschen (welche, werden natürlich nicht verraten). Und man merkt: Husumer und Kieler*innen sind zu einer echten Gruppe zusammengewachsen. Alle würden gerne noch länger bleiben, doch gleichzeitig freuen wir uns auch alle wieder auf zu Hause. Ein weiterer toller Tag geht zu Ende.  

Freitag 5.Mai

Nach dem letzten Mal Frühstücksbuffet gehen alle noch einmal schnell um die Ecke in einen Supermarkt, um Mitbringsel zu kaufen. Dann checken wir aus dem Hotel aus und werden erneut von Henning abgeholt. Heute steht ein ganz besonderer Programmpunkt an, den man als normale Tourist*innen nicht erleben kann: Die Stadtverwaltung von Malmö öffnet uns die Türen und wir bekommen einen exklusiven Einblick in das schwedische Sozial- und Bildungssystem. Wir werden schon von Lisa und Lena erwartet, die uns ganz „typisch schwedisch“ zur Begrüßung allen die Hand reichen und uns sofort duzen. Die beiden arbeiten in dem Bereich, der Menschen mit einer Behinderung dabei unterstützt, eine passende Arbeitsstelle zu finden. Das System ist anders organisiert als in Deutschland: In Schweden gibt es keine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM), aber man hat ein Recht auf „Tägliche Aktivitäten“. Tägliche Aktivitäten kommen in Frage, wenn man keinen Job findet auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und keine Ausbildung machen kann. Sie sind keine Pflicht, sondern ein Recht. Man macht die Tätigkeit freiwillig, um eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Man bekommt auch keinen Lohn, sondern man bekommt sein Geld von der staatlichen Krankenkasse. Je nachdem, was man sich als Beschäftigung wünscht, kann man verschiedene Sachen ausprobieren und darf sich dann entscheiden. Aber auch hier ist das Ziel, aus der Aktivität herauszukommen und lieber einen richtigen Job zu finden, weil man dann auch mehr Geld verdient. So ist es auch in Deutschland. Im Malmö gibt es 75 verschiedene Arbeitsbereiche, an denen 900 Menschen tätig sind. Das war wirklich interessant! Und nun heißt es Abschied nehmen von Henning und von Malmö. „Hejdå, Henning!” Wir fahren mit dem Auto nach Lund, einer schönen schwedischen Stadt, etwa eine halbe Autostunde von Malmö entfernt. Dort besichtigen wir den berühmten Dom und besuchen die Markthalle. Leider ist das Wetter heute so kalt und windig, dass wir uns nach einem Mittagessen schnell wieder auf dem Weg zum Auto machen und unsere Heimreise antreten. Wir nutzen die gemeinsame Zeit, um noch einmal zusammenzutragen, was wir alles erlebt und gelernt haben und was in Schweden anders ist, als in Deutschland: – es gibt in jedem Restaurant immer Wasser umsonst – Kaffee kann man sich immer nachnehmen – Alle bezahlen mit Karte, es gibt sogar Geschäfte, die kein Bargeld annehmen. – Malmö ist größer als Husum und als Kiel – Es gibt keine getrennten Toiletten, das ist toll für Transmenschen! – Das Toilettenpapier ist nur einlagig – Alle duzen sich und sprechen sich mit Vornamen an, auch auf dem Amt – Es gibt mehr bunte Farbe bei Gebäuden und Parkbänken – Die Bücherei kostet kein Geld – Der „Öl“-Preis (also der Preis für das Bier 😉 ändert sich im Laufe des Tages – Alkohol kann man nur in besonderen Geschäften kaufen – Es gibt Gamingbars – Es gibt weniger Erwachsene, denen das Lesen und Schreiben schwer fällt, ungefähr nur halb so viele wie in Deutschland – Es gibt König und Königin – Es gibt viele Fernseher in den Kneipen und Restaurants – Es gibt Pizza mit Banane, Ananas und Curry Und was waren unsere Highlights der gesamten Reise? – Patrick (Husum) und Florian: Der Schwedisch-Unterricht – Patrick (Kiel): Wie freundlich wir in Hennings Schule empfangen wurden – Floriona: „Planka“ mit Lachs und das gemeinsam Essen mit der ganzen Gruppe – Doris: Wie gut die Gruppe zusammengepasst hat. – Jochen: Der Schwedisch-Kurs – Ascan: Dass die Gruppe so gut zusammen funktioniert hat – Martina: Der Abend in der Pizzeria mit dem Austauschen von Geheimnissen. Kaum fahren wir über die deutsche Grenze, fängt es an zu regnen. Die Reise klingt aus mit dem Erzählen von ein paar Witzen und lautem Lachen. In Schleswig werden die Kieler*innen wieder am Bahnhof abgesetzt und fahren mit dem Zug zurück nach Kiel. Wir alle sind um so viele Eindrücke, Erlebnisse, Erfahrungen, leckeres Essen und sehr nette neue Bekanntschaften reicher!     Wir sagen: Tack så Mycket, ERASMUS+!