Im Rahmen des Erasmus+ Förderprogramms hatte ich die Möglichkeit, an dem Kurs „Mental Health Awareness for Teachers and Students“ der europass teacher academy in Lissabon teilzunehmen. Die Woche war geprägt von spannenden Inhalten, praktischen Übungen und wertvollen Begegnungen. Hier teile ich meine Eindrücke und Erkenntnisse.
Montag – Anreise und erste Eindrücke
Meine Reise nach Lissabon begann mit einer unerwarteten Herausforderung: Mein Anschlussflug von Amsterdam nach Lissabon am Vortag des Kurses fiel wegen eines technischen Defekts ersatzlos aus. So verbrachte ich die Nacht in Amsterdam und konnte erst am Nachmittag des nächsten Tages (- des ersten Kurstages!) weiterfliegen.
Nach der Ankunft führte mich mein Weg direkt zur Metro-Station Aeroporto – und ich wurde überrascht: Die Station ist mit 52 Karikaturen bedeutender Portugiesinnen und Portugiesen des Cartoonisten António Antunes geschmückt, darunter Schriftsteller wie José Saramago und Fernando Pessoa, die Fado-Sängerin Amália Rodrigues und der Fußballstar Eusébio.
Ein besonderes Highlight in den Metro-Zügen sind die feuerroten Sitze, die an den Rückenlehnen und auf den Sitzflächen komplett mit Kork bezogen sind – ein typisch portugiesisches Naturmaterial, da Portugal weltweit führend in der Korkproduktion ist. Die Metro hat in den letzten Jahren alle 13.700 Sitze von Textil- auf Korkbespannung umgerüstet, was den Zügen eine warme und einladende Atmosphäre verleiht. Ein authentischer Einstieg in Lissabon!
Ankunft in Lissabon: Kunst und Kork in der Metro: Karikaturen des Cartoonisten António Antunes in der Station Aeroporto und korkbezogene Sitze in den Zügen.
Dienstag – Emotionale Intelligenz und Naturerfahrung
Mein erster Kurstag (für den Rest der Gruppe schon der zweite) begann mit der Vorstellung der Förde-vhs und meiner Tätigkeit dort. Die übrigen Teilnehmenden hatten ihre Arbeit schon am Montag vorgestellt. Im Gespräch stellte sich heraus, dass neben Grundschul-Lehrkräften auch zwei Lehrkräfte aus beruflichen Schulen sowie eine weitere vhs-Mitarbeiterin unter den Teilnehmenden war. So kamen wir im Laufe des Kurses immer wieder über die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten unserer verschiedenen Zielgruppen in den Austausch.
Anschließend tauchten wir in das Thema emotionale Intelligenz ein. Laut dem World Economic Forum zählt emotionale Intelligenz zu den Top 10 der wichtigsten Jobskills – somit ist sozial-emotionales Lernen im Bildungsbereich zunehmend gefragt. Mit einem Umdenken weg von der Frage „Was stimmt nicht mit dir?“ und hin zu „Was ist dir widerfahren?“ wurde deutlich, wie wichtig das Verständnis für toxischen Stress schon in der Kindheit ist und wie dieser ohne Unterstützung zu großen Schwierigkeiten führen kann. Wir lernten einfache Techniken zum Umgang mit Stress kennen, wie etwa in Stresssituationen dreimal bewusst tief durchzuatmen, bevor man reagiert. Zudem erarbeiteten wir eine Übung zur kognitiven Verhaltenstherapie, bei der man Konfliktsituationen, Gedanken und Emotionen reflektiert und neue, ausgewogenere Denkweisen entwickelt.
Am Nachmittag führte uns eine Exkursion in den botanischen Garten Estufa Fria. Dort arbeiteten wir in Stille an selbstgewählten Orten, um unsere Sinneswahrnehmungen zu schärfen und unseren Emotionen nachzugehen. Besonders interessant erschien mir eine Übung, die Naturbeobachtungmit emotionaler Reflexion verbindet: Jede*r für sich wählt ein natürliches Objekt aus – einen Stein, eine Feder, eine Pflanze… Von einer genauen Beschreibung des gewählten Objekts ausgehend werden Überlegungen zur möglichen Geschichte des Objekts angestellt, über Wechselwirkungen mit der Umgebung: Gibt es Anzeichen von Veränderung, Wachstum, Widerstandsfähigkeit oder Zerbrechlichkeit? Diese Überlegungen führen hin zur Abstraktion: Wäre das Objekt eine Emotion, welche wäre es? Und weiter der Transfer ins Menschliche und Soziale: Wo spüre ich diese Emotion in meinem Körper, wenn ich sie erlebe? An welcher Stelle tritt diese Emotion im Unterricht in Erscheinung? Wie beeinflusst diese Emotion die Schüler*innen oder die Lernumgebung? So kann ein Stein in der Hand Halt geben, eine Pflanze kann für Flexibilität und Wachstum stehen – es entstanden in dieser Übung vielfältige Perspektiven und Gesprächsanlässe. Eine angeleitete Meditation rundete den Tag ab und gab wertvolle Hinweise, wie man Meditationen selbst anleiten kann.
Natürliches Objekt zur Naturbeobachtung und emotionalen Reflexion: verschiedene Blickwinkel auf einen Farn im botanischen Garten Estufa Fria.
Mittwoch – Glaubenssätze und Teambuilding
Am dritten Kurstag stand die Theorie ganz im Zeichen der Frage: Was sind Emotionen? und insbesondere, wie können wir unser Gehirn auf Glück trainieren? Inspiriert von Dalai Lama und Mahatma Gandhi beschäftigten wir uns mit limitierenden Glaubenssätzen, die uns in stressigen oder ängstigenden Situationen oft negativ beeinflussen. Mit praktischen Übungen wie „Trash talkers meet Treasure talkers“ lernten wir, wie negative innere Dialoge (Trash Talk) durch positive, stärkende Gedanken (Treasure Talk) ersetzt werden können.
Den Abschluss des Tages bildete eine Mental-Health-Rallye durch den Garten Jardim Gulbenkian, die Bewegung, Austausch und spielerisches Lernen verband. Angelegt war die App-basierte Rallye als digitale Schnitzeljagd im analogen Raum. In der inspirierenden Umgebung des Gulbenkian-Gartens sollten verschiedene Aufgabentypen in kleinen Teams gemeistert werden: Orte finden, Informationen einholen, schauspielerisch kurze Filme drehen, mit einfachen Materialien Objekte erschaffen und fotografisch dokumentieren. – Ein willkommener Impuls für die Teamstärkung zwischen den Lernenden.
Mental-Health-Rallye Mission erfüllt: Kreative Selbstportraits aus Naturmaterialien.
Donnerstag – Mental Health am Strand von Carcavelos
Der Strand von Carcavelos bot die perfekte Kulisse für praktische Übungen zur Mental Health: Achtsamkeits-Meditation und Yoga halfen, Körper und Geist zu verbinden und zu entspannen. Hier bekamen die Teilnehmenden auch die Gelegenheit, eigens entwickelte Meditationen anzuleiten. In der darauffolgenden Praxiserfahrung erschufen wir in Kleingruppen Skulpturen der Stärke: Nach einem Austausch über die persönlichen Stärken baut jede Gruppe gemeinsam aus dem eben vorhandenen Material eine Skulptur, die diese Stärken symbolisiert. – Am Strand bot sich der Sand als Baumaterial geradezu an. Die kreative Arbeit förderte den Teamgeist und die Wertschätzung der eigenen Ressourcen.
Anschließend gingen wir in die Planung vonMental-Health-Aktivitäten für den eigenen Unterricht. Die Kleingruppen wurden so zusammengesetzt, dass ähnliche Lehr-/Lernsituationen berücksichtigt wurden, um einen möglichst großen Nutzen zu erzielen.
Achtsamkeits-Meditation und Skulptur der Stärken (Ruhe, Unvollkommenheit) am Strand von Carcavelos
Freitag – Klientenzentrierte Beratung und Resilienz
Der Vormittag startete mit einer angeleiteten Meditation zur Achtsamkeit für den Körper. Danach folgte ein intensives Thema: die klientenzentrierte Beratung nach Carl Rogers. Wir lernten, wie wichtig Authentizität, urteilsfreie Fürsorge und Empathie im Beratungsprozess sind. Eine spannende Übung dazu war das improvisierte Rollenspiel einer Beratungssituation mit vier verschiedenen Rollen: der/die Erzähler*in einer Konfliktsituation, dazu beratend der/die Rationale, der/die Empathische und der/die Motivierende. Die Möglichkeiten und Herausforderungen dieser verschiedenen Aspekte wurden durch die praktische Anwendung in isolierten Rollen besonders spürbar.
Am Nachmittag widmeten wir uns dem Thema Resilienz: Durch eine Stresskartierung analysierten wir persönliche Stressfaktoren und entwickelten gemeinsam Strategien zur Stressreduktion.
Angeregter Austausch im Seminarraum
Samstag – Kultureller Abschluss: Besuch im Gulbenkian Museum für moderne Kunst
Den Abschluss der Woche bildete ein individueller Museumsbesuch im neu eröffneten Centro de Arte Moderna Gulbenkian. Die moderne Architektur und die barrierefreie Gestaltung des Museums machen es zu einem besonders zugänglichen Ort des Lernens.
In der Ausstellung beeindruckten mich besonders die Werke portugiesischer Künstler*innen des 20. und 21. Jahrhunderts wie Paula Rego und Francisco Trêpa. Sie behandeln gesellschaftliche Themen wie Identität, Migration und Ungleichheit, aber auch abstraktere Themen wie Metamorphosen und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Lebensformen. Die Exponatbeschriftungen stellen in leicht verständlicher Sprache (auf Portugiesisch und Englisch) immer wieder Bezüge zur Lebenswelt der Besucher*innen her, offene Fragen laden zum Nachdenken und Diskutieren ein.
Der Besuch regte mich zum Nachdenken an, wie kulturelle Orte stärker in Bildungsangebote integriert werden können, um Lernenden neue Zugänge zu eröffnen und Selbstwirksamkeit zu stärken.
Werke von Paula Rego und Francisco Trêpa und die beeindruckende geschwungene Dachkonstruktion im Außenbereich des Centro de Arte Moderna Gulbenkian
Fazit
Die Woche in Lissabon war eine wertvolle Erfahrung für mich, persönlich und beruflich. Die vielfältigen Methoden und Übungen rund um das Thema Mental Health Awareness bieten zahlreiche Inspirationen, um das Wohlbefinden von Lehrenden und Lernenden im Alltag zu fördern.
Ich freue mich darauf, das Gelernte in meiner Arbeit an der Förde-vhs umzusetzen und dadurch die Bedeutung mentaler Gesundheit in der Bildung weiter zu stärken.
Teilnehmende: Christian Galonska, Ute Sauerwein-Weber
Montag, den 22.09.2025
Dieser Tag war unser Anreisetag. Nach einer Zugfahrt von Kiel nach Aarhus und dem Check-in in unsere Unterkünfte starteten wir einen ersten Besuch im Dokk1. Wir erkundeten die Lernumgebung, in der wir uns während der nächsten beiden Tage fortbilden würden und organisierten für jeden Tag und jeweils zwei Stunden einen kleinen Arbeitsraum, in dem wir unsere Ergebnisse sammeln und auswerten können.
Dienstag, 23.09.2025
Am ersten Tag unserer Hospitation stand das Dokk1 im Zentrum. Als zentrale Bibliothek und zugleich „Dritter Ort“ für die Stadtgesellschaft verbindet es Bildung, Begegnung und Kultur auf einzigartige Weise. Wir konnten uns einen umfassenden Eindruck von der Architektur, der Funktionsweise und den unterschiedlichen Lern- und Begegnungsräumen verschaffen und haben gezielt nach Anknüpfungspunkten für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) recherchiert.
Ein Schwerpunkt lag auf der Gestaltung offener und inklusiver Lernräume. Deutlich wurde, dass Barrierefreiheit im Dokk1 nicht als nachträgliche Ergänzung verstanden wird, sondern integraler Bestandteil der Raumgestaltung und des Angebots ist. Offene Flächen, digitale Assistenzsysteme und die Möglichkeit, Räume flexibel zu nutzen, schaffen ein niedrigschwelliges Lernumfeld. Diese Ansätze sind wichtige Impulse für die Volkshochschulen, wie sie Teilhabe für alle Lernenden noch konsequenter verwirklichen können.
Im „Verdensrummet“ erhielten wir Einblicke, wie die SDGs praktisch vermittelt werden: durch Workshops, Ausstellungen und partizipative Formate. Nachhaltigkeitsthemen wie Ressourcenschonung („Reparieren statt neu kaufen“), Upcycling, urbane Begrünung, Biodiversität und lokale Klimaschutzmaßnahmen wurden in alltagsnahen Szenarien erfahrbar gemacht. Wir konnten sehen, wie BNE-Themen durch konkrete, handlungsorientierte Aktivitäten mit hoher Lebensweltrelevanz in die Bildungsarbeit integriert werden.
Zugleich zeigte das Dokk1, wie Future Skills wie Kreativität, Problemlösefähigkeit und digitale Kompetenz in offener Lernumgebung gefördert werden. Kooperationen mit Schulen, Initiativen und lokalen Partnern unterstreichen, wie eng Bildung, Stadtgesellschaft und Arbeitswelt miteinander verbunden sind. Schließlich haben wir Ansätze des Innovationsmanagements kennengelernt: Neue Ideen werden im Dokk1 konsequent getestet und in dauerhafte Strukturen überführt – ein Vorgehen, das wertvolle Impulse für die VHS-Arbeit bietet.
Insgesamt war dieser erste Tag im Dokk1 eine wertvolle Grundlage für unsere weiteren Hospitationen: Wir konnten zentrale Lernziele direkt mit praktischen Eindrücken verknüpfen und konkrete Übertragungsmöglichkeiten für die VHS-Arbeit in Schleswig-Holstein erkennen.
Mittwoch, 24.09.2025
Der zweite Tag führte uns in das DokkX, das als Innovationslabor im Dokk1 angesiedelt ist. DokkX versteht sich als Experimentier- und Lernort, an dem Bürgerinnen und Bürger neue Technologien kennenlernen, erproben und ihre Bedeutung für den Alltag reflektieren können.
Während einer Führung durch die Einrichtung erhielten wir Einblicke in verschiedene Arbeitsprozesse, die direkt an unsere Lernziele anknüpfen. Besonders wichtig war die Vermittlung von Kompetenzen für ein selbstständiges, aktives Leben – Menschen sollen ermutigt werden, Technologien nicht nur zu konsumieren, sondern aktiv zu nutzen und kritisch zu hinterfragen. Dies reicht von Assistenzsystemen für ältere Menschen über digitale Gesundheitsanwendungen bis hin zu innovativen Formen der Kommunikation.
Mit Blick auf die SDGs war erkennbar, dass DokkX technologische Innovation stets mit den Dimensionen soziale Gerechtigkeit, Barrierefreiheit, Teilhabe und ökologische Verantwortung verbindet. So werden z. B. Technologien im Hinblick auf ihre Wirkung auf Umwelt und Nachhaltigkeit bewertet. Dies eröffnet einen integrativen Zugang zu BNE, der sich auch für die Volkshochschulen übertragen lässt.
Wir konnten zudem nachvollziehen, wie im DokkX Future Skills gezielt gefördert werden: Bürgerinnen und Bürger lernen, mit Unsicherheit umzugehen, Neues auszuprobieren und Innovation in ihren Alltag zu integrieren. Besonders die partizipativen Ansätze – Menschen aktiv einzubeziehen und ihre Rückmeldungen in die Weiterentwicklung einzubauen – sind wertvolle Impulse für die Erwachsenenbildung in Schleswig-Holstein.
Auch das Innovationsmanagement des DokkX war für uns von großem Interesse. Neue Projekte entstehen in enger Zusammenarbeit mit Nutzerinnen und Nutzern sowie mit Partnern aus Wissenschaft, Stadt und Wirtschaft. Ideen werden zunächst im geschützten Raum erprobt, angepasst und erst nach erfolgreicher Testphase in die Regelstrukturen überführt. Dieses Vorgehen liefert konkrete Anregungen, wie auch Volkshochschulen Innovationsprozesse gestalten können.
Der zweite Tag machte deutlich, wie BNE, digitale Transformation und gesellschaftliche Teilhabe miteinander verbunden werden können. Das DokkX bietet damit nicht nur technologische, sondern vor allem auch pädagogische und gesellschaftliche Lernimpulse, die wir für die Weiterentwicklung unserer VHS-Arbeit nutzen können.
Am frühen Abend verließen wir Aarhus und fuhren mit einem Koffer voller Inspiration und kreativer Erfahrungen zurück nach Kiel.
Der Kurs The Art of Differentiation: Strategies for Inclusive Classrooms des Anbieters Infol Education SRLS in Rom soll eine umfangreiche Auseinandersetzung mit Methoden und Strategien der Inklusion im Unterricht und in der Institution bieten. Fünf Tage mit je vier Unterrichtsstunden sind dafür eingeplant.
