Malta: Boost your ICT Skills Technology in the Classroom – 1 Woche auf Malta(5)

von R. B.

SONNTAG: 31.03.2019

Verdammte Axt. Die, offensichtlich Humor verabscheuende, Sicherheitsbeamtin auf dem Hamburger Flugplatz entdeckt ein Taschenmesser in meinem Rucksack. Als ob ich das absichtlich darin vergessen hätte. Sie knurrt ein bisschen und schickt mich zur Gepäckaufbewahrung. Es ist sechs Uhr morgens, die Uhren wurden letzte Nacht auf Sommerzeit umgestellt und sie ist vermutlich genauso müde wie ich – also sei’s drum. Der Mensch bei der Gepäckaufbewahrung ist auch nicht besser drauf. Aber als ich ihn frage, woher er kommt, taut er auf und erzählt, er sei ein Ukrainer jüdischen Ursprungs und benutzt das schöne alte Wort „Schabracke“. Woher er das kenne, will ich wissen. Von seiner Großmutter – sagt er. Hätte ich mir auch denken können, dass man so was nicht im C1-Kurs lernt.

Auf Malta gelandet, werde ich von meinem Beherberger wie ein heimkehrender Sohn empfangen. Wir fahren nach St. Julian’s, essen, nachdem ich mir endlich kurze Hosen anziehen konnte, ein bisschen Fingerfood unter strahlend blauem Himmel und füttern Lizard-Babys mit Weißbrot. Bis heute war mir völlig unklar, dass Eidechsen Baguette fressen.

Nachmittags gehe ich an die Küste, halte die Füße ins gar nicht mal so kalte Meerwasser und beobachte eine kleine Optimistengruppe, die an riesige Blattschneiderameisen erinnert. Malta ist herrlich.

Morgen geht mein Kurs los und ich bin gespannt, ob sich die Malteser auch in den 1. April schicken.

 

MONTAG: 01.04.2019

Als ich aufwache, nachdem ich mich in der Nacht in ebenso ambosstiefem wie traumlosem Schlaf regeneriert habe, ist alles schon ganz zauberhaft verzwitschert. Und dafür scheinen nicht nur die unendlich vielen Spatzen verantwortlich, sondern auch die gar nicht mal so kleine Voliere der benachbarten Gemüsegärtnerei, in der sich neben Wellensittichen auch Kaninchen, Hühner und kleine Papageien einträchtig den Alltag teilen. Einige Vögel davon bereits brütend. Wie die Kaninchen das Getöse aushalten, ist mir schleierhaft.

Bei ETI an der Küste St. Julian’s geht das Anmelden ganz unaufgeregt vonstatten. Unser Kursleiter heißt Mario, ist ein Energiebündel, eloquenter Presenter und würde gerne mehr sagen, als die Zeit es zulässt. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist er in einige europäische Online- Großprojekte involviert, hat 25 Jahre in Deutschland und Polen verbracht (spricht auch fließend polnisch) und ist davon überzeugt, dass das europäische Rumgeeiere beim Thema Urheberupload- rechte auf Dauer Europas Abschied von der digitalen Zukunft und damit von viel wirtschaftlicher Macht bedeutet. Nachvollziehbar auf der einen Seite. Aber es bringt mir die Krake Google weder emotional noch rational einen Millimeter näher.

Unsere Aufgabe heute ist es, ein Webquestprojekt (worunter ich mir erst mal nichts vorstellen kann) zu beginnen, in dem wir Schülern eine Aufgabe stellen, das Gerüst für die Hilfestellung bauen und mit dem Ziel arbeiten, entgegengesetzt zum gewöhnlichen Vermitteln und Abfragen Skills zu wecken, von denen weder wir noch die Schüler etwas ahnen. Das Ganze wirkt gelegentlich etwas unstrukturiert, weil wir uns herrlich in Details verquatschen.

Das beeindruckendste Tool, das ich heute kennenlerne ist visuwords (https://visuwords.com/). Bisher leider nur auf Englisch zu haben, aber auch so sehr faszinierend. Spielerischer kann man Sprache nicht kennenlernen. Die Software dahinter macht mir Angst.

Ungeachtet dessen scheint der Malteser übrigens nichts mit Aprilscherzen zu tun zu haben. Ich empfinde das als angenehm.

 

DIENSTAG: 02.04.2019

Das ist schon witzig, es tröpfelt bzw. nieselt ganz schüchtern, dass es sich noch nicht mal lohnt, einen Regenschirm auszupacken und die Malteser – vor allem die -innen – führen sich auf, als ob es sich um nordfriesischen Landregen ergiebigster Ausgabe handelt. Für jemanden, der seit nunmehr mehr als 25 Jahren in diesem verregneten Norddeutschland wohnt (OK, 2018 war eine Jahrhundertausnahme), ist das nur heiter zu ertragen.

