Schweden: Malmö Kvarnby Folkhögskola

von S. W.-N.

Anreise am Sonntag, 28.10.2018

Die Anreise mit dem Zug von Flensburg nach Malmö dauert nur vier Stunden, zwei Mal umsteigen und schon fährt man von Kopenhagen über den Öresund nach Malmö.

In Kopenhagen wird auf jedem Bahnsteig Werbung für den Weihnachtsmarkt in Hamburg gemacht!

Im Zug erhalte ich eine SMS, weil die Hotelrezeption ab 14.00 Uhr nicht mehr besetzt ist. Ich bekomme einen Code um die Eingangstür zu öffnen und einen weiteren Code um meine Zimmerkarte aus einem kleinen Tresor zu entnehmen! Das Hotel, eine alte Schokoladenfabrik, liegt sehr zentral in der Nähe des Bahnhofs Triangeln. Man kann zu Fuß die Innenstadt gut erreichen und es gibt viele Restaurants in der Nähe.

Schweden ist DAS Land in Europa mit Vorbildfunktion im Bereich der Digitalisierung. https://www.techtag.de/digitalisierung/schweden-und-die-digitalisierung-ein-land-mit-vorbildfunktion/

Mein Arbeitsbereich in der vhs Husum sind die Integrationskurse und die berufsbezogenen Deutschkurse. Das BAMF, InGe-online und webdoc mit der Datenflut, Meldungen, Anträgen, Unterschriften, Bewilligungen usw. gehören zur täglichen Arbeit und ich sehr gespannt, ob es in Schweden ähnliche Strukturen der Teilnehmerverwaltung gibt.

Tag 1: Montag, 29.10.18

Die Kvarnby Folkhögskola, Västra Hindbyvägen 14, im Stadtteil Gullvik:

Zur Kvarnby Folkhögskolan, Västra Hindbyvägen, www.kvarnby.fhsk.se fahre ich nur 10 bis 15 Minuten über die Fahrradautobahn!

Von außen eher unscheinbar, herrscht drinnen eine sehr angenehme Atmosphäre. An der Rezeption arbeitet ein ehemaliger Teilnehmer, der auch Arabisch und Dari und Farsi spricht. Neben seiner Arbeit an der Rezeption, stellt er auch Teilnahmebescheinigungen aus. Man füllt ein Formular (Papier) aus, steckt es in den Briefkasten an der Rezeption und kann sich am nächsten Tag die Bescheinigung abholen. Die Teilnehmenden leihen bei ihm auch die Bücher für die Kurse aus, dafür unterschreiben sie ein Formular (Papier).

Im Erdgeschoss gibt es überall Sitzgelegenheiten, eine Cafeteria mit sehr günstigem aber gutem Essen, die Klassenräume, eine kleine Bibliothek und einen kleinen Konferenzraum mit riesiger Kaffeemaschine für die Lehrer.  Im Obergeschoss sind Büros von Henning, (Leiter der drei Einrichtungen der Kvarnby Folkhögskolan) und Agnes  (pädagogische Leiterin SFI) sowie die Büros der Lehrer, die alle fest angestellt sind. Honorarkräfte werden nur als Vertretungen bei Krankheit oder Urlaub eingesetzt!

Obeida, auch ein ehemaliger Teilnehmer, leitet die Cafeteria. Das Essen ist sehr gut und sehr günstig. Bezahlen kann man nicht! mit Karte, wie überall in Schweden, sondern mit dem Handy oder tatsächlich noch bar!

Am ersten Tag erklären Henning und Agnes mir das schwedische System der Sprachkurse, ich lerne das Kollegium kennen und wir machen meinen Stundenplan für die nächsten sieben Tage.

Tag 2: Dienstag, 30.10.2018

Gestern wurde ich in von Henning (Leiter) und Agnes (Programmbereichsleiterin sfi, svenka för invandrare) in das System der sfi Kurse eingeweiht. Es ist vergleichbar mit unseren BAMF Kursen.

Ein Migrant mit Aufenthaltstitel und Personennummer kann im vägledningscentrum (Bildungsberatung) Informationen zu Schwedisch Kursen bekommen.