Der Kursort befindet sich nicht direkt in der Innenstadt Roms, ist aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Die Anfahrt mit der Metro klappte hervorragend, doch da kein Bus kam, ging ich den restlichen Weg zu Fuß und kam trotz kleiner Verspätung nahezu pünktlich an, als zweite von acht angekündigten Teilnehmerinnen.
Francesco, der Direktor des Instituts, begrüßte uns herzlich und sagte, dass drei Kolleginnen aus Rumänien auch noch das letzte Stück Wegstrecke zu Fuß zurücklegen würden. Insgesamt waren wir am ersten Tag zu sechst, zwei Lehrerinnen einer Berufsschule in Le Mans, Frankreich, sowie drei Lehrerinnen einer Berufsfachschule/Fachhochschule für Elektrotechnik aus Cluj/ Rumänien. Es gab eine einstündige ausführliche Vorstellungsrunde einschließlich der spezifischen Arbeitsbedingungen an den einzelnen Institutionen. Dann wurde Francesco zunehmend unruhig, da die Dozentin, die um 11:00 Uhr das erste Training beginnen sollte, nicht auftauchte. Es gab einen familiären Notfall, weshalb sie voraussichtlich bis mittags nicht zum Unterricht erscheinen könnte. Länderübergreifend war man sich einig, dass das wie im richtigen Leben wäre und eine Situation, wie wir sie alle in unseren eigenen Schulen auch schon erlebt hätten. Die rumänische und die deutsche Fraktion stellten fest, dass ohnehin in ihren Ländern der Pfingstmontag ein Feiertag wäre, überraschenderweise in Italien aber nicht.
Francesco teilte dann einen mehrseitigen umfangreichen Fragebogen über die Erwartungen an den Kurs und die Umsetzung der Ergebnisse an den jeweiligen Arbeitsplätzen aus. Die Ergebnisse dazu wurden jeweils im Plenum diskutiert. Das gab schon einen interessanten Überblick über die jeweiligen äußeren Gegebenheiten, mit denen die einzelnen Institutionen arbeiten müssen.
So unterrichten die Kolleginnen aus Frankreich die Fächer Französisch und Geschichte, aber auch „digital literacy“ in einer staatlichen Schule für Metallurgie, an der trotz einer sehr diversen Schülergruppe wenig Rückhalt für inklusive Lösungsansätze vorhanden sei. Die rumänischen Kolleginnen, allesamt in technischen Fächern tätig, sahen eher Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeitsprobleme bei ihren Studierenden als problematisch an und betonten, dass ihre Schule in dieser Hinsicht aufmerksam wäre und nach Wegen suche, inklusive Strategien umzusetzen. Die Schülerschaft ist dort offenbar weniger heterogen, wobei auch dort eine große Gruppe Flüchtlinge aus der Ukraine neu ins Bildungssystem integriert werden muss.
Die Fragebögen wurden von Francesco gesammelt und an die Kursleiterin weitergeleitet, damit sie für den morgigen Unterrichtstag diese Informationen vorliegen hatte. Wir einigten uns darauf, am morgigen Unterrichtstag zwei entsprechend längere Unterrichtsblöcke einzuplanen, um den Stoff entsprechend behandeln zu können. Francesco beantwortete dann noch Fragen zum weiteren Verlauf des Kurses. Es sind zwei Außentermine/Hospitationen geplant. Darauf bin ich besonders gespannt. Gegen 13.00 Uhr war die Sitzung beendet. Das rumänisch-deutsche „Team Bus“ startete einen neuen Versuch, und diesmal klappte es, der Bus kam, zwar eine halbe Stunde später als laut Fahrplan, aber es war angenehm, den Weg zur Metro in der Mittagshitze nicht zu Fuß laufen zu müssen. Wir werden diese Aktion dann morgen als „Team- Building activity“ vorstellen. Wir haben uns dafür morgen auch um 9.15 an der Metro verabredet, um die Aktivität fortzusetzen.
Tag 2, Dienstag, 10.06.2025
Heute war die Trainerin, Kwanza Dos Santos, dann wie geplant da, und es gab einen fünfstündigen Workshop zu Themen aus der interkulturellen Pädagogik. Kwanza ist selbst italienische Staatsbürgerin, ihre Eltern sind aus Brasilien eingewandert, und sie hat sich aufgrund ihrer eigenen Biografie ausführlich mit Fragen inklusiven Lehrens und Lernens beschäftigt.
Der Workshop umfasste Partner- und Gruppenarbeiten und war gut angeleitet, speziell was assoziatives Arbeiten anging. Beim Zusammenstellen der Charakteristika inklusiven Unterrichts hatte ich dagegen das Gefühl, dass Kwanza sehr klare Vorstellung davon hatte, wie die Ergebnisse aussehen und formuliert werden sollten, das hat mich an einigen Stellen etwas gestört. Der Vollständigkeit halber fasse ich sie aber hier noch einmal zusammen:
Inklusive Pädagogik basiert auf dem Prinzip, dass alle Lernenden – unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen – gemeinsam lernen und gefördert werden sollen.
Sie erkennt Vielfalt als Bereicherung und nicht als ein Problem, das beseitigt werden muss.
Ein zentrales Ziel inklusiver Pädagogik ist die Teilhabe aller Lernenden am schulischen und gesellschaftlichen Leben.
Lehrkräfte passen ihre Methoden, Materialien und Lernumgebungen an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden an.
Inklusion bedeutet nicht nur die Integration von Menschen mit Behinderungen, sondern auch die Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Unterschiede.
Die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team ist ein wichtiger Bestandteil inklusiver Arbeit.
Inklusive Pädagogik orientiert sich an den Menschenrechten und am Prinzip der Gerechtigkeit im Bildungssystem.
Inklusiver Unterricht schafft eine Umgebung, in der sich alle Lernenden sicher, wertgeschätzt und lernfähig fühlen.
Die Ergebnisse aus unseren kleinen Gruppenarbeiten – Übungen zum aktiven Zuhören, Vergleiche der Bildungssysteme im Hinblick auf die Einbürgerungspolitik der jeweiligen Länder, Übungen zu Stereotypen und die anschließende Analyse biografischer Erfahrungen mit Stereotypen waren dagegen sehr interessant. So habe ich heute gelernt, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in Italien letztmalig 1992 angepasst wurde. Für in Italien geborene Kinder nicht-italienischer Eltern gilt bis heute, dass sie nur zwischen ihrem 18. und 19. Lebensjahr die italienische Staatsbürgerschaft beantragen können, sie aber dafür auch ununterbrochen in Italien gelebt haben müssen. Ein Schuljahr im Ausland etwa würde diese Anforderung unmöglich machen. Die Kolleginnen aus Rumänien berichteten, dass es seit einigen Jahren starke Einwanderung aus Indien, Nepal, China und Sri Lanka nach Rumänien gebe. Diese Einwanderergruppen würden überwiegend die Jobs ausüben, die die Rumänen nicht (mehr) annehmen würden: subalterne Tätigkeiten, zum Beispiel in Gastronomie, Hotellerie… Da circa 40 % der rumänischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter selbst im Ausland arbeiten, lägen viele dieser Jobs ohne die Einwanderer brach.
Es sind Informationen wie diese, die das Erasmus-Programm so interessant machen: globale Entwicklungen, die in unterschiedlicher Weise in einzelnen Ländern ihren Niederschlag finden.
Zum Thema „Stereotype“ gab es einen TED-Talk der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, nicht ganz neu, sondern aus dem Jahr 2009, aber nicht weniger aktuell, ein sehr gut ausgewähltes Testimonial über die Erfahrungen mit Stereotypen in beide Richtungen: Erwartungen und Zuschreibungen anderer und die eigenen Projektionen von Wirklichkeit auf andere Personen. Adichie beschrieb darin anschaulich ihre eigene Lesesozialisation, in der sie als Jugendliche ausgiebig klassische englische Literatur las (die ihre eigene Mutter von Studienaufenthalten in Großbritannien mitgebracht hatte) und ihr Blick auf das Land und seine Kultur eine quasi spätromantische Färbung hatte. Mit der Realität konfrontiert erlebte sie einen ungewollten, notwendigen Perspektivenwechsel, um die ihr bekannten, aber in ihrer Zeit verhafteten Themen und Sichtweisen einordnen und als Ausgangspunkt für ihre eigene Realität umwidmen zu können.
Dieser Wechsel der Perspektiven – „the different gaze“ – wurde anschließend in einigen praktischen Übungen erprobt. Zu Grunde lag die Annahme, dass durch Veränderungen der Narrative auch ein Wechsel vorgenommen werden könne. Kwanza stellte dazu Beispiele aus italienischen Lehrbüchern vor, die nach wie vor im Gebrauch seien. Geradezu erschütternd fand ich ein Beispiel aus einem Lesebuch für die dritte Klasse, in dem drei Kinder gefragt wurden, was sie sich für das beginnende Schuljahr wünschen. Ein strahlender blonder Junge antwortete, er würde gern viel draußen spielen. Ein niedliches Mädchen sagte gar nichts, ein dunkelhäutiger Junge in unbeholfenem Italienisch, er möchte gern viel besser Italienisch lernen. Dieses und weitere Beispiele führten zu lebhaften Diskussionen darüber, wie in einer Unterrichtssituation mit einfachsten Mitteln Stereotype in inklusive Ansätze umgewandelt werden könnten. Die französischen Kolleginnen berichteten, dass in Frankreich derzeit viele Lehrbücher sehr kritisch evaluiert und verändert würden. Aus meiner Erfahrung konnte ich ein DaZ-Lehrwerk der neuesten Generation vorstellen, in dem inklusive Ansätze konsequent umgesetzt worden waren. Die durchgehend verwendeten Charaktere sind unterschiedlich angelegt, beispielsweise sitzt ein Protagonist im Rollstuhl, eine weitere Protagonistin ist schon recht alt, es gibt mehrere Personen mit Migrationshintergrund, die ganz unterschiedliche berufliche Tätigkeiten ausüben („Miteinander“, Hueber Verlag, 2024).
Der letzte Teil des Workshops umfasste eine Übersicht über inklusive Sprache, da war inhaltlich wenig Neues dabei, aber interessante linguistische Aspekte gab es auch hier.
Tag 3, Mittwoch, 11.06.2025
Heute war einer der beiden Unterrichtstage, die für Exkursionen und Außenaktivitäten vorgesehen sind. Die Gruppe besteht nach wie vor aus sechs Personen, die beiden Kolleginnen aus Rumänien, die am Montag noch angekündigt worden waren, konnten kurzfristig nicht am Kurs teilnehmen. Heute war der Treffpunkt die Metro Station Circo Massimo, von dort ging es ein kurzes Stück zu Fuß zum Kulturzentrum „Celio Azurro“.
Der Stadtteil „Celio“ ist nach dem Cäcilienhügel benannt und befindet sich im Zentrum der Stadt, nahe beim Circus Maximus. Trotzdem (wegen der Hanglage) ist es dort eher ruhig und grün – es gibt viele öffentliche Parkanlagen. Und da wunderbares Sommerwetter herrscht, ist der Himmel azurblau. Der Name der Einrichtung wurde bewusst so gewählt, als Wortspiel, das den blauen Himmel („cielo azzurro“) und den blauen Hügel verbindet, der Name ruft Assoziationen wie Weite, Unendlichkeit etc… hervor.
„Celio Azzurro“ geht auf eine private Initiative zurück, die in Deutschland vielleicht mit einem niedrigschwelligen Nachbarschaftszentrum der 1970er Jahre vergleichbar wäre, ein Konzept, an das in Deutschland die heutige stadtpolitische Quartiersplanung wieder anknüpft. Gegründet 1990 mit einem innovativen pädagogischen Konzept ist heute eine durch das Bildungsministerium geförderte Einrichtung, die frühkindliche Bildung bis Erwachsenenbildung anbietet.
Wir wurden von Giorgio, einem Pädagogen, der seit der Gründung dort arbeitet, freundlich begrüßt und herumgeführt. In Italien haben Pfingsten die dreimonatigen Sommerferien begonnen, die Schulen und viele andere Bildungseinrichtungen sind daher geschlossen. Nur eine kleine Gruppe wurde in der Zeit betreut, darum konnten wir auch das Gelände und die Unterrichtsräume ansehen.
Das Konzept basiert auf einer ganzheitlichen Pädagogik, die inklusive Ansätze auf unterschiedliche Generationen/Altersgruppen anwendet. Die Angebote wurden von Anfang an auf die Bedürfnisse von Eltern und Kindern ausgerichtet. In der Gründungsphase kamen 75% der Teilnehmenden aus Einwandererfamilien, heute sind es ca. 40%. Umgangssprache ist Italienisch und so werden systematisch auch Italienischunterricht für Migranten, Kochkurse, Yoga und vereinzelt Angebote zur politischen Bildung angeboten. Dabei handelt es sich ausschließlich um kommunalpolitische Themen im Stadtviertel, die meist auf konkrete Problemlösungen abzielen (die Parkplatzsituation zum Beispiel).
Celio Azzurro bietet also unterschiedliche Bildungsaktivitäten und -wege an, die von einer vielfältigen Gesellschaft (ethnisch, kulturell und generationenübergreifend) geprägt sind.
Ein solcher Ortstermin ermöglicht Einblicke, die nur in der praktischen Arbeit zu gewinnen sind. Eine kritische Anmerkung jedoch: „Inklusion“ umfasst für mich auch Barrierefreiheit oder zumindest das Bewusstsein dafür. Außengelände und Gebäude sind aufgrund der Hanglage für Menschen mit körperlichen Einschränkungen aber kaum oder gar nicht zugänglich, es gibt viele Treppen oder Stufen und keine angepasste Zuwegung.
Unsere Exkursion am dritten Tag endete mit einem gemeinsamen Rundgang durch die Viertel St. Giovanni und Esquilino, das Stadtviertel, das in Richtung des Hauptbahnhofs den höchsten Migrantenanteil der Stadt aufweist. Die Dozentin wies immer wieder auf die Vielfalt hin, die sich im Straßenbild zeige, dies schien ihr sehr wichtig zu sein. Den Abschluss bildete ein Besuch des Marktes „Nuovo Mercato Esquilino“, ein berühmter Markt, der nach langen kommunalpolitischen Verhandlungen vor ca. 15 Jahren aus hygienischen Gründen mit einer riesigen Markthalle umgebaut wurde. Die umgebenden Straßen waren vor allem von asiatischen (Indien, China, südostasiatische Staaten) Cafés, Restaurants und Lebensmittelgeschäften geprägt. Der Markt selbst bot Lebensmittel aus mehreren Kontinenten und es war ein Erlebnis, dort einmal hindurchzuschlendern.
Für morgen ist ein weiterer „Ausflug“ geplant, mehr wurde nicht verraten. Ich bin gespannt!
Tag 4, Donnerstag, 12.06.2025
Heute fand der zweite Außentermin statt. Sehr schön daran: wir trafen uns im Freien, erst an der U-Bahn-Station Hauptbahnhof, um zur Station EUR Palaspor (ein großes Stadium) zu fahren. Von dort war es nur ein kurzer Fußweg zum Parco Centralo del Lago, einem öffentlichen Park. Von den veranschlagten drei Zeitstunden Unterricht war damit schon mehr als eine halbe Stunde vorbei. In den verbleibenden zweieinhalb Stunden führten wir exakt sechs Übungen durch. Das war wenig, zumal für keine der sechs Teilnehmerinnen etwas wirklich Neues dabei war, wie wir uns auf der Rückfahrt mit der Metro gegenseitig bestätigen konnten. Ich will jetzt nicht zu kritisch sein, und es war wie gesagt sehr schön, nicht in einem heißen Klassenzimmer zu sitzen (es waren heute 35°), und es war auch keine vertane Zeit mit den Kolleginnen aus zwei anderen Ländern diese Übungen durchzuführen, aber der Erkenntnisgewinn war sehr überschaubar.
Es handelte sich bei den Übungen um Aufwärm- und Eisbrecher Aktivitäten, wie alle sie selbst in ihrem Unterricht schon durchgeführt haben: den eigenen Namen und damit ein Stück Biografie zu erklären, drei Dinge über sich selbst, von denen eine Aussage nicht zutraf und die erraten werden musste, eigene Stärken und Schwächen zu beschreiben, dann ein „Blindfold Walk“ als vertrauensbildende Maßnahme, ein „Privilege Walk“, anschließend eine kurze Schnitzeljagd, bei der auf dem Handy Fotos von verschiedenen Objekten gemacht werden mussten. Vielleicht waren heute einfach alle etwas erschöpft und träge, aber nicht nur ich habe die Veranstaltung als extrem in die Länge gezogen und wenig inhaltsreich empfunden. Die Inhalte entstanden durch die informellen Gespräche mit den Kolleginnen. Außerdem waren wir mitten in einem römischen Park während der Woche im überraschend heißen Frühsommer, ein schönes Erlebnis, zu beobachten, wie die Römerinnen und Römer, speziell Familien mit kleinen Kindern, sich in einer kleinen grünen Oase mitten in der Großstadt erholen.