Der Tag verläuft ein bisschen angetrübt. Das hat nicht nur mit dem Wetter zu tun, was die ganze Gegend traurig kontrastarm erscheinen lässt. Es ist auch der Kurs, der heute ein bisschen aus dem Ruder läuft. Die Stimmung ist gut, Mario ist fröhlich, wir auch, aber er absolviert mehr als für die Sache zu brennen. Kann ich verstehen. Routine ist oft der natürliche Feind von Qualität. Mit „tes blendspace“, und „pbworks“ lernen wir zwei schöne Tools kennen, mit denen sich interaktiver Unterricht interessant und kurzweilig gestalten lässt. Zudem erfahren wir, wie man (ohne Urheberrechte zu verletzten) Videos und Bilder in Wikis einbaut und dabei auch noch die Breite von Bildern im selbstgelayouteten Erscheinungsbild maßschneidern kann. Dennoch gehe ich orientierungslos nach Hause. Ich habe nicht mal eine Idee davon, wie wir das Erlernte für unser Projekt nutzen können und sollen. Und schon mal gar nicht: WANN. Wir werden am Ende der Woche sehen, an wem es lag. Meine drei Mitstreiterinnen und ich arbeiten an einem Konzept für unsere Webquest-Aufgabe und kommen langsam aus den Startblöcken.

Am Nachmittag bringt uns ein weiterer Mario als Guide nach Valetta (wahlweise auch Valletta), in die Hauptstadt Maltas. Sie ist und bleibt in ihrer wuchtigen Schönheit beeindruckend. Nur die wuselige Touristenmeute stört. Als Teil von ihr – der Meute – würde ich das natürlich niemals erwähnen. Die Exkursion ist übrigens kursinklusiv.

 

MITTWOCH: 03.04.2019

Es ist 6:00 Uhr. Die Sonne scheint. Alles wird gut, denke ich. Beim Marsch zur Schule sehe ich beim Überqueren der Straße nach links, statt nach rechts – beinahe wär’s das gewesen. Aber die maltesischen Autofahrer sind es gewohnt, dass linkslenkende Touristen hier völlig verplant über die Straßen stolpern und halten geduldig, ohne zu hupen. Unser 3. Kurstag ist ein kurzer. Normalerweise wird der Freitag verkürzt, heute ist es der Mittwoch. Um 12:20 Uhr ist Schluss, deswegen sputet sich Mario. Wir uns auch. Er erklärt sehr anschaulich und begeistert die Vorteile und den Funktionsreichtum interaktiver Whiteboards. Mit ihnen zu arbeiten ermöglicht einen kurzweiligen (aber nicht weniger lehrreichen) und gleichzeitig papierlosen Unterricht. Wer will kann natürlich alles Onlinebasierte dennoch ausgedruckt erhalten. Die Geräte werden zwar kontinuierlich günstiger, in der Königsklasse bleiben sie jedoch teuer, was ein Anschaffungsproblem für viele Schulen darstellen wird. Zumindest wenn es um hohe Stückzahlen geht. Nach der Pause probieren wir uns darin, mit „Kahoot!“ Online-Rätsel zu basteln. Natürlich müssen wir vorher erst selbst welche lösen. Eine Challenge für alle Beteiligten. Ich gewinne eine und merke, wie einfach sich mit diesem Tool Wissen und Begreifen testen lässt. Soweit alles klar. Was das mit unserem Projekt für den letzten Tag zu tun hat, wird uns Mario hoffentlich morgen erklären.

Für den langen Nachmittag plane ich mit zwei Mitschülerinnen einen Ausflug in die „Three Cities“ neben Valletta. Für zügiges Vorankommen mieten wir uns ein Taxi nach Sliema, um von dort die Fähre nach Valletta zu nehmen. Überraschend und tief beeindruckend: Der Fahrer entpuppt sich auf Nachfrage als Jahrgang 1930. Er hat die Bombardierung Maltas als jugendlicher live miterlebt und sehr gehungert. Er trägt keine Brille und hört ausgezeichnet. Wir fühlen uns gut aufgehoben bei ihm.

 

DONNERSTAG: 04.04.2019

Was ich gestern völlig vergaß: Wer von St. Julian’s nach Valetta fahren will, sollte den Bus (Linie 14 oder 16, vermutlich gibt es noch andere Linien) nehmen und in Sliema am Fähranleger aussteigen. Dort besteigt man die halbstündlich (Fahrplan) abfahrende Fähre und genießt während der Fahrt die Aussicht auf Maltas Hauptstadt. Von Valetta aus geht es ebenfalls mit der Fähre weiter auf die benachbarten „Three Cities“. Hier empfiehlt sich der Kauf eines Return-Tickets.