Man kann zwischen zwei Anbietern wählen. Komvux (kommunal vuxenutbildning) und Folkhögskola. Private Anbieter dieser Kurse gibt es seit einem großen Betrugsskandal nicht mehr! Komvux hat sechs Ausbildungsstätten in Malmö und man wird einer Schule zugewiesen. Wenn man sich für die Folkhögskola entschiedet, kann man eine von sieben Schulen selbst auswählen. Die Kvarnby Folkhögskola ist sehr beliebt und es gibt Wartelisten. Die Kurse sind für alle kostenlos. Das Geld für Fahrkarten ist in der Sozialhilfe enthalten. Man muss also keine Anträge auf Kostenbefreiung und Fahrtkostenzuschuss stellen!

https://de-de.facebook.com/Kvarnby/

Heute durfte ich der Einführungsklasse (introduction) hospitieren. Alle Teilnehmer durchlaufen diese Klasse, in der Grundkenntnisse vermittelt werden. Analphabeten gibt es hier nicht, sie werden an anderen Schulen ausgebildet.

Nach diesen sechs Wochen entschiedet sich der weitere Bildungsweg, blau (schnell) für Akademiker, rot (langsam) für die anderen Teilnehmer.

Teilnehmer mit Lernschwierigkeiten können die Introduktion auch zwei Mal durchlaufen. Sie gehen danach in die pp-Klassen (praktisk pädagogik), in denen Theorie und Praxis gelehrt werden. Nächste Woche geht es um das Thema „Wohnen“. Die TN fahren zu Ikea und in ein weiteres Möbelhaus und besuchen einen Second Hand Laden. Sie vergleichen Preise und lernen, eine Wohnung möglichst günstig einzurichten.

Die vhs Flensburg hat ein Seminar zum Thema „Wohnen“ durchgeführt und stellt der Kvarnby Folkhögskola den Kursplan Wohnschulung zur Verfügung.  Die Lehrer freuen sich sehr darüber und nehmen die Themen gern in ihren Lehrplan auf! Vielen Dank dafür!

Der Bildungsweg, rot, blau oder pp ist nicht festgeschrieben, man kann je nach Lernerfolg in jede Richtung wechseln. Die letzte Klasse nennt sich Blau D, die anschließende Prüfung entspricht ungefähr dem Sprachniveau B1 – B2.

Skolverket ist das Bildungsministerium, das auch für sfi (svenska för invandrare) zuständig ist, hier sind der Ablauf und das Ziel der Kurse beschrieben.

Das Gebäude der Kvarnby Folkhögskola ist sehr liebevoll eingerichtet worden. Überall auf den Fluren stehen Tische, Stühle und Sofas.

Neben der Cafeteria gibt es eine kleine Küche für Teilnehmende, einen Pausenraum für Lehrer mit einer gigantischen Kaffeemaschine, die alle Kaffeewünsche kostenlos erfüllt, eine kleine Bibliothek, einen Ruheraum für Teilnehmer und drei Computer mit Drucker.

Die Parkplätze vor dem Haus müssen bezahlt werden, aber an der Straße kann man kostenlos parken. Die Schule liegt in einem Viertel, in dem viele Migranten wohnen, deshalb kommen die meisten zu Fuß oder mit dem Rad.

Die Lehrer sind fest angestellt und unterrichten 14 Zeitstunden pro Woche. Sie haben zusätzlich zwei wöchentliche Lehrertreffen mit allgemeinen und kursbezogenen Themen. Die Unterrichtsvorbereitung machen sie in der Schule und sind bis ca. 15:30 Uhr anwesend.

Pro Kurs mit 15 bis 21 Wochenstunden unterrichten zwei Lehrer. Unterrichtszeiten sind von 09:00 bis 10:00, von 10:30 bis 11:20 und von 11:30 bis 12:30 Uhr!

Es gibt zwei Arbeitsamtskurse, diese Teilnehmer haben auch 3x pro Woche nachmittags Unterricht.

Freitag ist um 12:30 Wochenende für alle!

Tag 3: Mittwoch, 31.10.2018

Heute darf ich im Unterricht der langsam lernenden Gruppe Blau B/C hospitieren. Das ist ungefähr das Niveau A1-A2.

Die TN werden auf die Tests nächste Woche vorbereitet und bearbeiten Schreib- und Leseaufgaben.

Von 24 Teilnehmenden waren nur 12 anwesend, weil Herbstferien sind und einige keine Kinderbetreuung haben. Bis zu einer Woche dürfen die TN fehlen, dann erst müssen sie eine Krankmeldung vom Arzt bringen.