Tag 5, Freitag, 13.06.2025
Der fünfte und letzte Tag begann mit einer kurzen Nachlese der Outdoor-Aktivitäten, dem Besuch im Kulturzentrum Celio Azzurro und dem Aktivitäten-Nachmittag im Park gestern. Die Rückmeldungen über Celio Azzurro und den anschließenden Quartiersrundgang waren übereinstimmend sehr positiv. Mit dem gestrigen Nachmittag waren die Teilnehmerinnen wohl alle nicht richtig zufrieden, wir alle brachten unsere Kritik aber sehr vorsichtig vor. Meine Bitte für den letzten Tag war, noch ein paar Impulse zu anderen Aspekten der Inklusion zu bekommen, nicht nur die migrantische Perspektive. Das wurde auch erfüllt, nach einem längeren Exkurs zu den Themen inklusiver Geographie und Geschichte.
Die Unterrichtsform war überwiegend ein Vortrag von Kwanza, immer wieder aufgelockert durch Beispiele und Vergleiche der Situation in unseren jeweiligen Herkunftsländern.
Grundsätzlich ist Inklusive Geographie ein Ansatz, geografische Räume, Phänomene und Prozesse so zu betrachten, dass alle Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Hintergründen oder Lebensumständen, einbezogen werden. Sie legt Wert darauf, Barrieren zu identifizieren und abzubauen, die den Zugang zu geografischem Wissen oder räumlichen Erfahrungen einschränken könnten. Das bedeutet, dass Lehrmaterialien, Karten und Lernmethoden so gestaltet werden, dass sie für alle zugänglich sind, beispielsweise durch taktile Karten für sehbehinderte Menschen oder durch leicht verständliche Sprache.
Inklusive Geographie fördert das Bewusstsein für die Vielfalt der Lebenswelten und die unterschiedlichen Perspektiven, die Menschen auf der Welt haben. Sie betont die Bedeutung von Partizipation und Mitbestimmung in der Raumgestaltung und -planung. Ziel ist es dabei, Diskriminierung und Exklusion zu vermeiden und eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Chancen zu fördern. In der Praxis bedeutet das auch, Umwelt- und Raumfragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, etwa aus der Sicht von marginalisierten Gruppen. Die inklusive Geographie soll dazu beitragen, gesellschaftliche Ungleichheiten sichtbar zu machen und Lösungen zu entwickeln, die alle Menschen einschließen. Sie ist eng verbunden mit Konzepten wie Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Durch den Einsatz moderner Technologien (z. B. Geoinformations-systeme, GIS), können dazu Daten gesammelt und für alle zugänglich gemacht werden. Insgesamt zielt inklusive Geographie darauf ab, das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge des menschlichen Lebens auf der Erde zu fördern, ohne bestimmte Gruppen auszuschließen.
Eng verknüpft mit inklusiver Geographie ist die Kritik an kolonialer und postkolonialer Kategorisierung. Die Bezeichnung „Dritte Welt“ oder „Entwicklungsländer“ beschrieb Kwanza als Beispiel dafür, wie politische Kategorisierung während des kalten Krieges durch die USA die westliche Sichtweise für Jahrzehnte prägte. Die Aufteilung Afrikas durch Kolonialmächte bis hin zum Ziehen von Landesgrenzen mit dem Lineal, völlig ungeachtet der bestehenden Besiedlung durch unterschiedliche Ethnien nannte sie als ein Beispiel dafür, wie geopolitische Fakten geschaffen wurden. Bis heute gehe die Länderbezeichnung Kamerun auf das Portugiesische Wort Camo für „Krabben/Shrimps“ zurück. Der frühere Staat Obervolta hingegen hätte seine Umbenennung in Burkina Faso, ungefähr übersetzbar als „Land der Menschen mit Würde“ aus den zwei meistgesprochenen Sprachen des Landes ausgewählt. Für Ghana war die koloniale Bezeichnung die „Goldküste“, eine ähnliche Bezeichnung hat Cote D‘ Ivoire bis heute. Ein kurzer, aber hochinteressanter Beitrag auf dem YouTube-Kanal „Geography Now“ über Frankreich illustrierte die irgendwie anachronistisch anmutenden französischen Übersee-Départments, Enklaven und „Territoires d’outre-mer“ (TOM). Eine der französischen Kolleginnen hat Familie in New Caledonia und konnte dazu aus eigener Anschauung über die dortigen speziellen Autonomieregelungen berichten.
Inklusive Geschichtsschreibung zielt ebenfalls darauf ab, Geschichte aus vielfältigen Perspektiven zu erzählen und alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen. Sie soll traditionelle, oft eurozentrische oder westlich dominierte Narrative ausbalancieren, die bestimmte Gruppen marginalisieren oder ausblenden. Ziel ist es, die Erfahrungen von Minderheiten, Frauen, ethnischen Gruppen, sozialen Schichten und anderen oft übersehenen Akteuren sichtbar zu machen, um die Vielfalt menschlicher Erfahrungen abzubilden. Sie bezieht idealerweise Quellen aus verschiedenen Kulturen und Perspektiven ein, um ein umfassenderes Bild der Vergangenheit zu zeichnen. Dieser Ansatz soll dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und die Stimmen von Menschen zu hören, die in traditionellen Geschichtsschreibungen oft fehlen, etwa durch die Einbeziehung von „Oral History“.
Kwanza erläuterte weitere interessante Beispiele aus Italien: so wurden seit 1923 seh- und hörbehinderte Kinder in eigenen Schulen unterrichtet. Dort wurden aber auch Kinder aus Süditalien aufgenommen, die mit regionalen Dialekten (und teilweise Sprachen) aufgewachsen waren und kein Standarditalienisch sprachen. Also gewissermaßen das Gegenteil von Inklusion.
Seit etwa 20 Jahren gibt es in Italien einen nationalen Integrationsplan (Piano di Integrazione degli Stranieri, PEI), der die folgenden Ziele hat:
Sprachliche Integration: Förderung der Italienischkenntnisse, um die Kommunikation im Alltag und im gesellschaftlichen Leben zu erleichtern.
Kulturelle Integration: Vermittlung von Kenntnissen über die italienische Kultur, Werte und gesellschaftliche Normen, um das Verständnis und die Teilhabe zu stärken.
Soziale und rechtliche Integration: Unterstützung bei der Orientierung im Rechtssystem, beim Zugang zu Bildung, Arbeit und sozialen Diensten, um eine erfolgreiche Eingliederung in die Gesellschaft zu gewährleisten.
Derzeit ist ein bildungspolitischer Schwerpunkt die Integration von Kindern mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen ins reguläre Schulsystem, indem man ihnen Schulbegleiter zur Seite stellt.
Der letzte Unterrichtsabschnitt diente dazu, dass alle Anwesenden kurz das Bildungssystem ihrer Länder vorstellten. Da außer mir alle an staatlichen Berufsfachschulen mit der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen tätig sind, lag der Fokus auf dieser Altersgruppe und den Schulformen. Alle stellten für ihre Einrichtungen und sich fest, dass inklusive Pädagogik mindestens schon stark reflektiert würde, dass in vielerlei Hinsicht auch schon Maßnahmen erfolgt wären, da es sich dabei aber um einen fortwährenden Prozess handelt und nicht um einen festzuschreibenden erreichten Zustand, bleiben viele Aufgaben weiter bestehen. Die Veranstaltung endete mit der Austeilung der Teilnahmebescheinigungen und einer allgemeinen Feedbackrunde.
Aus dem Kurs nehme ich eine Reihe neuer Impulse mit und – wie bisher immer bei Erasmus Programmen – wunderbare Gelegenheiten, sich mit Kolleginnen aus anderen Ländern auszutauschen. Diese Erfahrungen sind sehr wertvoll und helfen dabei, den Blick auf Herausforderungen und Problemlösungen zu schärfen. An zwei von 5 Unterrichtstagen fand allerdings nur ein reduziertes bzw. ein den Erwartungen nicht ganz genügendes Programm statt. Eine der französischen Kolleginnen formulierte es als Analogie auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen so: „Wir sind bei Fragen der Inklusion doch schon auf dem B1-B2-Level, und der Kurs war für A1/A2 konzipiert“.
von René Brown, Santiago de Compostela, 21.07.2025 – 25.07.2025
Meine Reise nach Santiago de Compostela in Galicien, Spanien, begann am Samstag, den 19. Juli, von Schwerin aus. Nach einer Zugfahrt und zwei Flügen kam ich am Nachmittag desselben Tages in Galicien an.
Der Kurs fand in der Akademie Iria Flavia statt, die seit mehreren Jahren solche Mobilitäten im Rahmen des Programms Erasmus+-Programm anbietet. Für mich war es das erste Mal, dass ich an diesem Programm teilgenommen habe. Die Akademie zeigte sich von Anfang an äußerst kooperativ, und die Kommunikation sowie der Informationsaustausch waren klar und schnell. Das Gleiche gilt für den Landesverband der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins e.V.
Die Organisation meiner Unterkunft übernahm die Akademie, und meine Gastgeberin María empfing mich in ihrer gemütlichen Wohnung in einem zentralen Stadtviertel, ganz in der Nähe der Akademie und des Stadtzentrums.
Ich hatte das Glück, dass mein Kurs genau in die Woche der Feierlichkeiten zu Ehren des Apostels Jakobus fiel, die vom 16. bis 25. Juli stattfinden, wobei der 24. und 25. die wichtigsten Tage sind. Jeden Abend bot die Stadt kulturelle Programme an verschiedenen Orten sowie zahlreiche Gratis-Konzerte an.
Am Wochenende habe ich diese sehr interessante und touristische Stadt erkundet, die von viel historischer Tradition rund um die Pilgerschaft auf dem Jakobsweg geprägt ist. Die Freundlichkeit der galicischen Menschen trägt sehr dazu bei, die lokale Kultur kennenzulernen und von einem Kursbesuch in einem Land zu profitieren, in dem die Zielsprache des Unterrichts gesprochen wird.
Der Kurs begann pünktlich am Montag, dem 21. Juli. Wir trafen uns kurz vor 9:00 Uhr, und nach einer Begrüßung stellte uns der Akademieleiter José Luis Clavijo die Lehrer vor und gab uns eine kurze Erklärung zu den organisatorischen Einzelheiten für den Unterricht und die Führungen. Es wurden zwei parallele Gruppen mit Teilnehmern aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, der Schweiz, der Slowakei und den Vereinigten Staaten gebildet. Der Lehrer meiner Gruppe für die gesamte Woche war Marcos Suárez.
Direkt danach begannen wir mit dem ersten Modul des Kurses, das sich mit dem Einsatz von Comics und Graphic Novels als didaktische Ressourcen beschäftigte. Es war sehr interessant, diese Materialien unter Beachtung von Aspekten wie Urheberrecht und digitalen Tools zu bearbeiten. Von Beginn an wurde Wert daraufgelegt, Materialien zu gestalten, die leicht an unterschiedliche Lernstufen und Gruppengrößen angepasst werden können.
Zu diesem Zweck wurde unter anderem empfohlen, Bilder von Google herunterzuladen, entweder als Dateien oder als Screenshots, um sie auf der kostenlosen Webseite PDF Escape (https://www.pdfescape.com/) zu bearbeiten. Dort können die Sprechblasen aus den Comics „entleert“ werden, damit die Schüler sie entsprechend ihrer jeweiligen Sprachkenntnisse ausfüllen können.
Wir haben auch das Erstellen eigener Comicstrips mit eigenen Ideen sowie mit den Grafiken, die auf kostenlosen Webseiten wie Pixton, Witty Comics und Makebeliefs angeboten werden, geübt.
Außerdem haben wir mit einfacheren Übungen gearbeitet, zum Beispiel indem wir Ausschnitte eines Comics mit Dialogen bereitgestellt haben, damit die Geschichte mithilfe der Bilder und des entsprechenden Wortschatzes in die richtige Reihenfolge gebracht werden kann.
Am Nachmittag, nach der Mittagspause, machten wir eine Stadtführung durch das Zentrum und am Abend gingen die Gruppen gemeinsam essen.
Am Dienstag, den 22., widmeten wir uns der Durchsicht vieler Online-Materialien, insbesondere Werken spanischer Künstler, um die Ressourcen auf der Grundlage der Zielsprache auszurichten. Wir übten interaktive Aufgaben für den Unterricht, die das Beschreiben und den Meinungsaustausch fördern.
Für diesen Zweck haben wir zahlreiche Webseiten verschiedener Museen und spanischer Institutionen besucht, ebenso wie die Kultursektionen von Online-Zeitungen (z.B. El País), sowie verschiedene Instagram-Seiten.
Am Mittwoch, den 23., machten wir virtuelle Besuche in spanischen Museen, bei denen neben den Beschreibungen der verschiedenen Ausstellungsräume auch zahlreiche pädagogische Materialien, die im Jahresverlauf wechseln, verfügbar sind. Anschließend besuchten wir den lokalen Markt, um die typischen Speisen der Region kennenzulernen und zu genießen.
Den Abschluss des Moduls bildeten Besuche im Centro Gallego de Arte Contemporáneo und die Fundación Eugenio Granell (surrealistische Kunst).
Am Nachmittag gingen wir eine kleine Etappe des Jakobswegs (ca. 10 km) von Palas de Rei bis zum Ort O Coto, etwa 60 km von der Stadt entfernt.
Am Donnerstag, den 24., besprachen wir zahlreiche Kurzfilme zu verschiedenen Themen und diskutierten, wie man die Inhalte je nach Niveau, Alter und kulturellem Hintergrund der Schüler einsetzen kann und wie man heikle oder ausschließende Themen vermeidet. Wie in allen vorangegangenen Modulen tauschten wir Ideen zur Umsetzung von Übungen mit den vorgestellten Materialien aus, wobei stets die urheberrechtlichen Einschränkungen beachtet wurden.
Die Quellen für visuelles Material, in diesem Fall die Kurzfilme, sind zahlreich, und es war sehr hilfreich, Informationen über spanischsprachige Seiten zu erhalten, die man im Ausland bzw. in Deutschland nicht immer leicht findet.
Es war auch sehr interessant, die Übungen, die wir im Comic-Modul verwendet haben, für die Nutzung mit Kurzfilmen anzupassen. Um einige Beispiele zu nennen: die Erstellung von Dialogen mit Standbildern; das Beschreiben dessen, was geschehen ist oder geschehen wird, ausgehend von einer bestimmten Aufnahme; die Beschreibung der Geschichte oder der verschiedenen Charaktere aus unterschiedlichen Perspektiven; oder die Verwendung von Lückentexten zur Verstärkung grammatischer Punkte (z. B. Verben, Präpositionen, Adjektive usw.).
Am Nachmittag besuchten wir ein letztes Museum in der Stadt, das Pilgermuseum, und am Abend genossen wir das Feuerwerk zu den lokalen Festlichkeiten.
Am Freitag, den 25. Juli, arbeiteten wir mit Werbung im Bereich Guerilla-Marketing und lernten didaktische Ansätze für Werbeanzeigen kennen. Wir haben auch das Untertiteln von Videos geübt, um interaktive Übungen zu erstellen. Dazu arbeiteten wir mit dem VLC-Player und dem Bearbeitungsprogramm Aegisub (beide kostenlos). Nachdem die technischen Schwierigkeiten beim Installieren eines neuen Programms und dem ersten Umgang damit überwunden waren, führten wir eine praktische Übung mit einem Ausschnitt eines spanischen Werbespots durch.
Wieder einmal halfen uns die während der Woche erlernten verschiedenen Übungen, die Aktivitäten mit diesem neuen Material an die unterschiedlichen Wissensstufen der Schüler anzupassen. Wie zuvor halfen uns die Übungen, die wir während der Woche gelernt hatten, dabei, die Aufgaben mit dem neuen Material an Schüler mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen anzupassen.
An diesem Tag endete der Kurs für mich und einen weiteren teilnehmenden Lehrer.
Der Besuch dieses Kurses, der verschiedene Materialien und Themen, Führungen und Ausflüge in der Stadt und Umgebung umfasste, war für mich äußerst wertvoll und bereichernd. Es war ebenso bereichernd, die Möglichkeit zu haben, Erfahrungen und Ideen mit Lehrkräften aus anderen europäischen Ländern auszutauschen, um einen anderen Blick auf die jeweiligen Bildungssysteme zu erhalten – mit ihren Vor- und Nachteilen.
Für mich persönlich war es außerdem besonders wertvoll, bei einer lokalen Familie zu wohnen, was meinen Erasmus-Aufenthalt zu einer rundum positiven Erfahrung gemacht hat – eine, die ich gerne wiederholen und Kollegen in jeder Hinsicht empfehlen würde.
Das Allerbeste und ich finde Wichtigste solch eines Projektes ist die Völkerverbindung und das Verständnis für andere Menschen und Kulturen!