Nun aber zum heutigen Tag. Ich habe mich mit meinen Teamkolleginnen verschworen und Mario todesmutig auf die freitägliche Präsentation und was uns denn da wohl erwartet angesprochen. Und siehe da – reden hilft. Wie meistens im Leben. Wir sollen keine perfekte Webquestseite bauen (dazu wäre es jetzt auch zeitlich ein bisschen knapp geworden), sondernlediglich bisher Hergestelltes sinnvoll in ein Wiki stellen. Ich fühle mich wieder eingenordet und tiefenentspannt. Meine Mitstreiterinnen und ich nehmen darauf hin erst mal einen eklig guten Espresso zu uns, der im „Dolce Sicilia“ – etwa 300 m vom ETI entfernt – ebenso zügig wie reizend serviert wird.

Der Kurstag vergeht wie im Flug. Wir probieren zunächst canva.com aus. Damit lassen sich kreative Factsheets bis hin zu Visitenkarten und farbenprächtigen Kuchendiagrammen erstellen. Es wirkt auf mich wie eine Lightversion von Photoshop – eben nur for free. Als nächstes stürzen wir uns auf wordart.com, ein Tool (damit müsste man sich eigentlich mal 2, 3 Tage ungestört zurückziehen) mit dem sich WordClouds ziemlich lässig generieren lassen. Die lassen sich dann, wie jedes png- oder jpg-Format sehr, sehr einfach bei imgur.com hinterlegen.

Dabei handelt es sich um einen Online-Bildspeicher, der die genannten Formate mit einer URL-Adresse versieht. Die wiederum lässt sich dann nahezu völlig datenspeicherentfettet in alle möglichen Wikis, Blogs, Websites usw. einbetten. Klingt kompliziert, ist aber kinderleicht, wenn man sich vom Menü leiten lässt.

Schließlich kommen wir mit pinterest.com, pearltrees.com, wordmint.com, http://puzzlemaker.discoveryeducation.com/ zu Seiten auf denen sich Lernspiele spielend leicht generieren lassen.

Ich verlasse ETI heute sehr im Reinen mit mir und mit Mario, es handelte sich schlicht um ein Missverständnis, das mich der Orientierung in diesem Kurs verlustig gingen ließ.

Die darauffolgende Exkursion mit dem aus Mdina stammenden anderen Mario nach Mdina war zwar ein bisschen verregnet, nahm der Stadt aber nichts von ihrem Reiz. Morgen ist der letzte Kurstag. Die Zeit rennt hier – glaube ich – noch schneller als in Hamburg.

 

FREITAG: 05.04.2019

Der letzte Tag ist angebrochen. Kaum zu glauben. Die Woche ist so gut wie rum. In der Schule herrscht so was wie fröhliche Wehmut. Es scheint solchen Lernerlebnissen eigen zu sein, dass man in einer unüberschaubaren Heerschar von Menschen und Menschinnen sehr schnell und zielsicher diejenigen kennenlernt, mit denen man dann eine sehr angenehme Zeit verbringt. So ging es mir zumindest.

Mario bringt uns den unschätzbaren Wert digitalen Geschichtenerzählens nah. Storytelling meint er, sei ein vieldimensionales Einwirken auf Lernrezeptoren. Stimmt ja auch. Wird mir eine

Geschichte erzählt, gehe ich eine Beziehung mit dem Erzählenden ein. Und er mit mir. Und mit allen anderen, die zuhören. Wahlweise über storybird.com, storyjumper.com oder plotgenerator.org basteln wir ein digitales Bilder-/Lesebuch. Es funktioniert so ein bisschen wie die Fotoalben, die man sich online zusammenstellt und dann ausdrucken lässt. Es kommen sehr lustige Ergebnisse dabei heraus.

Weiter geht es mit twinery.org , einem Programm, mit dem sich eine digitale wenn-dann-Mechanik erstellen lässt. Leidlich lustig, aber nicht ganz unaufwendig. Es geht dabei darum, von einem gewählten Szenario ausgehend Alternativantworten geben zu können. Beispiel: „Du liest ein Buch und merkst, dass Dein Haus brennt. Du sitzt im 2. Stock. Fliehst Du oder liest Du weiter?“ Wer flieht wird gefragt, ob nach links oder nach rechts usw. Man muss also von Beginn an Entscheidungen treffen. Manchmal rational, manchmal emotional. Wie auch immer, man ist in einer Geschichte drin und redet drüber oder denkt zumindest drüber nach. In der Sprache, die man lernen möchte.