Wer zu spät kommt, wird höflich gebeten, in Zukunft pünktlich zu sein!

Das Lernklima ist sehr angenehm, es ist nicht laut, es wird nicht viel zwischendurch geredet, alle arbeiten sehr konzentriert.

Morgen Vormittag hospitiere ich in der schnell lernenden Klasse Rot B/C und in der Lehrerkonferenz um 13.30 Uhr darf ich einen Vortrag über Integrationskurse halten!

Die Beschilderung in der Damentoilette!
Tag 4 in der Kvarnby Folkhögskola

Um 8:40 fahre ich hier mit dem Rad los, zwei Mal um die Ecke und ich bin auf der „Fahrradautobahn“, ein zweispuriger Radweg, der zwischen Häusern, entlang vieler Gärten, unter großen Straßen hindurchführt. Nach 12 Minuten bin ich angekommen.

Heute geht es in die röd B/C Klasse, sie hat das Niveau A1 bis A2, lernt aber langsamer als die blå B/C Klasse gestern. Auch hier fehlen 14 Teilnehmer wegen der Herbstferien.

Olaf entscheidet deshalb, nicht im Buch weiterzumachen, sondern eine Lektion über das Wetter einzuschieben, damit die anderen nicht zu viel verpassen. Nach einer Stunde ist um 10:00 Uhr Pause, 30 Minuten. Die TN gehen entweder in die Cafeteria zu Obeida oder in die TN-Küche und machen sich Tee und etwas zu essen. Um 10:30 Uhr geht es weiter, von 11:20 bis 11:30 Uhr ist eine kleine Pause, dann noch eine Stunde Unterricht und es ist geschafft. Die TN werden am Ende für ihre gute Mitarbeit gelobt! Hausaufgaben gibt es nicht, damit hat man „schlechte Erfahrungen“, keiner macht sie!

Nach der Mittagspause berichte ich über Husum, die vhs Husum und über Integrationskurse. Die Lehrer staunen, wie viel Bürokratie und Technik in Deutschland notwendig sind, um Teilnehmer, Kurse, und Prüfungen anzumelden und durchzuführen. Großes Erstaunen löst auch der DTZ aus (Anmeldung, Durchführung, Auswertung). Hier in sfi-Kursen werden nur die TN zur Prüfung angemeldet, die eine gute Chance haben zu bestehen. Schriftliche und mündliche Prüfungen finden an zwei Tagen statt, alles andere ist Stress! Die Lehrer prüfen ihre Schüler selbst und werten die Tests auch aus. Wenn der Test bestanden wurde, kann der TN in die nächst höhere Lerngruppe wechseln.

Agnes bestellt die Prüfungen beim skolverket, feste Termine gibt es nicht. Wenn ein Lehrer genügend TN für eine Prüfung hat, wird ein Termin festgelegt und die Prüfung durchgeführt. Agnes verwahrt die bestellten Prüfungen (es gibt zwei verschiedene Versionen) und die abgelegten Prüfungen in einem verschlossenen Raum.

Die Abwesenheitsregelung ist sehr viel einfacher als in unseren I-Kursen. Wer sich per Mail, telefonisch oder über einen anderen TN abmeldet, gilt als entschuldigt. Bis zu einer Woche kann man sich ohne ärztliches Attest krankmelden. Für unentschuldigte Fehlzeiten erhält die Schule kein Geld. Nach einer Woche unentschuldigter Fehlzeit, wird ein Brief nach Hause geschickt, nach der zweiten Woche die Abmahnung und nach der dritten Woche kann der TN ausgeschult werden.

Die Kommune zahlt monatlich ca. 5,-€/ UE für jeden über die Bildungsberatung angemeldeten anwesenden und entschuldigt fehlenden Teilnehmer.

Teilnehmer, die noch keinen Aufenthaltstitel haben, werden von der Arbeitsvermittlung in die sfi-Kurse geschickt. Für diese TN bezahlt der Staat ca. 9,-€ /UE. Sie müssen Vollzeit unterrichtet werden, das sind 21 Unterrichtsstunden. Somit haben sie auch an drei Nachmittagen in der Woche Unterricht.

Henning, der vhs Leiter, rechnet monatlich mit der Kommune und dem Arbeitsamt ab, übermittelt einmal im Jahr Statistikdaten an die Behörden.