Wir waren 13 Teilnehmer, neben mir noch 2 weitere aus Deutschland: Kassel und Leipzig. Die Spanier und Portugiesen konnten sich sprachlich besonders gut untereinander verständigen. Außerdem gab es noch 3 Teilnehmer aus Italien.
Das Wetter in Dublin war außergewöhnlich warm und trocken.
Der Montagabend war geprägt von vielen neuen Eindrücken: neue Lehrkräfte, eine spannende internationale Gruppe, ein erster Überblick über die Lehrinhalte sowie eine Einführung in die Veranstaltungsräume – und all das auf Englisch. Auch abseits des Unterrichts gab es viel zu entdecken – insbesondere dabei, sich im neuen Alltag zurechtzufinden.
Am Nachmittag fand dann in den Räumen der Akademie eine kleine Messe mit kulinarischen Köstlichkeiten aus den Heimatländern aller Teilnehmer der Akademie in der Woche statt.
Am Abend gab es dann eine schnelle Stärkung – traditionelles Irish Stew. Auch wenn es nicht ganz meinem Geschmack entsprach, war es eine interessante kulinarische Erfahrung.
Ich hatte das Gefühl, dass sich ab Mittwoch langsam eine gewisse Vertrautheit mit allem einstellte. Die Temperaturen stiegen an, wir konnten die Yogaeinheiten nach draußen verlegen und auch der morgige Schulweg in der noch kühlen Luft war einfach umwerfend, da die Akademie in einer schönen Umgebung liegt.
Abends stand dann Tanzen auf Irisch auf dem Programm, mit circa 20 Personen und einem sehr enthusiastischen Iren.
Bereits nach einer Stunde herrschte eine freundschaftliche Atmosphäre in der Gruppe, alle lachten, trotz der Hitze im Raum.
Die ersten drei Tage des Kurses haben wir viel meditiert, was ich ganz sicher in meine Kurse bei der vhs mitnehmen werde; genauso wie das sogenannte Yin Yoga.
Zwei Praktiken, die viel Ruhe in meinen Unterricht bringen werden und ganz sicher zur Entspannung der Teilnehmer führt.
Unsere Lehrerinnen Susan und Amy haben sehr viel Wert auf Meditation gelegt, um vor den Yogaeinheiten im Raum anzukommen und sich zu entspannen.
Der Atem, die Brücke zwischen ‚Mind‘ und ‚Body‘ kommt durch die Meditation zur Ruhe.
Eine ruhige, tiefe Atmung kann sogar lebensverlängernd wirken: Susan brachte das Beispiel eines schnell hechelnden Hundes, der ja bekanntlich nicht älter als 20 Jahre wird.
Meditation sollte geübt werden, da es nicht so leicht ist, den unruhigen rastlosen Geist zur Ruhe zu bringen und die Gedanken kommen und gehen zur lassen.
Alles hat Zeit bis nach der Meditation.
Hilfsmittel können z.B. die sogenannte ‚Boxatmung‘ sein, bei der man sich einen Kasten vorstellt mit 4 Stufen zum Einatmen, vier Stufen zum Anhalten des Atems, vier Stufen zum Ausatmen und vier Stufen zum Atem anhalten.
Relativ ausführlich haben wir uns auch mit Yin Yoga beschäftigt.
Yin symbolisiert dabei das schwarze, weibliche Element; Yang das weiße, männliche.
Etwas Yin ist immer im Yang-Element und umgekehrt; symbolisiert durch kleine Punkte in schwarz bzw. weiß.
Yin und Yang repräsentieren dabei die Dualität, die zwei unterschiedlichen Charaktere in uns, die in Harmonie gebracht werden können und sich gegenseitig ergänzen.
Dabei haben wir fünf Asanas praktiziert: den Meditationssitz, die Herzöffnung mittels einer großen Rolle unter dem Rücken, die Drachenhaltung, den sogenannten Schwan und eine Twisthaltung.
Nicht zu vergessen das sogenannte Shavasana, die Ruhehaltung, die grundsätzlich nach den praktizierten Asanas geübt werden sollte.
Obwohl ich schon lange Yoga praktiziere, war es trotzdem sehr bereichernd, die Yogaeinheiten mit den drei Kriegern, der Berghaltung, dem herabschauenden Hund und der Kobra (um nur einige der praktizierten Asanas zu nennen) von Susan und Amy angeleitet zu bekommen.
Ab Donnerstag wurden wir auf unsere Abschlussprüfung am Freitag vorbereitet, was auch spannend zu beobachten war, da wir in Gruppen zusammenarbeiteten. Ich fertigte zusammen mit Teilnehmern aus Italien an der Ausarbeitung. In meiner Gruppe trafen unterschiedliche Herangehensweisen aufeinander. Gemeinsam konnten wir eine gelungene Ausarbeitung erstellen. Freitag fand dann nach der Meditation bei herrlichstem Wetter die Präsentation jedes einzelnen statt.
Nach bestandener Prüfung gab es dann die Zertifikate. Susan und Amy haben wohl noch nie so viele Fotos machen müssen.
Hier ein Video von der kleinen Feier, wo dann vor Freude auch noch getanzt wurde. 🙂
Abends hat sich dann der größte Teil der Gruppe in Amy’s Restaurant zum Essen getroffen.
Habt tausend Dank für alles und, dass ich das erleben durfte!
Gemeinsam in einer Gruppe von 12 Teilnehmenden (10 weiblich/ 2 männlich) aus verschiedenen europäischen Ländern (3 aus Lettland, 3 aus Spanien, 1 aus Polen, 1 aus Griechenland, 1 aus Kroatien, 1 aus Ungarn, 1 aus Finnland und 1 aus Deutschland) erkundeten wir in einem 5-tägigen Kurs die Möglichkeiten zu obigem Thema. Angeleitet durch intensiven Input, sowie zur praktischen Erprobungen aller vorgestellten Methoden wurden wir von Frau Marianna Paniagoutoudi. Sie stammt aus Griechenland und lebt in Italien. Der Kurs fand durchgehend auf Englisch statt.
Das Klima und die Kommunikation in der Gruppe war von Anfang an entspannt und freundlich. Die überwiegende Zahl der Kursteilnehmenden unterrichtet in den jeweiligen Heimatländern Kunst in Schulen, an der Universität, im Museum und/ oder bei öffentlichen Trägern wie der Volkshochschule.
Unsere Gruppe bei der Arbeit
Marianna, unsere Dozentin, unterrichtet auch an der Kunsthochschule in Rom. Sie ist sehr kompetent und konnte mit natürlicher Freundlichkeit sowohl vermitteln, als auch auf Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen und trug damit maßgeblich zu einer guten Stimmung innerhalb der Gruppe bei.
Obwohl aus ganz unterschiedlichen europäischen Ländern mit unterschiedlichen Kulturen und Anforderungen, war die Zusammenarbeit in der Gruppe harmonisch und auf Augenhöhe, auch im Hinblick auf Werte und Nachhaltigkeit und einer offenen Auffassung gegenüber Neuem und Anderem. Insbesondere Letzteres ist für die Auseinandersetzung mit dem Fokus des Kurses sehr wichtig.
Der Kurs „Kunst als Therapie, Selbstausdruck und besondere Bedürfnisse einzelner Zielgruppen im Kunstunterricht“ beschäftigte sich damit, wie Kunst genutzt werden kann, um Menschen zu unterstützen, ihre Gefühle und Gedanken auszudrücken, insbesondere wenn sie sich verhaltensauffällig zeigen, um sie nach Möglichkeit in den Unterricht zu integrieren.
Im Mittelpunkt stand die Idee, dass Kunst eine therapeutische Wirkung haben kann, indem sie Menschen hilft, sich selbst besser kennenzulernen, emotionale Belastungen zu verarbeiten oder soziale Kompetenzen zu stärken. Der Kurs zeigte, wie man Kunst im Unterricht gezielt einsetzen kann, um auf die individuellen Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen einzugehen, zum Beispiel Kinder mit besonderen Förderbedürfnissen, Menschen mit Behinderungen oder psychisch belastete Personen. Exemplarisch bezogen wir uns hier auf Kursteilnehmende mit ADHS, Autismus oder Depression.
Dabei wurden Methoden und Ansätze vermittelt, wie man kreative Prozesse so gestaltet, dass sie unterstützend wirken, ohne den künstlerischen Ausdruck einzuschränken. Es geht also um die Verbindung von Kunst, Therapie und pädagogischer Arbeit, um Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern und ihnen einen Raum für Selbstentfaltung zu bieten.
Wichtig war hier die Abgrenzung:
Kunst als Therapie bezieht sich auf die Nutzung von kreativen Aktivitäten, wie Malen, Zeichnen oder Basteln, um das Wohlbefinden zu fördern, Stress abzubauen oder einfach Freude zu erleben. Dabei steht die persönliche Erfahrung und der Spaß am kreativen Schaffen im Vordergrund. Es ist oft informell und kann selbstständig oder in Gruppen erfolgen, ohne dass ein speziell ausgebildeter Therapeut beteiligt ist. Kunsttherapie hingegen ist eine professionelle therapeutische Methode, bei der speziell ausgebildete Kunsttherapeutinnen und -therapeuten kreative Prozesse gezielt einsetzen, um psychische, emotionale oder soziale Probleme zu behandeln. Hierbei wird die Kunst aktiv in den therapeutischen Prozess eingebunden, um unbewusste Gefühle, Konflikte oder Verhaltensmuster sichtbar zu machen und zu bearbeiten. Die Kunsttherapie folgt einem therapeutischen Konzept und wird meist in einem geschützten Rahmen durchgeführt. Während Kunst als Therapie eher eine selbstständige, informelle Nutzung von Kreativität zur Förderung des Wohlbefindens ist, ist Kunsttherapie eine professionelle, gezielte Behandlungsmethode, bei der Kunst als Werkzeug in einem therapeutischen Kontext eingesetzt wird. In unserem Kurs ging es um die Einsatzmöglichkeiten im Bereich Kunst als Therapie.
Hierzu einige Beispiele:
Kunsttherapeutische Tools im Unterricht können sehr vielfältige Zielgruppen unterstützen. Neben verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen in inklusiven Settings profitieren auch Erwachsene erheblich von diesen Methoden, besonders wenn sie Symptome von ADHS, Autismus oder Depression aufweisen.
Diese Methoden bieten einen niederschwelligen Zugang zur Selbsterfahrung und Selbstregulation, indem sie helfen, die oft komplexen und emotional belastenden Themen kreativ auszudrücken.
Bei ADHS kann beispielsweise das bewusste, achtsame Zeichnen („Mindful Dooddling“) den Kindern helfen, sich zu fokussieren und zur Ruhe zu kommen.
Menschen mit Autismus können von strukturierten, repetitiven Aktivitäten wie der Gestaltung von Mandalas und Zendoodles profitieren, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Ordnung vermitteln.
Bei Depressionen ermöglicht das Arbeiten an Themen wie dem „Garten des Selbst“ den Betroffenen, ihre inneren Ressourcen und verborgenen Kompetenzen zu erkennen und zu aktivieren:
z.B. ‚Garten des Selbst‘ – Blätter, Wurzeln, Blüten und Samen/Triebe repräsentieren die individuelle Gegenwart/Entwicklungsmöglichkeiten des Zeichnenden, Unkraut repräsentiert Behinderungen der Entwicklung.
Diese kunsttherapeutischen Ansätze bieten einen individuell angepassten Zugang, der nicht nur die ästhetische und kreative Auseinandersetzung fördert, sondern auch den emotionalen und sozialen Austausch unterstützt. So trägt der Einsatz dieser Tools im Unterricht dazu bei, einen Raum zu schaffen, in dem sich alle Beteiligten – ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene – auf ihre eigene Art und Weise mit sich selbst und anderen verbinden können.
Eine weitere Wahrnehmungsübung, um die Verbindung zu sich selbst zu fördern, stellte die Erstellung eines privaten ‚SINN‘ – Tagebuchs dar, das sich sowohl täglich der Sinneswahrnehmung ( z.B. Gerüche, visuelle Eindrücke, Geschmack, etc.) als auch dem Sinn einer Aktion ( z.B. Unterricht und dessen Ziel) widmen sollte.
Eine zusätzliche Möglichkeit ergibt sich durch spielerische Paarübungen in Bewegung, bei denen man sich aufeinander einstellt und so einen Bezug zu sich selbst und durch Empathie einen Bezug zum Gegenüber herstellt:
Zur Abrundung unternahmen wir nach Kursende am letzten Tag (neben dem Besuch vom Museum Barberini am Tag zuvor) eine dreistündige Wanderung durch den historischen Stadtteil Trastevere mit einer engagierten Führerin, die uns informativ das jüdische Viertel, sowie Kirchen wie St. Cecilia näherbrachte, unter deren Architektur Gewölbe mit alten Wohnsiedlungen zu sehen waren. Diese repräsentierten die damalige, antike, später zugeschüttete Wohnlage. Eine typische Situation für Rom, welche zur Folge hat, dass sich immer wieder neue Ausgrabungsorte ergeben.
Trastevere ,,Underground“ am letzten Tag
In diesem Kurs hatte ich die Möglichkeit, die Bedeutung von Kunst als Werkzeug zum therapeutischen Einsatz auf dem Weg zum Selbstausdruck kennenzulernen, bzw. auszubauen. Besonders wertvoll war für mich die Erfahrung, auf individuelle Bedürfnisse im Kunstunterricht eingehen zu können und dadurch meine kreativen Fähigkeiten sowie mein Selbstverständnis im Umgang mit auffälligen Zielgruppen weiterentwickeln zu können. Der (Erfahrungs-) Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern ist eine sehr wertvolle und verbindende Erfahrung – hier gab es viele Berührungspunkte, Vernetzung ist ein nachhaltiger Effekt. Ich bin gespannt auf die praktische Umsetzung des neu erworbenen Wissens hier vor Ort.
Unsere Gruppe (nicht ganz vollzählig) am letzten Tag. Im Vordergrund unsere Dozentin Marianna.
Ich komme aus Husum, was direkt neben dem Nationalpark Wattenmeer liegt. Unsere Gegend ist geprägt von Tourismus. Nachhaltigkeit, sowohl ökonomisch als auch ökologisch beschäftigt auch uns als Volkshochschule schon eine ganze Weile. Faire Produkte, faire Arbeits- und Lebensbedingungen, Nachhaltigkeit im Umgang mit der Natur, all das möchten wir auch an unsere Teilnehmenden weitergeben, aber ohne Verbote oder mit dem erhobenen Zeigefinger. Menschen für Ihre Umgebung zu begeistern und zu erklären „warum“, ist das Ziel. Nur was man versteht, kann man lieben, nur was man liebt, will man schützen. Also auf nach Teneriffa zu edu+, wo sehr viele Kurse zu diesem Thema angeboten werden.
Montag, 23.06.2025
Nachhaltigkeit und Outdoor- bzw. non-formal-teaching sind die Schlagworte meiner Mobilität.
Vom Plaza España sind wir zum 6 km entfernten Sandstrand gefahren, um uns dort vor Ort kennenzulernen. Wir sind eine Gruppe von 24 Teilnehmenden aus 6 Ländern. Manche sind Lehrende, andere gehören zu NGOs, denen es vor allem auch um das Thema Nachhaltigkeit geht. Viele der TN sind aus Portugal, sie bilden die größte und auch gemischteste Gruppe.
Brunnen zur Speicherung von Wasser
Nachdem wir erfahren haben, dass der Sand dort nicht „echt“, sondern von der Sahara in den 70er Jahren dorthin geschifft wurde, fuhren wir über Serpentinen nach oben und auf die andere Seite der Insel. Dort gibt es keinen Sand, nur raue Felsen. Dort haben wir gegessen und danach haben wir im Wald eine Schatzsuche veranstaltet. Zwischendurch haben wir gestoppt, um Waldbaden zu erleben, gelernt, wie das Wasser aufgefangen wird und wie kalt und windig es dort oben ist. Der Schatz war übrigens das Wasser, es kommt durch den Wind als Wolken zu den hohen Bergen und dort bleiben die Wolken hängen. Wir haben erlebt, was es mit der Natur auf Teneriffa macht, denn nur dort und auf Gran Canaria gibt es solch eine vegetative Vielfalt in den Kanaren.
Es gibt 1600 unterirdische Höhlen und 400 Brunnen für die Grundwasserversorgung. Dieses System soll besser geschützt werden, deshalb werden Meerwasser-Entsalzungsanlagen gebaut. Teneriffa hat bisher noch kein Problem mit Wasserknappheit, allerdings muss trotzdem gespart werden. Vor allem wenn viele Touristen auf der Insel sind, die auf 900.000 Einheimische kommen. 7.000.000 Besucher gibt es jedes Jahr. Dieser Entwicklung versuchen NGOs und Politik durch Information und neue Konzepte entgegenzuwirken.