Nach der Mittagspause präsentieren wir unsere Webquests, also die Wikis, die wir über die Woche zusammengestellt haben. Alles läuft sehr entspannt. Und als überzeugter Technikhistoriker kann ich am Beispiel des Stabhochsprungs als olympische Disziplin wunderbar einfach in Wort, Bild und Film darstellen, warum die technische Weiterentwicklung der Stäbe (von Holz zum Fieberglas) gleichzeitig die rasante Entwicklung sportlicher Weltrekorde nach sich zog und zieht. Und Schülern die Aufgabe stellen, diese Behauptung mit selbst recherchierten Dokumenten zu stützen oder zu widerlegen. Alles natürlich online. Mit einem Anflug von Stolz nehmen wir unsere Zertifikate entgegen. Und obgleich es gleich anfangen wird zu schütten, fahre ich nach Valetta und nehme Abschied von diesem großartigen Felsen.

Kleiner Tipp noch zum Thema Mobilität auf Malta: Mit der tallinja app – angeboten vom Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs – findet man sich auf der Insel ganz gut zu Recht. Wobei die Abfahrtszeiten Verhandlungssache zu sein scheinen. Ist ein Bus an der Startstation z.B. voll, fährt er ohne Rücksicht auf den Fahrplan los – was ja vernünftig ist, voll ist voll und ist dadurch auch an allen folgenden Haltestellen zu früh oder im Umkehrfall zu spät, auf jeden Fall unpünktlich.

Noch ein Tipp: Beim Überqueren der Straße immer erst nach rechts gucken. Und es gilt: Wer als Fußgänger eine Woche St. Julian’s überlebt, überlebt als Fußgänger überall auf der Welt.

 

SAMSTAG: 06.04.2019

Meine beiden polnischen Mitbewohnerinnen sind bereits seit 6:40 Uhr auf dem Weg Richtung Heimat. Die Lufthansa meint es nett mit mir und hat den Abflug auf 17:05 Uhr terminiert. Ich habe also noch einen halben Tag auf diesem wunderbaren Felsen zur Verfügung.

Meiner deutschen „Mitschülerin“ fiel auf, dass unsere Zertifikate auf 2018 datiert sind. Was für ein Kinderstreich. Mal sehen, ob samstags noch jemand aus der Administration im ETI ist, der aktualisierte Dokumente anfertigen kann.

ETI ist am Wochenende out of order. Vernünftig. Schauen wir mal, wie es weitergeht. Einerseits ist es ja nett, ein Lebensjahr – zumindest schriftlich – rückerstattet zu bekommen, andrerseits ist Bürokratie Bürokratie, Punkt.

Zurück zum Kurs: Es war schön, es war lehrreich, letztlich auch entspannt. Aber ich frage mich ein bisschen, wohin wir eigentlich wollen? Es gibt derzeit, 2019, zwei Worte, die man als Nebelbomben zünden kann. Das eine lautet „Bauhaus“ – alle brennen dafür, ohne wirklich Ahnung zu haben. Das zweite ist „Digitalisierung“, auch hier fangen alle an zu brennen – mit noch weniger Ahnung. Wir haben coole Tools, ohne Frage. Gute Köpfe machen sich seit Jahren Gedanken darüber, wie wir es schaffen, den Anschluss an die bereits erfolgte industrielle Digitalisierung (beispielsweise in China, Rumänien, Russland, USA) nicht zu verpassen. Was ist mit 5G? Aber letztlich scheitert es an der Infrastruktur. Zu langsame WLANs in den Schulen. Die Abwesenheit von IWBs. Zielgruppen, die gar nicht bereit sind, ihre (herrlich) analoge Welt zu verlassen oder aber deutlich IT-fitter sind als ich als Lehrer. Aber ich glaube, es handelt sich lediglich um ein sich selbst bewältigendes Generationenproblem.

Malta macht einem heute die Abreise schwer. 24°C, keine Wolke am Himmel, kein Wind – gleichzeitig aber hoher Wellengang.

Selbst auf dem Flughafen wuseln Tonnen kleiner Blizzards durch den Untergrund. Und die Leute haben Humor – das alles werde ich vermissen.

So jetzt ist aber wirklich Abschluss: Vielen Dank nach Kiel und Wedel (und natürlich nach Brüssel) für das Ermöglichen. „Erasmus+“ war und ist ein Erlebnis und eine Bereicherung. Also nochmals: Habt Dank!

Malta: Boost your ICT Skills (4)

Boost your ICT Skills: Technology for the classroom – 1 Woche auf Malta

von M. P.