Die Lehrer bekommen eine Anwesenheitsliste, die in einer geschlossenen Mappe verwahrt wird und niemals offen liegen bleibt!

Sie wissen über ihre Teilnehmer nur, was diese ihnen selbst erzählen.

In der Kvarnby folkhögskola werden auch Migranten ohne Aufenthaltspapiere unterrichtet, aber außer der Henning und Agnes, weiß niemand, wer zu diesem Kreis zählt. Alle werden gleichbehandelt!

Datenschutz ist in Schweden ein wichtiges Thema. Agnes, die Programmbereichsleiterin kennt nur Namen, Adressen und die Personennummer der Teilnehmer. In ihrem Büro befinden sich für TN-Verwaltung große Ordner mit Papier, Anwesenheitslisten werden in Excel erstellt!

Da weder Kostenbefreiung noch Fahrtkostenanträge gestellt werden müssen, erhält niemand Einblick in die finanzielle Situation der Teilnehmenden.

Berechtigung, Verpflichtung, Kostenbeitrag, Kostenbefreiung, Fehlzeitenmeldung etc., diese Zeiträuber gibt es in Schweden nicht. Die Kurse sind kostenlos!

Es gibt Zeit für regelmäßige Lehrertreffen mit pädagogischen und organisatorischen Themen, es wird u.a. über neue Lehrbücher beraten, die Unterrichtsthemen werden besprochen und der Wechsel von TN innerhalb der Lerngruppen wird diskutiert.

Tag 5 in der Kvarnby Folkhögskola

Heute, am Freitag, bin ich in der blå C/D Klasse. Auch hier ist wegen der Herbstferien nur die Hälfte der Teilnehmer anwesend. Sie ist vergleichbar mit dem Niveau A 2.2 bei uns. Geübt wird für die Prüfung in der nächsten Woche. Die Inhalte der A2 – B1 Prüfung sind den Inhalten des DTZ sehr ähnlich. Heute soll ein offizieller Brief geschrieben werden (Beschwerde).

Im zweiten Teil des Unterrichts geht es um Statistiken, die man ja bei uns aus dem DTZ verbannt hat. Die TN benutzen ihre Mobiltelefone zum Übersetzen von Vokabeln, der Lehrer setzt keine Technik ein.

In der letzten Unterrichtsstunde am Freitag ist „språkcafé“. Vier Klassen treffen sich im großen Aufenthaltsraum, werden über ein Losverfahren an Tischen verteilt und müssen miteinander über vorbereitete Aufgaben sprechen. Die vier Lehrer setzen sich reihum an die Tische, hören zu, stellen Fragen und korrigieren.

Ich nutze die letzte Stunde um in der höchsten Klasse der Schule „Grund“ zu hospitieren. Die Teilnehmer haben am Dienstag Prüfung und sind auf gutem B1 Niveau. Prüfungsvorbereitung ist auch hier die Auswertung einer Statistik, aber die Antworten sind komplexer als in der anderen Klasse. Die zweite Aufgabe ist die Lektüre eines Zeitungsartikels, zu dem Fragen beantwortet werden müssen  und die eigene Meinung vertreten werden soll.

Dann ist endlich Wochenende! Trevlig helg i Malmö!

Wochenende in Malmö, Teil 1

Das Wochenende beginnt am Freitag mit einem Besuch im Kallbadhus.

https://www.ribersborgskallbadhus.se/sv

Diese Sauna ist großartig! Zwischen den Saunagängen kann man zur Abkühlung kurz ins Meer springen. Männer und Frauen haben jeweils zwei getrennte Saunen, eine zum Schnattern, eine ruhige Sauna und eine gemischte Sauna. Alle haben Meerblick auf den Öresund und auf Kopenhagen. Im Süden sieht man die Öresundbrücke.

Dann geht es weiter auf dem Rad zum neuen Stadtteil Västra Hamnen https://bostad.skanska.se/sok-bostad/malmo-kvarteret/ditt-nya-kvarter mit dem Turning Torso, dem höchsten Gebäude Skandinaviens und dritthöchsten Wohngebäude Europas. https://visitskane.com/de/node/207

Der Stadtteil war bis ins 21. Jahrhundert Industriegebiet und ist jetzt ein modernes Wohnviertel mit ca. 5000 Einwohnern. Von den Parkanlagen vor Västra Hamnen hat man einen tollen Blick auf die Brücke.