Dienstag, 24.06.2025
Der heutige Tag startete mit einer Indoor-Session zu non-formalem Lernen. Wir haben zuerst den gestrigen Tag rekapituliert und festgestellt, was wir gelernt haben. Hier war neben Teamwork und dem Kennenlernen an sich, vor allem von dem Ort „Wald“ die Rede, dass Bäume wandern und vernetzt sind, sowohl über als auch unter der Erde, dass das Baden darin eine unglaublich gute Übung ist, um „runterzukommen“ und sich selbst zu spüren.
Die Lernform heißt „TORE“. Wir hatten ein Thema, die Tour war organisiert (Schatzsuche mit Stationen), es muss relevant für die Teilnehmenden sein und der Spaß darf nicht zu kurz kommen – enjoyable. Vor allem muss erklärt werden, warum man etwas wissen muss. Provokation gehört dazu, um Menschen auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen. Diese Lernform hat Freeman Tilden für den US National Park Service beschrieben, er selbst war Ranger und Lehrer im Yellow Stone Nationalpark.
Das nächstes Thema war der Unterschied zwischen Gamebased-learning und Gamification. Javier zeigte uns viele Beispiele, wie dadurch erstens auf nachhaltige Themen aufmerksam gemacht werden kann (Wissen über die eigene Umwelt erzeugt Liebe zur Natur, erzeugt Bereitschaft, diese zu schützen). Was passiert also da draußen im Meer mit dem Fisch, wieso beinhaltet er Mikroplastik? Was passiert mit verschmutzten Stränden? Challenges und Spiele, die durchaus mit Aha-Effekten enden (Spiegel in der Schatztruhe auf die Frage, wer kann die Umwelt retten). Außerdem bieten sich solche Aktivitäten auch bei inklusiven Projekten an, da jeder Einzelne auf seine Art Erfolg haben kann und es letztendlich auch immer um das gesamte Team und den Erfolg für das gesamte Team geht.
Nach der Pause waren wir wieder gefordert. Der Unterricht wurde wieder nach draußen verlagert. Nach einem Energizer, der am Ende vier Teams bestimmte, mussten wir verschiedene Fragen beantworten und selbst im Team für alle anderen Teams eine Challenge kreieren.
Mittwoch, 25.06.2025
Heute Morgen ging es für unsere Gruppe in den Teide-Nationalpark. Zuerst erwarteten uns Wolken und Kälte. Wir bekamen einen Überblick über die Vegetationsstufen von Teneriffa. Außerdem lernten wir, dass Pinien durch Waldbrände nicht sterben, sondern das zu Anlass nehmen, neue Samen zu produzieren und vermehrt zu wachsen. An unserem nächsten Halt haben wir erst die einzelnen Kanarischen Inseln gepuzzelt, dann waren wir Vulkane und lernten dadurch in welcher Reihenfolge die Inseln entstanden sind. Es war ein großartiges Bewegungsspiel, welches mir in Erinnerung bleiben wird. Alles fand dann schon über den Wolken statt – faszinierend. Leider musste ich feststellen, dass auch hier die Raucher nicht davor zurückschreckten, ihre Kippen zu verteilen. Ich habe auch gefragt, warum keine Mülltonnen am Aussichtspunkt sind: Diese wurden abgebaut, da die Menschen ihren Müll auch in volle Behälter und daneben geschmissen haben, so nehmen sie ihn mit, das klappt wohl besser – bis auf die Kippen.
Im Nationalpark angekommen lernten wir durch Theater, wie die kleine Spitze auf den Teide gekommen ist. Ein Mythos von vor tausend Jahren besagt, dass im Vulkan ein Monster lebt, welches neidisch darauf ist, dass die Ureinwohner der verschiedenen Königreiche sich am Ende des Sommers trafen und ein großes Fest abhielten. Also stahl es die Sonne. Nun war es am Wind, gegen das Monster zu kämpfen. Dieser schaffte es und zwang das Monster zurück in den Vulkan. Damit es nicht wiederkommt, wurde ein Deckel aufgesetzt.
Natürlich ist heute alles naturwissenschaftlich zu erklären, aber man lernt besser durch eigene Beteiligung. Zum Schluss haben wir noch eine wundervolle Pflanze kennengelernt, welche es nur auf den Kanaren gibt. Sie heißt Kanaren-Natternkopf und ist wunderschön und dient Wildbienen als Nahrungsquelle, denn davon gibt es sogar Honig. Ihr Erscheinungsbild verändert sich, je näher man kommt.
Donnerstag, 26.06.2025
Heute besuchten wir das SOS Kinderdorf in Santa Cruz, es ist sehr weit oben gelegen und man hat einen fantastischen Ausblick. Wir waren aber vor allem wegen des Nachhaltigkeitsaspektes hier.
Das Dorf versucht so autark wie möglich zu sein, so gibt es einen Garten, in dem Gemüse und Obst angebaut werden und Solar auf jedem Dach, darüber wird auch die Warmwasserversorgung gewährleistet. In den Häusern wohnen eine Anzahl von Kindern mit einer ausgebildeten Betreuungsperson. Es gibt einen Wettbewerb zwischen den Häusern, welches am wenigsten Energie verbraucht, der Gewinner erhält etwas, was dann wieder für die Weiterentwicklung des Hauses benutzt werden kann. Wir konnten dann Häuser bewundern, die auf der Öko-Farm mit natürlichen Rohstoffen hergestellt worden sind – immer als Teamarbeit zusammen mit Profis. Unser Gruppenfoto wurde in einem Dom aufgenommen, in dem viel mit autistischen Menschen gearbeitet wird, es ist eine sagenhafte Akustik und die Materialien sind an sich schon beruhigend. Auch Yoga für Menschen mit Down-Syndrom wird dort durchgeführt.
Im Moment wird gerade an einer Wegführung zum Dom mit Gehwegfließen, die dort vor Ort mit natürlichen Materialien hergestellt werden, gearbeitet. Im Sommercamp arbeiten junge Erwachsene aus schwierigen Verhältnissen zusammen mit Freiwilligen aus anderen Ländern zusammen. Sie lernen etwas Substanzielles und wissen, dass sie Teil des Ganzen sind. Sie haben am Ende Werte geschaffen, die andere sich später noch anschauen können.
Sowohl Tonziegel als auch Fliesen werden aus organischem Material hergestellt, wir durften diesen Prozess begleiten. Wir durften bei der Schreinerwerkstatt zuschauen, wie eine neue Art von Schließsystem für Fenster erprobt wurde und haben ein Haus gesehen, welches aus Stroh vermischt mit Tonerde errichtet wurde. Auch hier wurden nur natürliche Materialien verwendet und wir konnten uns anschauen, wie die Füllung, die verputzte Wand und die versiegelte Wand aussah. (Die Technik der Versiegelung mit Öl kennt man aus Marokko, wo die Bäder so versiegelt werden. Fun fact: Die Arbeit des Versiegelns dauert etwas länger, so dass man Zeit hat, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich gegenseitig kennenzulernen.
Freitag, 27.06.2025
Zum letzten Mal treffe ich meinen Kurs auf der wunderschönen Insel Teneriffa. Ich habe hier nicht nur einen tollen Kurs, sondern auch eine liebenswerte Insel kennengelernt. Wir treffen uns noch einmal draußen, um auf spielerische Art und Weise etwas aus der Geschichte der Insel zu lernen.
Bevor die Spanier im Jahr 1492 die Insel annektierten, lebten dort die sogenannten Guanchen. Wir erfuhren, wie die Eroberung vonstattenging. Aufgrund der spanischen Kolonisation überlebten die Guanchen als Ethnie kaum, allerdings ist sie in den heutigen Insulanern immer noch zu ca. 40 Prozent nachzuweisen. Vor allem die Frauen wurden von den Spaniern „integriert“. Heutzutage werden in Ausgrabungen immer wieder Beweise dieser Geschichte gefunden. Im Museum für Geschichte in Santa Cruz wird darüber berichtet.
Nachhaltigen Tourismus auf der Insel zu implementieren ist schwierig. Es gibt eine Reihe von kleinen NGOs, die den Tourismus nachhaltig gestalten wollen, mit fairen Preisen für die nationale Bevölkerung, die oft in der Tourismuswirtschaft arbeitet, zum Beispiel mit Wandertouren auf den Bergen oder in den Wäldern. Eine neue Art des Tourismus ist, dass Menschen kommen und helfen, die Insel (und auch das Meer) zu säubern. Auch hierbei wird mit non-formalen Lernmethoden gearbeitet, z.B. mit Escape-Room-Spielen.
Es war eine ereignisreiche Woche mit einer tollen Gruppe, die in mir einiges bewirkt hat, vor allem hat sie mich zur Selbstreflexion zum Thema Nachhaltigkeit angeregt. Ich habe viele Formen des Outdoor-Lernens kennengelernt, die Einfluss auf unsere Arbeit hier an der vhs Husum haben können.
Ich bin sehr dankbar, dass ich an diesem Erasmus+-Kurs teilnehmen durfte.
Wie schön, dass ich erneut mit einer Erasmus+Mobilität unterwegs sein und an einer interessanten Fortbildung teilnehmen kann!
Da ich seit dem vergangenen Sommer meine Lehrtätigkeit ausgeweitet habe und mich mit mehreren Kursen an der vhs-Kunstschule und in der Grundbildung für die Vermittlung demokratischer Werte stark mache, suchte ich nach einer Möglichkeit, mich in diesem Bereich fortzubilden. Als ich entdeckte, dass die Europass Teacher Academy einen Kurs mit dem Thema „Global Education and Critical Media Literacy“ anbot und ich u.a. das durchweg positive Feedback bisheriger Absolventen las, bewarb ich mich erneut beim Landesverband der Volkshochschulen um eine Teilnahme am Erasmus+ Programm explizit für dieses Kursangebot. Und Spanien im Frühling schien mir als Reiseziel sehr verlockend.
Leider hätte die Fahrt mit dem Zug von Kiel nach Sevilla mit 36 Stunden den zeitlichen Rahmen gesprengt. Also entschloss ich mich, auf green travelling zu verzichten und nur bis Frankfurt mit dem Zug zu fahren, um von dort am Ostersonntag Morgen mit einem Direktflug nach Sevilla zu fliegen. Ich landete pünktlich um halb zwölf und war kurz nach halb eins bei meiner Airbnb-Unterkunft. Sie ist nur zwei Minuten zu Fuß vom Unterrichtsort entfernt und liegt im malerischen Altstadtviertel.
Nachdem ich meinen Koffer abgestellt hatte, machte ich mich gleich auf den Weg, um die vielen kleinen Gassen zu erkunden. An einer Straßenecke standen eine ganze Menge Passanten und schienen auf etwas zu warten. Ich gesellte mich zu ihnen, bekam einen ersten Eindruck von den Einheimischen (die Touristen waren ein Stück weiter rund um die Kathedrale zu finden) und wurde mit dem Schauspiel einer traditionellen Osterprozession belohnt.
Bei meiner weiteren Erkundungstour kam ich bei der Kathedrale Santa Maria de la Sede mit der Giralda und den Palast Alcazar vorbei, spazierte durch den Maria Luisa Park, der anlässlich der Iberoamerikanischen Ausstellung 1929 angelegt wurde und lief am Ufer des Flusses Guadalquivir entlang zurück zur Altstadt. Im Gewirr der kleinen Gassen verirrte ich mich, dank Google Maps fand ich aber zurück zu meiner Unterkunft, wo ich die Abendsonne auf der Dachterrasse genoss.
Montag, 21. April 2025
¡Buenas dias!
Heute war unser erster Unterrichtstag. Wir sind eine sehr kleine Gruppe mit nur fünf Teilnehmerinnen: Pryanca aus Leeuwarden in den Niederlanden, eine junge Lehrerin der internationalen Schule, die hauptsächlich Schüler mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung unterrichtet. Und drei befreundete Lehrerinnen, die aus der nordgriechischen Stadt Drama kommen. Sie unterrichten dort an einer weiterführenden Schule mit dem Schwerpunkt Musik. Ich bin die einzige Teilnehmerin aus dem Bereich der Erwachsenenbildung, aber da es bei dem Thema „Global Education“ um generelle Grundzüge des Lernens geht fühle ich mich in der Gruppe gut aufgehoben.
Dazu trägt im Wesentlichen unsere Kursleiterin Blanca Gallego bei. Sie achtet sehr auf eine angenehme und effektive Lernatmosphäre und lässt genügend Raum für die Fragen und Beiträge von uns Teilnehmerinnen.
Nachdem wir uns gegenseitig unsere Institutionen vorgestellt hatten, an denen wir unterrichten, gab uns Blanca einen Überblick über die Inhalte der Fortbildung und erklärt aus neurowissenschaftlicher Sicht, wie unser Gehirn beim Lernen funktioniert.
Heute habe ich u.a. gelernt:
Wie Lernen gelingt und was den Lernprozess beeinträchtigen kann
Handschriftliche Notizen sind effektiver und bleiben besser im Gedächtnis als in die Tastatur getippte.
Notizen machen einen Sinn, wenn man ihnen einen Verwendungszweck zuordnet.
Lernen erfolgt nicht nur auf rationaler Ebene, es gibt eine emotionale Intelligenz, die ebenfalls Einfluss auf den Lernerfolg hat.
Was das Lernen beeinträchtigen kann: Unsicherheit, Vergleich mit anderen, kein Platz für Autonomie, (das Gefühl von) Ungerechtigkeit
Am Nachmittag unternahm ich einen weiteren Stadtspaziergang durch schmale Gassen, großzügige Architektur und an touristischen Sehenswürdigkeiten vorbei. Ich setzte auf dem Weg eine Aufgabe um, die ich gelegentlich meinen Kursteilnehmern stelle: Alle 20 Schritte ein Bild machen und dabei dem Zufall überlassen, worauf der Blick fällt. Der krönende Abschluss war eine Flamencotänzerin, die als Straßenkünstlerin die Passanten verzauberte.
Dienstag, 22.April 2025
¡Hola!
Der zweite Kurstag begann mit folgender Übung:
Wir hatten zehn Minuten Zeit aufzuschreiben, was uns vom Unterricht am Tag zuvor in Erinnerung geblieben war – und warum wir es uns gemerkt haben.
Blanca erklärte uns an diesem Beispiel, wie unser Gedächtnis funktioniert und wir trugen die Faktoren zusammen, die den Lernprozess begünstigen.
Wir sprachen über die Entwicklung des Gehirns bei Kindern und Erwachsenen. Lebenslanges Lernen ist möglich, man kann das Gehirn trainieren, ähnlich wie unsere Muskeln.
Als nächstes analysierten wir die Mittel für eine effektive Kommunikation, lernten unterschiedliche Kategorien von Kreativität kennen und erfuhren, auf welchen Ebenen Lernen stattfindet, bis man das Erlernte selbstverständlich und ohne lange nachzudenken anwenden kann.
Aber nicht nur das Lehren und Lernen steht im Fokus unserer Überlegungen, sondern auch das kritische Denken, wie wir es bei uns selbst und bei unseren Schülern entwickeln können, z.B. indem wir sinnvolle Fragen stellen.
Blancas Unterricht ist zwar vollgepackt mit Informationen, aber nie langweilig. Sie bezieht an vielen Stellen die Fragen, Beiträge und Erfahrungen der Teilnehmerinnen ein, hat eine sehr lebendige Art, ihr Wissen zu vermitteln und obwohl wir teilweise sehr ernste Themen besprechen, lachen wir viel.
Nach dem Unterricht benötigte ich erstmal eine Pause auf der Dachterrasse meiner Unterkunft, bevor ich zum nächsten Streifzug durch die Stadt aufbrach. Eigentlich wollte ich zum Museum für zeitgenössische Kunst an dem anderen Ufer des Flusses. Auf dem Weg dorthin kam ich am Museum Casa Fabiola vorbei und entschied mich spontan für einen Besuch der Ausstellung. Neben spanischer Malerei aus dem 19. Jahrhundert und einer Sonderausstellung des Modeschöpfers Antonio Garcia gibt es eine Abteilung mit Jesusstatuen, die für eine norddeutsche Protestantin seltsam anmuten.
Danach setzte ich meinen Weg fort und landete im Stadtteil Triana, einem ehemaligen Arbeiterviertel, das aber auch einen Anteil von großzügiger fin de siècle-Architektur aufweist.
Das Museum für zeitgenössische Kunst habe ich leider nicht gefunden, so habe ich mich stattdessen durch die abendliche Stadt treiben lassen und beobachtet, wie sich nicht nur das Stadtbild im Abendlicht veränderte, sondern auch die Erscheinung der Passanten, die zum Abendessen ausgingen.
Mittwoch, 23. April 2025
¡Buenos dias!
Heute besprachen wir als erstes unsere „Hausaufgabe“.
Wir sollten ein (Unterrichts-)Problem erfassen, überlegen, was wir ändern wollen und in einem Brainstorming mögliche Lösungsansätze zusammentragen.
Danach berieten wir mir Blanca, welche Lösungen passend sind und wie sie zustande kommen, ob sie von unserem emotionalen oder rationalen Denken bestimmt sind.