MONTAG: 01.04.2019

Um das Fazit des ersten Tages vorwegzunehmen: Gemessen an dem, was „da draußen“ möglich ist oder möglich zu sein scheint, bin ich eine digitale Analphabetin. Als solche hätte ich mich nie eingeordnet, nutze ich doch mein iPad, mein Smartphone, E-Mail, WhatsApp oder Wikipedia. Dingen wie Facebook, Instagram etc., wo man Dinge posten, teilen oder kommentieren kann, stehe ich jedoch mit Skepsis gegenüber bzw. sehe keinen persönlichen und bislang auch keinen beruflichen Nutzen darin. Ob sich das am Ende des Kurses ändern wird?

So ging es heute los:

Als unser rasend schnell sprechender Kursleiter Mario nach einer sehr kurzen Abfrage, was wir denn beruflich machen würden, uns gleich aufforderte, über unseren Gmail-Account Google Drive zu öffnen, damit er mit uns das Kursprogramm teilen kann, ging es mir genauso, wie vermutlich vielen in unserer vhs Community von Kursleitern und Mitarbeitern. Ich wusste nicht, wie das geht. Dunkel hatte ich eine Ahnung, dass ich tatsächlich eine Gmail-Adresse hatte, aber wie lautete das Passwort? Auf welches Symbol muss ich klicken, damit das Richtige passiert? Kurz und gut. Ich war zunächst überfordert und damit beschäftigt, all das einzurichten. Währenddessen demonstrierte unser schnell sprechender Kursleiter Mario, wie er Google Drive und diverse Gmail-Accounts für berufliche Belange nutzt – als Trainer bei ETI, als Dozent an der Uni, um Texte von Studierenden zu korrigieren und diese könnten in Echtzeit sogar dabei zugucken …. Beeindruckend, sicherlich. Doch was ich im Laufe des Vortrags immer mitdachte, war das Thema „Datensicherheit“. Ein typisch deutscher Einwand? Oder die Frage: Um das zu können, muss die digitale Infrastruktur in unseren Unterrichtsräumen, bei unseren Kursteilnehmer*innen und Dozent*innen deutlich verändert werden. Wie geht das?

Für mich galt an diesem Vormittag jedenfalls: mitgefangen – mitgehangen. Will sagen: Alles, was Google zu bieten hat, habe ich jetzt auf meinem Rechner installiert, sonst könnte ich gleich packen und wieder nach Hause fliegen. Für die folgenden Tage habe ich mir vorgenommen, unvoreingenommen Mario’s Credo zu folgen: „There is nothing wrong with sharing on the internet – it is what you share!“

In die Pause gingen wir dann zwangsweise ein paar Minuten früher. Der Grund: totaler Stromausfall im gesamten Gebäude! Auf einmal war das Smartboard schwarz. Eine Steilvorlage für alle Skeptiker, die lieber Tafel und Kreide bevorzugen. Doch unser schnell sprechender Kursleiter Mario bewies, dass neben allen digitalen Möglichkeiten nach wie vor gilt: Digitale Tools unterstützen den Unterricht, machen das Lernen interessanter und können den Lehrer entlasten. Was sie nicht können ist, Unterrichtsinhalte gut vorzubereiten und zu improvisieren. Das kann nur der Lehrer. Mario konnte es.

Im zweiten Teil des Seminartages erfuhren wir etwas über die CLIL Methode (content language integrated learning) und Bloom’s Taxonomy. Ohne tiefer in die einzelnen Methoden eingestiegen zu sein, sind beide ein (weiterer?) Aufruf dafür, dass Lernen nicht nur das Aneignen von abfragbarem Wissen sein sollte, sondern vielmehr dieses Wissen anzuwenden und auf andere Bereiche zu übertragen.

Sogenannte „Webquests“ sind ein Beispiel, wie dies umgesetzt werden kann. Unsere Aufgabe ist es, einen Webquest bis zum Kursende zu erstellen, Unsere Gruppe besteht aus einer Chinesin, einer Estin und mit mir zwei Deutschen. Ich bin sehr gespannt, wie es morgen weitergeht.

DIENSTAG: 02.04.2019

Heute Morgen bin ich mit meinen zwei Mitbewohnerinnen aus Polen gemeinsam zur Schule gegangen. Vorbei an Vorgärten mit Zitronenbäumen und Pflanzen, die wir nur auf der Fensterbank haben oder aus dem Blumenladen kennen.

Das Wetter? Zu schlecht für die Jahreszeit so die Malteser, doch die Norddeutsche freut sich und ist den grauen Himmel mit Wind gewohnt. Weil es heute Nachmittag zum organisierten Ausflug nach Valletta gehen sollte, hat mir unsere Zimmerwirtin ein Regenschirm mitgegeben. Den braucht man auf Malta eher selten, wie sie meinte.