Auf dem Rückweg bummle ich durch MAXI ICA Stormarknad in Västra Hamnen.

Weihnachten ist auch hier schon im Programm.

Wirklich bemerkenswert ist auch die meterlange Auswahl an Knäckebrot:

Am Samstag und Sonntag ist Kulturprogramm geplant.

Die frisch renovierte St.Pauli Kirche (1882) ist das Ziel der Joggingtour am Morgen. Hier gibt es nicht nur Gottesdienste, sondern auch Konzerte und andere Veranstaltungen,  https://svenskakyrkanmalmo.se/st-pauli-kyrka/, ein imposanter Bau in einer schönen Parkanlage.

Das Wetter ist am Samstagvormittag zu schön um ins Museum zu gehen, deshalb beschließe ich eine Radtour zu machen. Ziel ist Limhamn. Früher war es eine eigene Stadt, jetzt ist es Stadtteil von Malmö und hat ca. 5600 Einwohner. Der einstige Fischerort wurde im 19. Jahrhundert eine bedeutende Industriestadt. Industrie gibt es nicht mehr. Limhamn ist heute eine große Baustelle und ein sehr begehrtes Wohngebiet direkt am Wasser mit Yachthäfen und Promenaden.

Vom Hafen hat man einen schönen Blick auf Malmö und auf Kopenhagen.

Von Limhamn führt ein Radweg am Strand entlang bis Väster Hamnen. Parallel zum Rad- und Fußweg verläuft ein Sandweg für Jogger. Alle 500 Meter gibt es beheizte, sehr saubere Toilettenhäuser mit warmem Wasser!

Der Strand ist sehr flach hier, wenn man schwimmen möchte, nutzt man einer der vielen Badebrücken. Sie sind mit Windschutz und Sitzgelegenheiten ausgestattet und über Treppen gelangt man ins tiefere Wasser.

Nach einer langen Pause in der Sonne auf Brücke 3 fahre ich ins Hotel, stelle mein Rad ab und treffe meine Tochter im Moderna Museet. https://www.modernamuseet.se/malmo/sv/

Der Eintritt ist frei. Es gibt zwei Ausstellungen, eine über frühe Fotografie und eine einer deutschen Künstlerin, Rosemarie Trockel.  Besonders interessiert hat mich die Geschichte der schwedischen Polarforscher, die mit einem Ballon in die Arktis aufgebrochen sind. Der Ballon ist abgestürzt, alle Forscher kamen ums Leben und dreißig Jahre später fand ein weiteres Forscherteam die Überreste der Expedition und deren Fotokamera. Diese Bilder sind gut erhalten und werden hier im Museum ausgestellt.

Dann wollen wir gern in der kleinen Kaffeerösterei in der Baltzersgatan http://www.lillakafferosteriet.se/ Pause machen, aber um diese Zeit ist kein Platz zu bekommen. Wir versuchen es auch bei Hollandia, https://www.hollandia.se/ aber auch hier ist es zu voll. Wir entschließen uns, nach Hause zu gehen und selbst gebackene Kanelbullar zu essen. https://www.chefkoch.de/rezepte/2439221384609193/Kanelbullar-Kuchen.html

Malmö ist ein Paradies für Radfahrer. Die Radwege sind meist zweispurig.

Es gibt richtige Fahrradkreuzungen, wo drei Radwege aufeinandertreffen, Unterführungen, extra Ampeln für Radfahrer und Servicestationen. An den kleineren gibt es nur Luft, an den größeren Stationen gibt es auch Werkzeug für Reparaturen, Flickzeug und Wasser!

Die Radwege führen entlang der größeren Straßen meist nur auf einer Seite für beide Richtungen. Oft führen die Rad- und Fußwege aber durch Wohnviertel und Parks hindurch. Überall stehen Hinweisschilder.

Höchstgeschwindigkeit für PKW ist 40 km/h in Malmö. Vor jeder Kreuzung einer großen Straße mit einem Rad- und Fußweg sind kleine Erhöhungen zur Fahrtminderung eingebaut. Fahrräder haben immer Vorfahrt. Deshalb ist man mit dem Rad oft genauso schnell, wenn nicht schneller, unterwegs.

Am Sonntag gehen wir durch den botanischen Garten ins Malmöhus, das Schloss Malmös. Dort gibt es vor allem Ausstellungen über die Geschichte Malmös und der Region Skåne, die lange Zeit zum Königreich Dänemark gehörte.