Der nächste Themenkomplex handelte vom kritischen Umgang mit Narrativen.
Wir verglichen allgemein bekannte Geschichten (z.B. die Schöpfungsgeschichte oder Märchen und Sagen etc.) in verschiedenen Religionen und Kulturkreisen.
Die Hauptelemente solcher Geschichten sind meistens folgende Merkmale:
Der Charakter der Geschichte – was ist die Hauptaussage?
Der Konflikt – welches Problem wird verhandelt?
Die Lösung – wie wird das Problem beseitigt?
Die Rahmenbedingungen – wo findet die Handlung statt?
Die emotionale Ebene – welche Gefühle werden angesprochen?
Die Lehre – was sollen wir daraus lernen?
Als nächstes diskutierten wir die Definition von Fake News und Blanca zeigte uns an dem Beispiel „Local school bans homework because kids are too lazy“ die Struktur von Fake News. Daraufhin suchten wir im Internet selbst nach Beispielen. Als ich auf meinem Smartphone Google aufrief, ploppte zum Beispiel diese Nachricht auf: https://www.karlsruhe-insider.de/verbraucher/durchgesickert-bundesweites-rasenmaeher-verbot-soll-kommen-242818. Sie besitzt viele manipulative Elemente und die Überschrift will Empörung hervorrufen, obwohl im Text die Aussage relativiert wird.
Zum Schluss stellte uns Blanca die Theorie menschlicher Werte nach Shalom H. Schwartz vor und gab uns einen Fragebogen, mit dem wir beantworten können, wie stark unser Unterricht auf den jeweiligen Werten basiert.
Am Nachmittag und Abend standen die „cultural activities“ der Erasmus+ Fortbildung auf dem Programm. Um 16 Uhr trafen wir uns mit einer Stadtführerin an der Plaza de Cuba, um eine zweistündige Walking-Tour durch das Stadtviertel Triana zu unternehmen. Vieles hatte ich gestern schon gesehen, heute bekam ich die Erklärung dazu. Danach war ich mit Pryanca und ihrer Mutter in einer Tapas-Bar, bevor es weiterging zu einer Flamenco-Show. Musiker, Sängerin und TänzerInnen boten eine einstündige leidenschaftliche Performance, von der wir alle sehr beeindruckt waren.
Donnerstag, 24. April 2025
¡Buenos dias!
Für den vierten Kurstag hatte sich Blanca etwas Besonderes ausgedacht: Wir trafen uns nicht an unserem Unterrichtsort, sondern im Museo de Bellas Artes.
Die erste Aufgabe bestand darin, für 30 Minuten durch das Museum zu laufen und ein besonderes Kunstwerk auszusuchen. Mindestens 80 Prozent der ausgestellten Werke sind sakrale Kunst und so fiel meine Wahl auf eine Jesusdarstellung, die sich sehr von den gängigen Bildmustern unterschied. Reihum stellten wir uns gegenseitig die ausgewählten Kunstwerke vor. Blanca fragte als erstes „Was seht Ihr auf dem Bild? Was stellt Eurer Meinung nach das Bild dar? Welche Gefühle ruft es hervor?“ Als nächster Schritt wurden Fragen gesammelt, die zum Narrativ des Bildes führen, wir analysierten das Gesehene und dachten uns gemeinsam Geschichten aus, die wir mit dem Bild erzählen könnten. Diese phantasieanregende Herangehensweise gefiel mir besonders gut. Nach einer kleinen Kaffeepause stellte uns Blanca die Methode der Denkhüte von Edward de Bono vor. Jede Teilnehmerin durfte sich einen Hut in einer bestimmten Farbe aussuchen. Blau steht für Analyse und Organisation, weiß für Fakten, rot für Emotionen, grün für Kreativität, schwarz für Skepsis und gelb für Optimismus.
Anhand des Gemäldes „¡Sin pan!“, 1905 von Manuel González Santos spielten wir die Problemlösung des dargestellten Themas anhand der unterschiedlichen Sichtweisen durch.
Nachdem wir zum Schluss ein Gruppenfoto im Innenhof des Museums aufgenommen hatten, verabschiedete sich Blanca und wir anderen gingen gemeinsam zum Archivo General de Indias, das wichtigste Dokumentationszentrum zur Entdeckung und Eroberung der neuen Welt.
Den restlichen Nachmittag verbrachte ich mit Angeliki, Angeliki und Adriadne, den drei Teilnehmerinnen aus Griechenland. Auf dem Weg und später in einer typischen lokalen Tapasbar diskutierten wir lebhaft über die politische Entwicklung in unseren Ländern und weltweit. Über die Rolle der Frauen tauschten wir uns anhand der eigenen Lebensgeschichten aus.
Am Abend drehte ich mit meiner Kamera noch einmal eine Runde durch die Straßen, vorbei an alter und moderner Architektur und vor allem genoss ich die Atmosphäre der lebendigen Stadt.
Freitag, 25. April 2025
¡Buenos dias!
Heute fand der fünfte und letzte Kurstag statt.
Wir waren alle etwas traurig, dass die Fortbildung schon zu Ende ging und dass wir uns von unserer Kursleiterin Blanca Gallego und von den anderen Kursteilnehmerinnen verabschieden mussten.
Bevor es soweit war, gab uns Blanca ein persönliches Feedback zu unserer „Hausaufgabe“ vom Mittwoch, basierend auf dem Wertemodell nach Shalom H. Schwartz: Welche Werte sind uns wichtig und wie setzen wir sie im Unterricht um? Was wollen wir aktiv ändern?
Blanca fasste noch einmal zusammen, welche Themen wir im Laufe der Fortbildung behandelt haben und wie wir sie im Unterricht sinnvoll einsetzen können:
Metacognition: Bessere Lernergebnisse durch ein sicheres emotionales Umfeld, aktives Zuhören, effektive Kommunikationsmuster, Feedback und Bestätigung
Globales Denken: Kraftvolle, offene Fragen und design thinking (Problemlösung ausgehend vom Nutzen für den Adressaten)
Geschichten erzählen und Geschichten ersinnen
Fake News und deren Analyse
Wertemodell nach Schwartz und die Relevanz der Werte für unseren Unterricht
Betrachtung von Kunstwerken oder visuellen Eindrücken nach dem Prinzip sehen – vorstellen – fühlen
das Prinzip der 6 Denkhüte
Stereotype und Gegenmaßnahmen
Zum letzten Punkt stellte uns Blanca eine Aufgabe:
Ein Problem benennen, das durch eine klischeehafte Meinung entsteht und eine Aktion überlegen, die als Gegenmaßnahme die Meinung in eine positive und förderliche Richtung lenkt.
Damit waren wir am Ende des Kurses angelangt. Wir füllten den obligatorischen Feedback-Fragebogen aus und bekamen in einer kleinen Zeremonie unsere Teilnahme-Zertifikate ausgehändigt.
Da die drei Teilnehmerinnen aus Griechenland ihren Zug nach Madrid nicht verpassen wollten, verabschiedeten sie sich rechtzeitig. Pryanca und ich hatten die Gelegenheit, mit Blanca weitere offene Fragen zu besprechen.
Ich nahm für mich selbst eine wichtige Erkenntnis mit: Gedanken, die mit „ich muss“ beginnen, versuche ich in Zukunft in „ich entscheide mich“ umzuwandeln. Ich bin gespannt, welche Auswirkung dies in meinem Alltag haben wird.
Den Nachmittag verbrachte ich mit Pryanca und ihrer Mutter im Marie Luise Park und auf der Plaza de España. Zum Abendessen trafen wir uns in der Bar Alfalfa, wo ich mit viel Geduld einen Platz für uns ergatterte und wir mit leckeren Tapas und typisch lokalem Lebensgefühl belohnt wurden.
Sonnabend, 26. April 2025
¡Hola!
Der heutige Tag stand mir gänzlich frei zur Verfügung.
Ich entschied mich gegen die Fahrt ins Umland und wollte lieber noch etwas Kulturprogramm in Sevilla genießen.
So stand am Vormittag der Besuch der reich verzierten Kirche del Salvador und der Kathedrale Santa Maria de la Sede, einer der größten Kirchenbauten der Welt, auf dem Programm.
Vom Glockenturm La Giralda genoss ich trotz einigem Gedränge die Aussicht über die ganze Stadt, die sich in unerwartetem Ausnahmezustand befand. Seit dem Morgen waren tausende von Fußballfans angereist, die nun in ausgelassener Stimmung durch die Straßen zogen. Sie hatten den ganzen Tag Zeit dazu, da das Spiel um die Copa del Rey erst um 22 Uhr begann und nach Mitternacht mit 3:2 für den FC Barcelona gegen Real Madrid entschieden wurde. Abseits des Trubels besuchte ich zwei Museen mit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst: Das Espacio Santa Clara und das Kloster Santa María de las Cuevas. Sie vertreten ein interessantes Konzept, moderne Kunst mit alten sakralen Orten zu verbinden.
Als ich bei Einbruch der Dunkelheit zurück zu meiner Unterkunft kam, hatte ich etliche Kilometer durch die Stadt zurückgelegt. Nach einer kleinen Pause drehte ich eine letzte Runde durch das mir inzwischen vertraute Viertel und war mir sicher: Ich möchte wiederkommen nach Sevilla, in diese besondere Stadt!
Sonntag, 27. April 2025 – Rückreisetag
¡Adiós, hasta la vista!
Am Vormittag hieß es, mich von Sevilla zu verabschieden.
Die Suche nach der Haltestelle für den Bus zum Flughafen war ein wenig aufregend, da die einheimischen Passanten, die ich nach dem Weg fragte, mich in verschiedene Richtungen schickten. Ich entdeckte durch Zufall die richtige Buslinie und der Fahrer war so freundlich auf mich zu warten.
Im Flugzeug freute ich mich über meinen Fensterplatz und beobachtete, wie sich unter mir die vor allem durch Agrarwirtschaft gestaltete Landschaft veränderte. Außerdem nutze ich die drei Stunden Flugzeit, um in dem Buch „Gebrauchsanweisung für Spanien“ zu lesen, welche Erfahrungen mit dem Land der Autor Paul Ingendaay zusammengetragen hat. Nach den eigenen Eindrücken ist dies eine Erweiterung des Blicks auf das Erlebte und die Konfrontation mit den Themen und Problemen der spanischen Gesellschaft jenseits der touristischen Highlights.
Ich kam pünktlich in Frankfurt an und konnte den Rest des Tages mit meiner Tochter und ihrer Familie genießen.
Der letzte Teil der Rückreise nach Kiel am Montag erforderte Geduld, denn der ICE sammelte auf der Strecke von Frankfurt nach Hamburg 100 Minuten Verspätung. Als ich in den Nachrichten vom großen Stromausfall in Spanien las, war ich froh, dass ich schon einen Tag zuvor zurückgeflogen und somit meine Rückkehr nicht davon betroffen war.
Ich bin sehr dankbar, dass ich erneut an einer Erasmus+ Fortbildung teilnehmen konnte. Ich fühle mich in meiner Art zu unterrichten bestätigt, habe aber auch neue Möglichkeiten und Methoden kennengelernt, die ich in meinen Unterricht und den Umgangen mit Kursteilnehmenden einfließen lassen möchte. Ich kann auch persönlich von dem Gelernten profitieren und sicherlich im Alltag davon einiges weitergeben.
Am Freitag, den 02. Mai 2025, flogen meine Kollegin und ich vom Flughafen Hamburg nach Rom.
Der Flug verlief reibungslos, die Landung ebenso. In Rom erwartete uns ein angenehmes, sonniges Wetter. Ich hatte im Voraus ein Hotel in der Nähe der Europass Teacher Academy gebucht: das Hotel St. Moritz in der Via Nazionale. Die Akademie ist von dort fußläufig in 10 bis 15 Minuten erreichbar, und auch viele der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt lassen sich bequem zu Fuß erkunden. Das machte die Anreise sehr entspannt. Nach dem Einchecken machten meine Kollegin Frau Qaser und ich einen ersten Spaziergang durch die Innenstadt und genossen ein Abendessen in einem regionalen Restaurant.
Am Samstag ruhten wir uns zunächst etwas aus, bevor wir gegen Mittag Richtung Vatikan aufbrachen. Der Besuch war mir besonders wichtig, da ich bereits einmal in Rom war und diese besondere spirituelle Atmosphäre erneut erleben wollte.
Religiöse Orte faszinieren mich seit jeher, insbesondere auch im interkulturellen Kontext. Ich habe in meinem Leben mit Gläubigen verschiedener Religionen – Hinduismus, Islam, Christentum, Buddhismus – gemeinsam gebetet. Trotz mancher Zurückhaltung nach dem Tod von Papst Franziskus war der Vatikan gut besucht. Besonders beeindruckte mich das Zusammenspiel von Religion, Geschichte und Symbolik. Der Besuch der Sixtinischen Kapelle war bewegend, auch weil ich dort erfuhr, dass mumifizierte Leichname früherer Päpste noch ausgestellt sind.
Am Sonntag nutzten wir das Angebot, am ersten Sonntag des Monats historische Orte kostenlos zu besichtigen. Für das Pantheon mussten wir rund 40 Minuten anstehen, für die Engelsburg sogar etwa 85 Minuten. Besonders eindrucksvoll war die Engelsbrücke mit ihren Skulpturen, die Szenen aus der Passion Christi darstellen. Die Engelsburg selbst gab Einblicke in Roms militärische und architektonische Geschichte.
Montag, 05. Mai 2025 – Seminarbeginn
Der Tag begann früh. Um 06:00 Uhr klingelte der Wecker. Nach einem einfachen, aber ausreichenden Frühstück ging es gemeinsam mit meiner Kollegin zur Europass Teacher Academy. Dort begrüßte uns die Dozentin, Frau Christina Waymark.
Der Unterricht begann aufgrund von Verzögerungen erst um 09:38 Uhr. Insgesamt nahmen zuerst sechs Personen teil:
1. Ich selbst (Deutschland)
2. Frau Qaser (Deutschland)
3. Eine Kollegin aus der Berliner VHS (Verwaltung)
4. Zwei Lehrerinnen aus Portugal (eine mit Schwerpunkt auf Migrantenbildung)
5. Ein Lehrer aus Valencia, Spanien
Zwei Teilnehmende kamen mit rund 49 Minuten Verspätung. Die Dozentin stellte sich zunächst auf Italienisch vor, was einige Teilnehmerinnen aus Portugal gut verstanden. Auch Frau Qaser konnte vieles durch nonverbale Hinweise erfassen.
In der ersten Übung stellten wir uns gegenseitig in der eigenen Muttersprache vor. Ich sprach zunächst Deutsch, dann Persisch. Erstaunlicherweise verstand mich meine Partnerin gut. Weitere Aufgaben umfassten nonverbale Kommunikation, das Erraten von Geburtsdaten und eine kreative Runde mit persönlichen Notizen auf Zetteln. Ich notierte: „Ich kann altpersische Texte lesen.“
Diese Methoden verfolgten mehrere Ziele: das gegenseitige Kennenlernen, die Förderung von Offenheit und das Hinterfragen von Vorurteilen. Besonders wichtig war die Reflexion über stereotypisierende Denkweisen. Nur weil jemand aus den Niederlanden stammt, sollte man ihn nicht vorschnell mit bestimmten Klischees wie Drogenkonsum in Verbindung bringen.
Nach einer Pause mit Kaffee und Snacks begann eine erste Gruppenpräsentation aus Portugal.
Zudem lernten wir eine App kennen, die uns im Laufe der Woche begleiten wird.
Dienstag, 06. Mai 2025 – Zweiter Seminartag
Der zweite Tag des Seminars begann erneut früh. Um 06:00 Uhr stand ich auf, bereitete mich vor und nahm ein einfaches, aber gutes Frühstück im Hotel ein. Ich entschied mich für einen Americano. Der Kaffee in Rom unterscheidet sich deutlich von dem in Deutschland – er ist intensiver, stärker im Geschmack und sorgt für einen schnellen Start in den Tag.
Der Unterricht an der Europass Teacher Academy begann pünktlich. Die Gruppe arbeitete heute an einer Reihe von Aufgaben zur Selbstreflexion und Unterrichtspraxis.
Eine zentrale Übung bestand darin, zwischen drei Kategorien zu unterscheiden:
Was kann ich im Unterricht gut kontrollieren?
Was kann ich mittlerweile gut beeinflussen?
Worauf habe ich kaum oder keinen Einfluss?
wir analysierten verschiedene Faktoren:
Gut kontrollierbar: Klassenzimmergestaltung, Unterrichtsmaterialien, Strukturierung des Unterrichts, Wahl geeigneter Methoden
Mittlerweile gut beeinflussbar: Integrationsthemen (z. B. durch interkulturelle Erfahrungen), individuelles Lernverhalten, Methodenvielfalt
Nicht kontrollierbar: Persönlicher Hintergrund der Schüler*innen, Häusliche Lernbedingungen, Gesetzliche Vorgaben
Eine besonders interessante Übung befasste sich mit tierischen Lauten in unterschiedlichen Sprachen. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich Sprache klingen kann, selbst bei einfachen Dingen wie Tiergeräuschen. Ziel war es, die Bedeutung von Mimik, Gestik und nonverbaler Kommunikation im interkulturellen Kontext hervorzuheben.