Im Klassenraum gab es heute ein Extra der unangenehmen Art: Den gesamten Vormittag wurden wir von Presslufthammerlärm begleitet. Ein Geräusch, das überall in den Straßen von St. Julian’s zu hören ist. Es wird gebaut, um weitere Touristen unterzubringen. Der Kontrast zur alten Bausubstanz ist mitunter erschreckend.

 

Im Kurs haben wir heute viel über Wikis erfahren. Als Einstieg diente ein Video auf YouTube:

https://m.youtube.com/watch?v=-dnL00TdmLY

Dann ging es gleich an die praktische Umsetzung des Gesehenen. Wir erstellten ein eigenes Wiki und übten, Fotos, Texte und Videos einzubinden, und zwar so einzubinden, dass auch dem Copyright Rechnung getragen wurde. Der zwischenzeitlich langsamer sprechende Kursleiter Mario beherrscht das aus dem Effeff und ermutigte uns, dass es bei jedem neuen Wiki leichter wird, sich daran zu erinnern, welcher Button aktiviert werden muss. „It is all about linking!“, so sein heutiges Credo.

Bis zur Mittagspause arbeiteten wir an unserem Webquest-Projekt. Es ist manchmal nicht leicht, sich in einer multinationalen Gruppe mit unterschiedlichen Sprachniveaus auf ein Thema zu einigen. Aber wir haben fleißig unsere Ideen in unser „shared file“ niedergeschrieben. Ich bin gespannt, was daraus am Ende entsteht.

Am Nachmittag präsentierte uns Mario die Online-Ressource tes.com. Die wird mitunter hilfreich sein, wenn wir unsere Webquest-Aufgabe weiter gestalten.

Eine gute Abwechslung war der nachmittägliche, von ETI organisierte Ausflug nach Valletta mit Führung durch einen anderen Mario, der uns sagte, dass viele Malteser einen bzw. diesen italienischen Vornamen haben. In gut zwei Stunden haben wir dann die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gezeigt und kommentiert bekommen, insbesondere beim neuen, modernen Parlamentsgebäude hielt Mario II nicht mit Kritik zurück. Insbesondere der Blick von den „Lower Barracca Gardens“ auf den Hafen war beeindruckend.

Leider hatten wir keine Zeit mehr, auf eigene Faust die Stadt und vor allem die Seitenstraßen zu erkunden. Auch für St. John’s Co-Cathedral mit dem berühmten Fußboden und dem Caravaggio-Gemälde blieb heute keine Zeit. Es ging mit dem Bus zurück nach St. Julian’s bzw. Pembroke, wo meine Wirtin schon die Lasagne zubereitet hatte.

 

MITTWOCH: 03.04.2019

Blauer Himmel, Sonnenschein! Sofort sieht der Kursort St. Julian’s nicht mehr ganz so aus, als wäre er noch im Winterschlaf.

Wieder gehe ich gemeinsam mit den beiden Kolleginnen aus Polen zu ETI. Da sie auf Malta Englisch lernen sollen, betreiben wir fleißig Kommunikation. „Do you have a pet at home?“ – „Yes, I have two budgies.“

In meinem Kurs nehmen wir uns heute das IWB vor … das interaktive Whiteboard. Mario, an dessen Sprachstil und -duktus wir uns mittlerweile gewöhnt haben, führt uns vor, wie und wozu er die Möglichkeiten, die ein IWB bietet, nutzt. Dabei geht es für ihn nicht darum, diese Technik nur der Technik wegen zu verwenden. Wenn ein Unterrichtsentwurf mit Tafel & Kreide funktioniere und gelinge, brauche man dies nicht auf IWB umstellen. Eine sympathische Einstellung. Wenn aber das IWB Dinge erlaube, durch die die Lerner neue Chancen haben, das Gelernte anzuwenden, dann sei das IWB das, was das SAMR-Modell vorsieht: Substitution (… der Tafel). – Augmentation – Modification – Redefinition. Einfacher auch daran erklärt, was aus einer Kaffeebohne alles entstehen kann.

Was folgte war ein Feuerwerk an Ideen – manche, wie ich finde, auch einem DaZ-Integrationskurs umzusetzen, manche zu sehr aus einer anglophonen Lernwelt stammend.

Skype! Vielleicht ein Interview mit dem Oberbürgermeister von XY im Orientierungskurs?

In der Pause habe ich mir einen Laptop der Schule ausgeliehen. Ich konnte nur mein iPad mitnehmen, das bislang gute Dienste geleistet hat, aber bei allen Dingen, die es mit der rechten Maustaste zu tun gilt, an seine Grenzen kommt. Der Rest des Unterrichtstages galt der Plattform „Kahoot!“. Wir spielten ein Malta-Quiz und es war erstaunlich, wie viel Spaß man beim Lernen haben kann. Denn gelernt haben wir etwas, vor allem durch unsere falschen Antworten, denn so konnte uns Mario schnell auf Englisch und mit einem eben mal auf Google gesuchten Bild erläutern, was die richtige Lösung ist. Alles am IWB im WLAN – die Welt im Klassenzimmer.