Malmös Schloss „Malmöhus“ ist das älteste erhaltene Renaissanceschloss des Nordens. An gleicher Stelle erbaute Erik von Pommern 1434 ein Kastell.

Von 1444 bis 1536 wurden hier die Münzen des Königreiches Dänemark geprägt. Im 16. Jahrhundert unter König Christian III wurde es modernes Verteidigungswerk, Renaissanceschloss und Wohnort für die dänischen Könige während ihres Aufenthaltes in Malmö.

Erst Ende des 17. Jahrhunderts wurde Skåne endgültig schwedisch, die Glanzzeiten des Schlosses waren vorbei und es wurde als Gefängnis genutzt. Seit 1932 ist das Schloss Museum.

Am Ende des zweiten Weltkriegs wurde das Museum vorübergehende Unterkunft für Überlebende der Konzentrationslager. Das Rote Kreuz hat sie in weißen Bussen nach Schweden geholt. Einer dieser Busse steht im Original vor dem Schloss.

Mehr Informationen unter dem Link: https://www.ndr.de/kultur/geschichte/chronologie/befreiung100_page-1.html

Die Menschen wurden im Malmöhus untergebracht. In der Gemäldegalerie wurden Schlafsäle eingerichtet. Andere Räume wurden zu Koch-, Ess- und Waschräumen umfunktioniert.

https://malmo.se/Kommun–politik/Vart-Malmo/Vart-Malmo-artiklar/2015-04-29-1945-oppnade-Malmo-sin-famn.html

In Filmen, Interviews und Fotodokumentationen berichten Zeitzeugen über die Ankunft, den Aufenthalt im Schloss und über ihr weiteres Leben.

Auf dem Rückweg durch den botanischen Garten gibt es Kaffee und Kanelbullar im alten Gewächshaus.

Fast hätte ich es vergessen:

Sogar die Mäuse haben ein Museum in Malmö!

Tag 6 in der Kvarnby Folkhögskola

Heute darf ich in der pp-Klasse dabei sein. Viele der Teilnehmer haben die Introduktion zwei Mal durchlaufen. Ihnen fällt das Lernen schwer, deshalb hat man diese Klasse mit Praktiskt Pädagogik geschaffen. Andreas beginnt ein neues Thema, es geht jetzt um das Wohnen. Die verschiedenen Wohnmöglichkeiten werden vorgestellt und nach einer Vokabelentlastung und Lektüre eines kleinen Textes sollen die TN ihre Wohnung beschreiben.

Danach habe ich ein längeres Gespräch mit Agnes, die mir über die Prüfungen berichtet. Am Dienstag und Donnerstag haben die blauen und roten B/C und C/D Gruppen Prüfung.

Der Klassenlehrer entscheidet zusammen mit seinem Kollegen oder seiner Kollegin, wann ein TN für die Prüfung bereit ist, nur dann darf man teilnehmen. Dadurch ist die Durchfallquote sehr gering. Wer besteht, rückt in die nächst höhere Klasse auf.

Es gibt zwei verschiedene Prüfungssätze, die beim Skolverket bestellt werden können. Die einzelnen Prüfungsteile sind: Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen. Die Prüfungsteile werden nicht alle an einem Tag abgelegt, der Klassenlehrer beaufsichtigt die schriftliche Prüfung und prüft seine Teilnehmer mündlich selbst. Dadurch sollen Stress vermieden und die Prüfungsangst minimiert werden! Wenn ein Teilnehmer ein völlig von seinen bisherigen Leistungen abweichendes, viel schlechteres Ergebnis erzielt, werden die schriftlichen und mündlichen Leistungen aus dem Kurs herangezogen und er kann die Prüfung trotzdem bestehen.

Die Lehrer korrigieren die Prüfungen selbst, die Ergebnisse werden (auf Papier) dokumentiert und zusammen mit der Prüfung in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt.

Die TN bleiben so lange an der Schule, bis sie die letzte Prüfung bestanden haben (B1 – B2). Das kann bis zu drei Jahre dauern. Wenn es bei einem TN auch nach langem Schulbesuch keine Möglichkeit gibt, die Prüfung zu bestehen, wird die Kommune informiert und empfohlen eine praktische Tätigkeit zu suchen.