Im Anschluss diskutierten wir Konstellationen im Klassenzimmer – wer sollte neben wem sitzen, wenn beispielsweise neu zugewanderte Kinder aus der Ukraine unterrichtet werden. Es wurden verschiedene Szenarien vorgestellt (Ukraine – Ukraine, Ukraine – Deutschland, Ukraine – Türkei), mit dem Ziel, sowohl Sicherheit als auch Integration zu fördern. Die gemeinsame Aufgabe mit Frau Qaser in dieser Phase der Gruppenarbeit war konstruktiv und ermöglichte interessante Perspektiven.
Ein weiteres Highlight war das sogenannte „Clown-Spiel“. Drei Gegenstände (Stuhl, Marker, Pappbecher) wurden mit bestimmten Bewegungen kombiniert. Eine Person (der „Clown“) verließ den Raum, während die Gruppe Aktionen mit den Gegenständen entwickelte. Zurück im Raum, musste der Clown die Aktionen erraten – nur mithilfe nonverbaler Hinweise. Diese Übung zeigte eindrucksvoll, wie auch ohne Sprache ein Lernprozess und eine Vertrauensbasis geschaffen werden können.
Im Anschluss hielten weitere Teilnehmende ihre Präsentationen:
Eine Kollegin aus Berlin berichtete über ihre Arbeit im Servicezentrum der Berliner Volkshochschulen mit Schwerpunkt Diversität, Integration und Inklusion.
Zwei Teilnehmende aus Rumänien stellten sich und ihre Arbeit vor, unterstützt durch zwei Kolleginnen aus einer anderen Gruppe.
Der Tag endete mit einem gemeinsamen Mittagessen in der Stadt. Ich entschied mich für eine klassische Pizza Margherita.
Mittwoch, 07. Mai 2025 – Dritter Seminartag
Wie gewohnt begann der Tag früh mit einem Frühstück und dem Fußweg zur Europass Teacher Academy. Der Unterricht startete pünktlich. Inhaltlich lag der Schwerpunkt heute auf interkulturellem Lernen, kultureller Identität sowie dem bewussten Umgang mit kulturellen Unterschieden im Bildungsbereich.
Als Einstieg erhielten alle Teilnehmenden die Aufgabe, ein Kulturelement auf einen kleinen Zettel zu schreiben.
Ich entschied mich für das Element „Sprache“.
Anschließend stellte die Dozentin das Eisbergmodell der Kultur nach Edward T. Hall (1967) vor. Dieses Modell unterscheidet zwischen sichtbaren (z. B. Kleidung, Architektur, Essgewohnheiten) und unsichtbaren (z. B. Werte, Verhaltensregeln, Überzeugungen) Kulturelementen. Die Diskussion verdeutlichte, dass viele Missverständnisse zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aus jenen Aspekten entstehen, die unterhalb der „Wasserlinie“ liegen – also nicht unmittelbar sichtbar sind. So berichteten Teilnehmende etwa über verschiedene Vorstellungen zu Nähe und Körperkontakt oder darüber, wann und wie Geschenke überreicht werden.
Ein besonders relevantes Beispiel aus dem deutschen Kontext war meine Erläuterung zur Regel, dass Geschenke im Wert von mehr als fünf Euro im öffentlichen Dienst zu melden sind – ein Aspekt, der bei anderen Teilnehmenden für Überraschung sorgte.
Vertiefend wurde das Zwiebelmodell der Kultur vorgestellt, dass die Tiefenstruktur kultureller Identität in drei Schichten gliedert:
2. Mittlere Schicht – Normen und Werte: Höflichkeit, Kommunikationsstil, Umgang mit Autoritäten
3. Innere Schicht – Grundannahmen: Zeitverständnis, Gerechtigkeitsempfinden, religiöse Überzeugungen, Rolle des Individuums
Ich stellte die deutsche Kultur anhand dieses Modells vor. Als sichtbare Elemente nannte ich Pünktlichkeit und Ordnung, als Werte die direkte Kommunikation und die Wahrung von Privatsphäre. Bei den Grundannahmen betonte ich insbesondere das Vertrauen in Gesetze und Systeme sowie das Prinzip „Freiheit mit Verantwortung“.
Darüber hinaus erarbeiteten wir vier zentrale kulturelle Ausdrucksformen:
Symbol: Bundesadler
Held: Johann Wolfgang von Goethe
Ritual: Currywurst mit Pommes als alltägliches und verbindendes Element
Wert: Ordnung und Struktur
Anschließend sollten wir fünf Qualitäten benennen, die wir uns für unsere Schüler*innen wünschen. Ich entschied mich für:
1. Mut
2. Kompetenz
3. Gerechtigkeit
4. Optimismus
5. Stärke
Als zentrale Werte wählte ich Kompetenz und Optimismus. Mein Idealbild eines Schülers ist jemand, der seine Fähigkeiten kennt, mit Rückschlägen umgehen kann und mit Zuversicht in seiner Entwicklung voranschreitet.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Nachmittags war die Differenzierung zwischen expliziter und impliziter Kommunikation. Während explizite Kommunikation durch Klarheit und Direktheit (z. B. schriftliche Regeln) geprägt ist, basiert implizite Kommunikation auf unausgesprochenen Erwartungen, Körpersprache und kulturellen Andeutungen.
Diese Unterscheidung ist für den Schulalltag von großer Bedeutung, insbesondere im Umgang mit Lernenden aus verschiedenen Herkunftsländern.
Im letzten Teil des Tages verglichen wir individualistische und kollektivistische Gesellschaftsstrukturen. Es wurde deutlich, wie stark diese Modelle den schulischen Alltag beeinflussen – etwa bei der Einschätzung von Eigenverantwortung, Leistungsbewertung oder dem Umgang mit Konflikten.
Ein erfüllter, erkenntnisreicher Tag, der mir nicht nur neues Wissen vermittelt, sondern auch meine pädagogische Sensibilität weiter geschärft hat.
Nach dem Besuch der Vatikanischen Museen entschieden wir uns spontan, erneut den Petersplatz im Vatikan aufzusuchen. Es war der erste Tag nach dem Tod von Papst Franziskus, an dem die Kardinäle zum Konklave zusammengekommen waren – ein historischer Moment, den man nicht oft im Leben miterlebt.
Der Platz war voller Menschen. Gläubige, Tourist*innen, Kamerateams – alle warteten gespannt auf ein Zeichen. Ich freute mich, bei diesem seltenen und symbolträchtigen Ereignis selbst vor Ort sein zu dürfen. Die Atmosphäre war von Erwartung und Stille zugleich geprägt.
In diesem Moment erinnerte ich mich an den Film „Illuminati“. Die Szenerie auf dem Platz glich der letzten Szene des Films – das gleiche Licht, die gleiche Spannung, der Blick aller war auf den Schornstein der Sixtinischen Kapelle gerichtet.
An diesem Nachmittag stieg jedoch schwarzer Rauch auf – ein sichtbares Zeichen dafür, dass im Konklave noch keine Entscheidung getroffen worden war. Der neue Papst war noch nicht gewählt. Trotzdem war es ein zutiefst bewegender Augenblick, diese symbolische Handlung mit eigenen Augen zu erleben – Teil eines Geschehens, das weltweit beobachtet wird und doch in seiner stillen Dramatik ganz lokal spürbar war.
Donnerstag, 08. Mai 2025 – Vierter Seminartag
Der heutige Seminartag begann erneut pünktlich und thematisch konzentriert.
Der erste inhaltliche Schwerpunkt lag auf dem Phänomen des Kulturschocks.
Nach einer kurzen Einführung durch die Dozentin wurden persönliche Erfahrungen der Teilnehmenden besprochen. Eine Kollegin aus Portugal berichtete von sprachlichen Herausforderungen bei einem Aufenthalt in Frankreich. Ich selbst habe mich bewusst entschieden, an diesem Tag keine persönlichen Erfahrungen zu teilen.
Frau Qaser schilderte hingegen typische Reaktionen von Schüler*innen, die neu nach Deutschland kommen: Schwierigkeiten mit Pünktlichkeit und Anpassung an das Wetter.
Im Anschluss stellte die Dozentin die sogenannte Cultural Shock Curve vor, ein Modell zur Beschreibung der emotionalen Phasen während eines kulturellen Anpassungsprozesses.
Es umfasst u. a.:
Honeymoon-Phase: Neugier, Euphorie, erste Begeisterung
Anpassungsphase: Orientierung, erste Routinen, langsames Verständnis
Integrationsphase: Stabilität, Selbstverständnis im neuen Umfeld
Wir diskutierten anschließend, ob und wie Kulturschocks vermieden werden können. Ich wies darauf hin, dass man sie nicht vollständig verhindern kann, da sie oft aus der persönlichen Begegnung mit neuen Normen entstehen. Filme oder Bücher über das Gastland können vorbereiten, ersetzen jedoch keine reale Erfahrung.
Nach einem kollegialen Erfahrungsaustausch wurde das Konzept der Acculturation Strategies thematisiert. Es unterscheidet vier Strategien, wie sich Individuen in eine neue Kultur integrieren:
Integration: Gleichgewicht zwischen Herkunftskultur und Zielkultur
Assimilation: vollständige Anpassung an die neue Kultur, Aufgabe der eigenen
Separation: Rückzug in die eigene Kultur, Ablehnung der neuen
Diese Konzepte halfen uns, den Umgang unserer Schüler*innen mit kulturellen Herausforderungen besser zu verstehen.
Nach der Pause folgte ein weiterer Schwerpunkt: Unconscious Bias (unbewusste Voreingenommenheit). Wir erarbeiteten:
Was ist Unconscious Bias? Wie äußert sich dies im Klassenzimmer? Anhand von Beispielen wurden vier häufige Formen analysiert:
1. Affinity Bias: Bevorzugung von Menschen, die uns ähnlich sind
2. Perception Bias: Wahrnehmungsverzerrungen durch Vorannahmen
3. Halo Effect: Ein positives Merkmal überstrahlt andere Eigenschaften
4. Confirmation Bias: Informationen werden so gedeutet, dass sie vorhandene Meinungen bestätigen
Diese Verzerrungen beeinflussen Lernverhalten, Leistungsbeurteilungen und zwischenmenschliche Dynamiken unbewusst. Die Dozentin stellte das Buch „Thinking, Fast and Slow“ von Daniel Kahneman vor, das sich mit intuitivem versus reflektiertem Denken befasst.
Als methodischen Impuls zeigte sie Auszüge aus der Netflix-Serie „100 Humans“, die soziale Experimente auf unterhaltsame Weise darstellt – ideal zur Sensibilisierung für unbewusste Denkmuster.
Den Abschluss bildete die Reflexion über die 4 Cs des 21st Century Learning:
1. Creativity – eröffnet Perspektivenwechsel und fördert Empathie durch Ausdruck
2. Critical Thinking – hilft, Vorurteile zu hinterfragen und Handlungen zu verstehen
3. Communication– betont aktives Zuhören und Dialog als Basis für Mitgefühl
4. Collaboration – erfordert Rücksichtnahme und stärkt Empathie durch gemeinsame Zielverfolgung
Ein erkenntnisreicher Tag, der theoretische Konzepte und praktische Ansätze gelungen miteinander verbunden hat.
Freitag, 09. Mai 2025 – Fünfter und letzter Seminartag
Der letzte Tag des Seminars begann wie gewohnt pünktlich. Zu Beginn reflektierten wir gemeinsam die letzten Tage, insbesondere anhand der Fotos, die während des Seminars und bei unseren Exkursionen in Rom entstanden sind. Diese Rückschau diente der bewussten Auseinandersetzung mit unseren Eindrücken – sowohl inhaltlich als auch kulturell.
Anschließend stellte die Dozentin die App GooseChase vor. Es handelt sich um ein digitales Tool, das insbesondere im Sprachunterricht oder bei Exkursionen eingesetzt werden kann. Lehrkräfte können damit kreative Aufgaben („Missionen“) gestalten, die Lernende durch Fotos, Texte oder Videos bearbeiten. Die App fördert selbstständiges Erkunden, Sprachanwendung im Alltag sowie kollaboratives Lernen – ein interessanter Ansatz, besonders für projektorientierte Unterrichtsformen.
Im nächsten Themenblock diskutierten wir Filme, die verschiedene Seiten einer Persönlichkeit zeigen. Als Beispiel wurde u. a. der Film „Joker“ genannt. Wir reflektierten, wie Wahrnehmung, Lebensumstände und soziale Ausgrenzung das Verhalten und die Entwicklung eines Menschen beeinflussen können.
Im Anschluss wurden wir in Gruppen eingeteilt. Unsere Aufgabe war es, eine als „Bösewicht“ wahrgenommene Figur aus einem Film aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Unsere Gruppe wählte Albus Dumbledore aus der Harry-Potter-Reihe.
Die Diskussion drehte sich um seine moralischen Entscheidungen, seine Zurückhaltung gegenüber Harry sowie seine komplexe Vergangenheit im Zusammenhang mit Gellert Grindelwald. Ziel der Übung war es, Perspektivenwechsel zu üben und moralische Ambivalenz zu verstehen.
Danach führten wir ein Experiment durch: Eine Person sah ein kurzes Video nicht, während der Partner es beschrieb. Ziel war es, zu erkennen, wie unterschiedlich Informationen aufgenommen und interpretiert werden. Fazit: Man kann sich nicht allein auf Beschreibungen verlassen – Wahrnehmung ist subjektiv und durch Sprache begrenzt.
Nach der Pause befassten wir uns mit dem Thema Diskriminierung. Die Dozentin stellte die Definition der EU vor:
„Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund von Merkmalen wie Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, Alter, Behinderung oder sexueller Orientierung ungerecht behandelt wird.“
Im anschließenden Austausch diskutierten wir Beispiele aus dem gesellschaftlichen Alltag, etwa:
Bewerbungsverfahren, bei denen Menschen mit Migrationshintergrund trotz gleicher Qualifikation benachteiligt werden.
Vermietung von Wohnungen, bei denen Bewerber*innen ohne deutsche Namen oft seltener eine Zusage erhalten.
Zum Abschluss sprachen wir noch einmal über die bereits bekannten 4 Cs (Creativity, Critical Thinking, Communication, Collaboration) und deren Relevanz im Schulalltag.
Nach einer Feedbackrunde zur Seminarwoche und zur Arbeit der Dozentin wurden uns feierlich die Teilnahmezertifikate überreicht.
Der Kurs war inhaltlich fundiert, methodisch abwechslungsreich und praxisnah gestaltet – eine wertvolle Fortbildung für unsere pädagogische Arbeit.
Unsere Reise begann mit einem angenehmen Flug von Hamburg in die Ewige Stadt – Rom.
Schon bei der Ankunft empfing uns die Stadt mit strahlendem Sonnenschein und wohltuender Wärme. Ich hatte mir ein nettes Hotel St. Moritz in der Via Nazionale bereits im Voraus gebucht und machte mich direkt auf den Weg dahin.
Die zentrale Lage erwies sich als wahrer Glücksgriff: Nur wenige Schritte trennten mich von der Europass Teacher Academy und von zahlreichen kulturellen Highlights.
Nach dem Einchecken ließ ich mich durch die Altstadt treiben – vorbei an prachtvollen Fassaden, lebendigen Plätzen und den ersten Eisdielen. Der Tag endete stimmungsvoll bei einem regionaltypischen Abendessen in einem kleinen Lokal.
Der Samstag begann ruhig, fast meditativ. Gegen Mittag machte ich mich zusammen mit meinem Kollegen auf den Weg in den Vatikan – einen Ort, der nicht nur religiös bedeutsam ist, sondern auch spirituell berührt. Für mich persönlich war es bereits der zweite Besuch, aber dieses Mal durften wir etwas Besonderes erleben: In dem Vatikan findet in der kommenden Woche das Konklave statt und ein neuer Papst soll gewählt werden. Das macht alles noch viel spannender!
Besonders eindrucksvoll war der Moment, in dem wir von der Existenz mumifizierter Päpste erfuhren – ein Detail, das mir bislang unbekannt war. Dieser Besuch erinnerte mich daran, wie vielschichtig Geschichte und Glaube miteinander verwoben sind.
Am Sonntag nutzten wir die Gelegenheit, am „freien Museumssonntag“ teilzunehmen.
Trotz teils langer Wartezeiten (über eine Stunde für das Pantheon, fast eineinhalb für die Engelsburg) bleiben wir standhaft, und das hat sich gelohnt. Die Engelsbrücke mit ihren detailreichen Engelsfiguren, jede ein Symbol des christlichen Glaubens, beeindruckte mich besonders. Die anschließende Besichtigung der Engelsburg vertiefte unser Verständnis für die Verbindung von Architektur, Geschichte und Macht in Rom.