Dann war es an uns, selbst neue „Kahoots!“ zu entwerfen. Wieder hieß es zunächst „Sign up with Google“ und schon stand einem die Welt von YouTube & Co. offen. Mein Quiz zu „Flensburg“ bestand aus drei Fragen, die meine Kurskollegin aus China, die gerade in Chemnitz studiert, prima beantworten konnte. Und mit diesem tollen Ergebnis wurden wir in die Freizeit entlassen. Die wir nutzten, um in einem deutsch-schweizerischen Exkursionsteam mit der Fähre von Sliema nach Valletta und von dort wieder mit der Fähre nach Birgu zu fahren. Dort war gestern eine der vielen, vielen Yachten explodiert und gesunken. Die Rauchsäule hatten wir gesehen. Heute präsentierte sich die Stadt, die vor Valletta, der Sitz der Knights of St. John war, wieder friedlich und idyllisch.

 

DONNERSTAG: 04.04.2019

Heute weht mich eine steife Brise vom Mittelmeer zu ETI in die Paceville Avenue. Ebenso frisch startet Mario unsere heutige Lektion: „Using pictures“ – Bilder können in vielerlei Hinsicht den Unterricht bereichern: die Lerner neugierig auf etwas machen, sie auf etwas einstimmen, eine Informationsquelle bieten usw. Ein großartiges Tool, um visuell zu arbeiten ist canva.com. Das, was in kurzer Zeit entsteht, kann man schon als Graphikdesign bezeichnen. Unsere Münder stehen offen, wie einfach es ist – zum Beispiel – einen professionell aussehenden Buchumschlag zu gestalten – oder eine Visitenkarte oder eine Infografik für die Lerngruppe oder ein Tortendiagramm, oder, oder ….

Wer viele Bilder speichern will oder muss, ist bei Google Drive schnell hinsichtlich der kostenlosen Gigabytes am Limit und wird zur Kasse gebeten. Eine Alternative: imgur.com

Im schnellen Tempo ging es weiter und Mario präsentierte uns „WordArt“ bzw. WordClouds. Einmal gezeigt, konnten wir dank der einfachen Menüführung schnell unsere eigenen Wortwolken basteln – die man, nicht nur für die Wortschatzarbeit nutzen kann. Entstanden aus der Idee, Texte statistisch auszuwerten, kann man in WordCloud Texte importieren und erhält eine Info, welche Worte am häufigsten vorkommen. Als Vorbereitung fürs Leseverstehen perfekt. WordClouds haben nicht nur ein unglaubliches kreatives Potential (ab jetzt werden Wandtattoos selbst gemacht), sie sind definitiv für Kursleiter und Teilnehmer schnell zu nutzen. Eine Aufgabe im Orientierungskurs könnte sein: Was ist für euch Deutschland? Die Worte sind schnell eingegeben, bewertet, in eine Form gebracht, ggf. mit einem Bild hinterlegt und schon eindrucksvoll zu präsentieren.

Unsere nächste Lerneinheit beschäftigte sich mit Arbeitsblättern, die man einfach und auf die

Lernergruppe abgestimmt erstellen, ausdrucken, teilen, verlinken .. kann. In Windeseile habe ich ein Kreuzworträtsel „Olympische Städte“ für unser Webquest selben Themas erstellt.

 

Fundstellen für „DIY Printables“ sind:

Puzzlemaker.com

Wordmint.com

Classtools.net

Jigsaw.org

.. und wahrscheinlich noch viele mehr. Noch ein Tipp von Mario: Sobald das Arbeitsblatt erstellt ist, nicht einfach nur auf „Print“ gehen, sondern mit Hilfe eines Snipping-Tools das unausgefüllte Arbeitsblatt „snippen“, kopieren und speichern. Denn: Sobald man nur auf „print“ geht, ist die Datei gelöscht.

Die restliche Unterrichtszeit – die wie immer schnell vergangen ist – probierten wir einfach ganz viel selber aus. Langsam habe ich so viel Info zu Wegen, wie man Fotos, Texte, Grafik etc. teilen, einfügen, ausschneiden, anhängen usw. kann, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich von a) nach b) komme. In der Klasse helfen wir uns gegenseitig. Mario hält sich zurück, lächelt und … hat mit dieser Haltung recht, denn wir lernen tatsächlich am meisten, wenn wir selbst auf die Lösung kommen. Nichtsdestotrotz: Nach so einem geballten Unterrichtstag freute ich mich, nach Valletta fahren zu können, um dort meine Schwester mit ihrer Familie zu treffen, die just von Malta aus eine Kreuzfahrt startet. Viele, viele Kreuzfahrer starten von Malta und es ist sehr beeindruckend, wenn die dicken Pötte den Hafen verlassen. Den besten Blick auf das Auslaufen hat man von der Aussichtsterrasse „Upper Barracca Gardens“.