Agnes ist die pädagogische Leiterin der Kvarnby Folkhögskola für den Bereich sfi (svenska för invandrare). Sie ist die „gute Seele“ der Schule und sorgt mit schöner Einrichtung, Pflanzen und vielen Details für eine angenehme Lern- und Arbeitsatmosphäre.

Tag 7 in der Kvarnby Folkhögskola

Mein letzter Tag!

Heute ist Prüfungstag und als alle Prüfungen laufen, nimmt Agnes mich mit zur „richtigen“ Kvarnby Folkhögskola in Kvarnby, https://www.kvarnby.fhsk.se/

Es gibt die drei Standorte:

  • Gullvik (nur svensk för invandrare)
  • Kvarnby (Hauptstandort, allgemeine Kurse)
  • Kulturhaus/Mazetti (Zeichenschule, Comics)

In Kvarnby finden die allgemeinen Kurse statt. Man kann sein Schwedisch weiter verbessern, Schulabschlüsse machen und Bücher schreiben lernen. Für alle Kurse gibt es eine Art Bafög. Das Haus ist nach einem Brand neu aufgebaut und sehr hell und freundlich. Hier lernen ca. 70 Teilnehmer unter angenehmsten Bedingungen!

In Schweden hat jede Folkhögskola eine bestimmte Ausrichtung, die kirchlich, politisch oder vereinsorientiert sein kann. Kvarnby ist eine links orientierte Schule, die von vielen verschiedenen Organisationen gefördert wird.

https://www.kvarnby.fhsk.se/bra-att-veta/vara-huvudman/

”Skolan är … den breda vänsterns skola.”

In der Kvarnby Folkhögskola kann man auch online lernen in einem „distanskurs“.

Für den 14-monatigen Sprachkurs auf Kuba macht man eine Vorbereitung in Form eines „distanskurses“ und lernt so alles über Geschichte, Wirtschaft, Kultur Kubas. Auch die praktische Vorbereitung für die Reise wird online gemacht. https://www.kvarnby.fhsk.se/utbildning/vansterns-akademi/spanska/

Zum 100. Jahrestag des Matrosenaufstands und der Revolution in Deutschland gibt es ein Online-Seminar https://www.kvarnby.fhsk.se/utbildning/vansterns-akademi/rosa-luxemburg-och-den-tyska-revolutionen-1918-19/  mit Henning, dem Schulleiter. Das Seminar ist ausgebucht. Im Anschluss findet dann im Januar eine Studienreise nach Berlin statt.

Als Agnes und ich zurück nach Gullvik kommmen, sind die Prüfungen beendet und die Lehrer treffen sich zum gemeinsamen Mittagessen in der Cafeteria. Einige bringen sich ihren „lunch“ von zu Hause mit, andere essen „paj och sallad“ bei Obeida.

Für den Nachtisch habe ich gesorgt und einen Käsekuchen gebacken.

Die sieben Tage in der Kvarnby Folkhögskola waren eine großartige Erfahrung! Ich bin von allen sehr herzlich empfangen worden. Henning und Agnes haben mir trotz ihrer vielen Arbeit sehr viel Zeit geschenkt und meine Fragen immer geduldig beantwortet.

Ich durfte bei allen Lehrern trotz der Prüfungsvorbereitung hospitieren und auch sie haben in ihren Pausen sehr viel Zeit mit mir verbracht, mir Vieles erklärt und mir sehr guten Sprachunterricht gegeben!

Die vhs Husum sucht schon lange Dozenten für Schwedisch-Bildungsurlaube im nächsten Jahr. Drei Lehrer haben großes Interesse und kommen vielleicht nach Husum! Es wäre toll, wenn daraus eine vhs-Partnerschaft entstünde!

Det var jättefint! Ett stort tack!

Schlusswort

Digitalisierung?

Schweden ist DAS Land in Europa mit Vorbildfunktion im Bereich der Digitalisierung. https://www.techtag.de/digitalisierung/schweden-und-die-digitalisierung-ein-land-mit-vorbildfunktion/

Sfi – Kurse und Digitalisierung

Auch hier hat Schweden eine Vorbildfunktion!

Die Bürokratie in sfi – Kursen und die Datenübermittlung an Staat und kommunale Behörden sind auf ein Minimum reduziert und lassen Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zur Vermittlung einer fremden Sprache und Kultur!