Montag, 05. Mai 2025
Der erste Seminartag. Nach einem schlichten, aber leckeren Frühstück machten wir uns zu Fuß auf den Weg zur Europass Teacher Academy.
Unsere Dozentin, Frau Christina Waymark, empfing uns herzlich. Mit Teilnehmenden aus Deutschland, Spanien, Portugal und Rumänien war die Gruppe wunderbar international. Zwei von ihnen kamen mit leichter Verspätung – ein Anlass für Gelassenheit und ein Lächeln.
Der Tag begann interaktiv: Eine Vorstellungsrunde in der eigenen Muttersprache war der Auftakt. Ich sprach zunächst auf Deutsch und durfte erleben, wie viel auch ohne perfektes Verstehen möglich ist. Es folgten nonverbale Übungen und eine kreative Aktivität mit Notizzetteln. Mein eigener Beitrag: „Ich kann 24 Stunden ohne Schlaf auskommen.“ – Was für viel Heiterkeit sorgte.
Was wie ein Spiel begann, entfaltete sich als tiefgründige pädagogische Strategie: Wir diskutieren über Vorurteile, über den Wert der Diversität und darüber, wie schnell man Menschen in Schubladen steckt. Die Aussage „Nicht jede Person aus den Niederlanden konsumiert Haschisch“ stand sinnbildlich für diesen kritischen Blick auf kulturelle Stereotype.
Nach einer kurzen, stärkenden Pause wurden erste Präsentationen gehalten.
Und anschließend hielten Herr Rashidi und ich unsere Präsentation. Bereits vor der Reise hatten wir eine umfassende Vorstellung vorbereitet, in der wir unsere Einrichtung, ihre organisatorische Struktur sowie unsere pädagogische Arbeit präsentierten. Wir stellten die verschiedenen Bildungsangebote der VHS vor – von Sprachkursen über Integrationsmaßnahmen bis hin zu beruflicher Weiterbildung – und gaben Einblicke in unsere Leitungsstruktur sowie unsere Aufgabenbereiche als Kursleiterin bzw. Kursleiter. Auch unsere eigenen pädagogischen Schwerpunkte und methodischen Ansätze wurden thematisiert. Die Präsentation stieß auf großes Interesse und bot eine wertvolle Gelegenheit, den internationalen Kolleginnen und Kollegen unser Bildungsmodell näherzubringen.
Dienstag, 06. Mai 2025
Der Tag begann mit einem kräftigen doppelten Kaffee – Americano und Espresso. Das Aroma des italienischen Kaffees ist unvergleichlich und seine Wirkung ebenso. Voller Energie begannen wir pünktlich den Seminartag.
Eine Selbstreflexion bildete den thematischen Einstieg: Was können wir im Unterricht kontrollieren? Was liegt außerhalb unseres Einflusses? Die Diskussion war ehrlich und intensiv. Themen wie Integration, Motivation, Prüfungsdruck, aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen oder familiäre Hintergründe der Lernenden kamen zur Sprache.
Ein besonders origineller Impuls war die „Tierlaut“-Übung – spielerisch und doch tiefgründig. Sie machte deutlich: Sprache ist nicht die einzige Form der Kommunikation. Gerade für Menschen mit wenig oder keinen Sprachkenntnissen kann Körpersprache Brücken bauen, wo Worte fehlen. In der Übung imitierten wir Tierlaute in verschiedenen Sprachen und stellten fest, wie unterschiedlich ein und derselbe Laut je nach Sprachraum klingt – etwa das Krähen eines Hahns oder das Bellen eines Hundes.
Aus pädagogischer Sicht war diese Aktivität äußerst wertvoll: Sie sensibilisierte uns für die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und betonte die Bedeutung nonverbaler Kommunikation. In einem inklusiven Klassenzimmer – insbesondere mit neu zugewanderten Lernenden oder in Alphabetisierungskursen – spielt diese Art der Verständigung eine zentrale Rolle.
Lernende erleben durch solche Übungen, dass Kommunikation auch ohne perfektes Sprachvermögen möglich ist. Das fördert Selbstvertrauen, Teilhabe und vor allem den Mut, sich auszuprobieren. Gleichzeitig regt es Lehrkräfte dazu an, eigene Kommunikationsmuster zu hinterfragen und bewusst auch körperliche Ausdrucksformen als didaktisches Mittel einzusetzen. Die Tierlaut-Übung wirkte damit wie ein kleiner Spiegel: humorvoll, interaktiv – und doch tief in der pädagogischen Praxis verwurzelt.
Es folgte eine Diskussion über die Sitzordnung in Klassen mit geflüchteten Schüler*innen. Zwei ukrainische Kinder nebeneinander oder gezielte Durchmischung? Unsere Antwort: Es kommt auf die individuelle Situation an. Sicherheit und emotionale Stabilität stehen an erster Stelle.
Das „Clown-Spiel“ war mein persönliches Highlight: Drei Gegenstände, drei Bewegungen – der Clown errät die Handlung ohne ein Wort. Es war nicht nur unterhaltsam, sondern ein Lehrstück in nonverbaler Pädagogik.
Den Abschluss bildeten zwei Präsentationen: eine Kollegin aus Berlin stellte ihre Arbeit zu Inklusion und Diversität vor, anschließend präsentierten zwei Lehrerinnen aus Rumänien mit der Unterstützung einer weiteren Kollegin ihre Praxis.
Am Nachmittag des dritten Seminartages nutzten wir die Gelegenheit, das Vatikanische Museum zu besichtigen – ein kultureller Höhepunkt unserer Reise.
Die Vatikanischen Museen zählen zu den bedeutendsten und meistbesuchten Kunstsammlungen der Welt. Sie wurden im 16. Jahrhundert unter Papst Julius II. gegründet und beherbergen heute über 70.000 Kunstwerke, von denen rund 20.000 ausgestellt sind. Die Sammlungen umfassen Werke der ägyptischen, etruskischen und römischen Antike, Meisterwerke der Renaissance sowie bedeutende Stücke der modernen Kunst.
Der Besuch war nicht nur ein ästhetisches Erlebnis, sondern auch eine eindrucksvolle Reise durch die Geschichte von Kunst, Macht und Glauben. Er hinterließ einen nachhaltigen Eindruck und bildete einen würdevollen Ausklang des dritten Seminartages.
Mittwoch, 07. Mai 2025
Der heutige Tag begann mit einer kleinen Geste: Wir schrieben je ein kulturelles Element auf einen Zettel. Ich wählte „Kleidung“. Daraus entwickelte sich eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Eisbergmodell der Kultur. Kultur ist nicht nur sichtbar – das meiste bleibt verborgen. Diese Erkenntnis hat sich mir tief eingeprägt.
Noch bildhafter wurde es mit dem Zwiebelmodell: Eine Kultur besteht aus sichtbaren Schichten, aus gesellschaftlichen Werten und aus tiefsten Überzeugungen. Ich stellte mir einen Baum vor – langsam wachsend, beständig, tief verwurzelt. Genau so sehe ich die Entwicklung eines Menschen.
Meine zentralen Werte: Integrität und Lernen. Mein Held: Mahatma Gandhi. Mein Ritual: das tägliche Gebet – als Moment der Einkehr. Das sind keine abstrakten Begriffe, sondern lebendige Elemente meines pädagogischen Selbstverständnisses.
Der Nachmittag war der Kommunikation gewidmet: Was ist explizit, was implizit?
Wir erkannten, wie viele Missverständnisse durch unausgesprochene Erwartungen entstehen – insbesondere dann, wenn Kommunikationsstile und kulturelle Prägungen aufeinandertreffen. Der Vergleich zwischen individualistischen und kollektivistischen Gesellschaften zeigte eindrucksvoll, wie unterschiedlich Normen und Werte gelebt und interpretiert werden. Während in individualistisch geprägten Kulturen das Selbst, die Eigenverantwortung und persönliche Freiheit stark betont werden, stehen in kollektivistischen Gesellschaften Gemeinschaft, Harmonie und gegenseitige Verpflichtung im Vordergrund.
Aus pädagogischer Sicht ist dieses Verständnis essenziell, um interkulturelle Lernumgebungen sensibel zu gestalten. Lehrkräfte müssen erkennen, dass Verhaltensweisen von Lernenden oft aus tief verankerten kulturellen Mustern resultieren – z. B. kann Zurückhaltung in der mündlichen Mitarbeit aus Respekt gegenüber der Gruppe entstehen und nicht aus mangelndem Interesse.
Wer diese Unterschiede versteht, kann Lernprozesse gezielter steuern, Konflikte vermeiden und eine Atmosphäre schaffen, in der sich alle Lernenden – unabhängig von Herkunft oder Kultur – gesehen, verstanden und wertgeschätzt fühlen. Diese Reflexion stärkt nicht nur die eigene interkulturelle Kompetenz, sondern ist auch ein Schlüssel für gelingende pädagogische Beziehungen.
Donnerstag, 08. Mai 2025
Der vorletzte Tag begann mit einer Reflexion über den Kulturschock.
Eine Kollegin schilderte ihre sprachlichen Hürden in Frankreich. Ich selbst entschied mich heute bewusst, zuzuhören. Stattdessen berichtete ich von meinen Schüler*innen – und den kleinen Stolpersteinen, die ihnen im Alltag begegnen: Wetter, Pünktlichkeit, gesellschaftliche Erwartungen.
Die Culture Shock Curve zeigte, wie tiefgreifend diese Prozesse sind: von der Euphorie über die Frustration bis hin zur Anpassung. Die anschließenden vier Akkulturationsstrategien – Integration, Assimilation, Separation, Marginalisierung – gaben uns ein analytisches Werkzeug an die Hand, um das Verhalten unserer Lernenden besser zu verstehen.
Später beschäftigten wir uns mit Unconscious Bias – den unbewussten Vorannahmen, die unser Denken und Handeln steuern. Die vier häufigsten Verzerrungen (Affinity Bias, Perception Bias, Halo Effect, Confirmation Bias) wurden anhand lebendiger Beispiele erklärt.
Ein Höhepunkt war die Vorstellung des Buches „Thinking, Fast and Slow“ von Daniel Kahneman – eine spannende Lektüre über schnelles Bauchgefühl und langsames, reflektiertes Denken. Passend dazu: die Serie „100 Humans“, die diese Fragen in Form kleiner sozialer Experimente aufgreift.
Den Abschluss bildete eine intensive Reflexion über die 4 Cs: Kreativität, kritisches Denken, Kommunikation und Zusammenarbeit – und deren tiefgreifende Verbindung zur Empathie.
Ich nahm mit: Diese Kompetenzen sind nicht nur didaktische Methoden, sondern grundlegende pädagogische Haltungen, die unser Lehrverhalten prägen und die Lernkultur im Klassenzimmer mitgestalten. Besonders im Kontext der Alphabetisierung von erwachsenen Lernenden spielen die 4 Cs eine zentrale Rolle.
Kreativität hilft uns, neue Zugänge zu schaffen – sei es durch bildgestützte Methoden, Rollenspiele oder handlungsorientierte Aufgaben. Kritisches Denken unterstützt Lernende darin, ihre Umwelt bewusst zu hinterfragen, selbstständige Entscheidungen zu treffen und sich als handlungsfähige Subjekte zu erleben – ein wichtiger Schritt in der Selbstermächtigung.
Kommunikation, auch in einfachster Form, ermöglicht Teilhabe. Gerade bei Menschen, die in ihrer Schulbiografie oft brüchige oder traumatische Erfahrungen gemacht haben, muss Kommunikation ermutigen und nicht überfordern.
Zusammenarbeit schließlich fördert das Gemeinschaftsgefühl und schafft ein soziales Lernfeld, in dem jede*r vom Wissen und den Stärken der anderen profitieren kann.
In der Alphabetisierungsarbeit bedeutet das: Lernprozesse sind nicht rein kognitiv, sondern zutiefst emotional und sozial. Die 4 Cs liefern nicht nur Werkzeuge, sondern auch eine Haltung der Offenheit, Geduld und Wertschätzung – Eigenschaften, ohne die erfolgreiche Alphabetisierung kaum denkbar ist.
Freitag, 09. Mai 2025
Der letzte Tag war ein Tag des Rückblicks – und des Loslassens. Gemeinsam sahen wir unsere Fotos an, teilten Eindrücke und nahmen Abschied von einer intensiven, bereichernden Woche.
Die App GooseChase, die uns vorgestellt wurde, zeigte mir neue Wege für projektbasiertes, mobiles Lernen. Besonders eindrucksvoll war die Diskussion über den Film „Joker“ und die anschließende Gruppenarbeit.
Unsere Gruppe wählte Gaston aus. Die Schöne und das Biest – eine Figur, die im klassischen Narrativ klar als Bösewicht dargestellt wird. Doch anstatt ihn in dieser eindimensionalen Rolle zu belassen, versuchten wir, seine Geschichte aus einem neuen, empathischen Blickwinkel zu betrachten. Was auf den ersten Blick wie Arroganz, Egozentrik und Machthunger erscheint, lässt sich bei näherem Hinsehen auch als Ausdruck tieferer Unsicherheiten und gesellschaftlicher Prägungen deuten.
Wir stellten uns die Frage: Was treibt einen Menschen zu einem Verhalten, das als „böse“ wahrgenommen wird? Welche Rolle spielen dabei die Erwartungen der Gesellschaft, soziale Zuschreibungen oder der Wunsch nach Anerkennung? Gaston ist nicht einfach nur ein Antagonist – er ist zugleich ein Produkt seiner Umgebung: ein Mann, der für seine Stärke, sein Aussehen und seine Dominanz gefeiert wird. In einer Welt, in der diese Eigenschaften mit Wert und Männlichkeit gleichgesetzt werden, erscheint sein Verhalten fast logisch – wenn auch moralisch verwerflich.
Aus pädagogischer Perspektive war diese Übung besonders wertvoll: Sie machte deutlich, wie wichtig es ist, auch bei scheinbar „problematischen“ Persönlichkeiten hinter die Fassade zu blicken. Gerade in Bildungsprozessen – etwa im Umgang mit herausfordernden Lernenden – ist diese Haltung entscheidend. Der „laute“ Schüler, die „verweigernde“ Teilnehmerin – oft steckt ein anderes Narrativ dahinter: von Frustration, Mangel an Selbstwert, schwierigen biografischen Erfahrungen oder gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Die Auseinandersetzung mit Gaston zeigte uns, wie man mit Empathie, Reflexion und Perspektivwechsel einen neuen Zugang schaffen kann – nicht nur zu fiktiven Figuren, sondern auch zu realen Menschen in unserem Unterricht. Der vermeintlich Böse könnte eben auch ein Opfer sein – von Rollenbildern, gesellschaftlichem Druck oder fehlender Anerkennung. Und genau darin liegt ein wichtiger Bildungsauftrag: Nicht vorschnell zu bewerten, sondern Raum für differenzierte Sichtweisen zu schaffen.
Ein kleines Experiment verdeutlichte die Grenzen von Sprache: Eine Person sah ein Video, die andere versuchte es nur durch Worte zu beschreiben. Ich dachte sofort an den Unterricht – wie oft sprechen wir „aneinander vorbei“?
Am Ende des Seminars widmeten wir uns dem sensiblen und hochaktuellen Thema Diskriminierung, basierend auf der offiziellen Definition der Europäischen Union. Laut EU-Richtlinie liegt Diskriminierung vor, wenn:
„Eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation – aufgrund eines geschützten Merkmals wie ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Orientierung oder Geschlecht.“
Diese Definition umfasst sowohl direkte Diskriminierung (eine offene Benachteiligung aufgrund eines Merkmals) als auch indirekte Diskriminierung, die durch scheinbar neutrale Regelungen entsteht, aber faktisch bestimmte Gruppen benachteiligt.
Die anschließende Diskussion sensibilisierte uns für die vielfältigen, oft subtilen Erscheinungsformen von Diskriminierung in Gesellschaft und Bildung.
Aus pädagogischer Sicht wurde deutlich, wie wichtig es ist, eine offene, respektvolle Lernumgebung zu schaffen, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern aktiv anerkannt und wertgeschätzt wird. Gerade in der Alphabetisierungsarbeit, in der Menschen mit sehr unterschiedlichen Biografien und kulturellen Hintergründen zusammenkommen, ist es unsere Aufgabe als Lehrkräfte, ein diskriminierungsfreies Lernklima zu ermöglichen, in dem sich alle sicher und zugehörig fühlen.
Diese Reflexion war ein wesentlicher Impuls, unsere eigene Haltung zu überprüfen, Verantwortung zu übernehmen und Bildungsräume bewusst als Orte der Gerechtigkeit und Teilhabe zu gestalten.
Zum Schluss: Zertifikate, Feedback, Applaus – und stille Dankbarkeit. Ich verlasse dieses Seminar mit einem Rucksack voller Methoden, Begegnungen und Gedanken, die bleiben.