 

FREITAG: 05.04.2019

Um wie stets mit dem Wetter zu beginnen: Heute ist wohl der ungemütlichste Tag überhaupt. Nieselregen, Wind … und es soll die folgenden Tage so bleiben. Der Blick auf die heimischen Temperaturen versöhnt etwas: dort 7 Grad Celsius, hier wenigstens 16 Grad Celsius.

EVERYONE HAS A STORY! So steht es auf der ersten Seite der Slide-Show, die Mario für uns am letzten Kurstag vorbereitet hat. Die Theorie schüttelt er versiert und mit Überzeugung aus dem Ärmel. Storytelling heißt das Schlagwort auf Neudeutsch. Dahinter verbirgt sich die alte Wahrheit, dass sich die Menschen immer schon Geschichten erzählt bzw. den Erzählern zugehört haben und auf diese Weise lernten – insbesondere in Kulturen oder Zeiten, in denen es keine Schrift gab. Heute gibt es sowohl Schrift als auch das Internet und dort finden sich zahlreiche Tools, mit denen Kursleiter und Teilnehmer mit Hilfe von Geschichten (Sprache) lernen können.

Storybird.com – war bis vor Kurzem noch kostenlos erhältlich. Mittlerweile ist der Geschichtenvogel wohl so erfolgreich, dass die Entwickler noch ein Probeabo (free trial) gewähren, anschließend aber ein kostenpflichtiges Abo erforderlich ist.

Wir haben uns deshalb auf das Portal storyjumper.com konzentriert, was auch überzeugte. Man wählt eine Szene, Figuren, Textfelder und in kurzer Zeit ist so meine Geschichte von einem armen alten Kutter entstanden. Das fertige Produkt und die Arbeitsweise erinnert an die Erstellung eines Fotobuches.

Anspruchsvollere Storys, also Geschichten, die nicht linear erzählt werden, kann man mit twinery.org erstellen. Die Handhabung dieses Tools ist dementsprechend kniffliger, aber mit etwas Übung machbar. Man beginnt eine Geschichte (oder stellt eine Frage, nennt eine Tatsache etc) und programmiert dann so viele Antwortmöglichkeiten, wie man braucht. Selbstverständlich kann man auch hier wieder Bilder, Videos oder Audios einbetten. So sieht die Benutzeroberfläche mit dem Bauplan der Geschichte am Anfang aus.

Und schon war der letzte Programmpunkt der Woche erreicht: Wir präsentierten unsere Webquests. Da wir nur sechs Personen im Kurs waren, gab es nur zwei Präsentationen. Das polnische Team hat ein polnisches Webquest zum Thema „Der Teddybär in der Literatur“ erstellt. Unsere deutsch-estnisch-chinesische Koproduktion trug den Titel „Olympic Records through the Change of Time“.

Im Anschluss berichtete Mario noch über das EU-geförderte Projekt CooL (languages.dk), in das auch ETI involviert ist. Dazu gab es – nach fünf Kurstagen!! – das allererste Handout in Papierform. Die Idee ganz knapp zusammengefasst: Es soll ein Portal entstehen, wo sich alle Lehrenden in allen europäischen Sprachen austauschen können. Außerdem soll nichts Geringeres als ein europäisches Online-Wörterbuch entstehen.

Dann erhielten wir unsere Zertifikate, auf denen eindrucksvoll nachzulesen ist, mit wie vielen einzelnen Themen wir uns beschäftigt hatten. Offen gesagt: Die Fülle von Informationen, Webadressen, Tipps und Hinweisen muss ich zuhause in Ruhe nacharbeiten und einordnen. Nicht alles werde ich umsetzen können, aber mein persönliches Ziel, mit dem ich nach Malta gekommen bin, habe ich erreicht: Ich habe einen sehr umfassenden Einstieg in die Welt der digitalen Medien erhalten und freue mich darauf, ein „Best Of“ an Kursleitende und Kolleg*innen weiterzugeben.

Abgesehen von der fachlichen Bereicherung: Mit dieser Fortbildungsreise ist ein verbliebener weißer Flecken auf meiner europäischen Landkarte bunt geworden. Malte – Douze points. Malta – twelve points. Vielen, vielen Dank an Erasmus+!