 Lernen in sfi – Kursen

Für die Lernenden sind die Kurse kostenlos. Jeder lernt je nach Vorbildung in unterschiedlichen Kursen in seinem eigenen Tempo. Es gibt kein Stundenkontingent. Jeder hat die Zeit, die er braucht um die Sprache zu lernen!

Stressfreies Lernen, Lehren und Arbeiten in angenehmer Atmosphäre stehen in der Kvarnby Folkhögskola im Vordergrund!

Danke für diesen wertvollen Einblick!

Danke für diese Zeit!

Digital Extra – eLearning for use in schools and museums, Stockholm

von C. B.

Tag 1: Samstag, 4.8.2018

Aufstehen um drei Uhr morgens … das habe ich schon lange nicht mehr gemacht! Aber was tut man nicht alles für einen Direktflug von Hamburg nach Stockholm? Ich staune also über die vielen Menschen, die um diese Uhrzeit schon Koffer schieben, schreiende Kinder trösten und noch schnell Plastikflaschen entsorgen. Ich fliege nicht gern, schaffe es aber tatsächlich, im Flugzeug einzuschlafen. Bei knapp eineinhalb Stunden Flugzeit macht das den Kohl aber auch nicht fett. Es ist schon fast zu einfach: In Stockholm bekomme ich meinen Koffer in Windeseile, ziehe mir am Automaten (Schwedisch! Ich spreche kein Schwedisch!) ein Ticket für den Bus, der dann auch eine Minute später von Arlanda in die Innenstadt abfährt. Ein kurzer Umstieg in die S-Bahn und um halb zehn stehe ich in meinem Hotel. Todmüde. Das Zimmer ist erst ab 15 Uhr bezugsfertig. War ja klar. Dann also Koffer abstellen und raus ins schwedische Leben: Die S-Bahn bringt mich in die Innenstadt, wo mich ein Wolkenbruch empfängt. Nach gefühlten Wochen mit Temperaturen über 34 Grad in Hamburg ist das geradezu ein Geschenk. Die nassen Füße weniger, aber wir wollen nicht meckern. Als regelorientierte Deutsche habe ich meinen Reiseführer im Gepäck und den entsprechenden Stadtplan sowie den Verkehrswegeplan downgeloaded auf meinem Handy. Schließlich bin ich hier zu einer Fortbildung, die „digital extra“ heißt. Die vielen Gassen, wenn auch rechtwinklig angelegt, verwirren mich allerdings doch … oder bin ich nur einfach k.o.? Irgendwann gebe ich es auf mit der Orientierung und schlendere einfach drauflos: skandinavisches Design, H&M (ich erwarte irgendetwas Ursprüngliches, werde aber enttäuscht), Souvenirs … Ich lasse mich treiben und lande ganz von selbst an meinem anvisierten Ziel: Gamla Stan. Enge und engste Gässchen bilden auf einer der vielen Inseln, aus denen Stockholm besteht, die Altstadt.

Altstadt von Stockholm

Ich bummle herum und freue mich, dass mein Kurs erst am Sonntagabend beginnt, so kann ich die Stadt schon ein wenig auf eigene Faust erkunden. Hatte ich erwähnt, dass ich eigentlich todmüde bin?
Inzwischen scheint wieder die Sonne und die Stadt lässt langsam ihren Zauber walten: Wasser, wohin man sieht, Schlösser, Museen, Schiffe, weiße Wolken am blauen Himmel … Ich setze mich in einem Park in eine Teestube und genieße es, dem Treiben zuzusehen. Die nächsten Designkaufhäuser und Museen spare ich mir für einen anderen Tag und beschließe, zum Hotel zurückzukehren. Und, oh Wunder! Das Zimmer ist jetzt frei und ich kann meine Unterkunft für die nächsten sieben Tage beziehen: Es ist ein Apartmenthotel in einem nördlichen Stadtteil (Solna) und mein Zimmer besteht aus Schlafzimmer mit Sitz- und Essecke sowie einer Küche und einem Bad. Prima! Mittagsschlaf kann herrlich sein!

Morgen Vormittag steht eine zweieinhalbstündige Schifffahrt (man braucht dieses Wort mit den drei „f“ also doch mal :-)) auf meinem Programm. Im Voraus online gebucht, Ticket auf dem Handy. Wenn das nicht digital ist!

Tag 2: Sonntag, 5.8.2018

Bevor es losgeht: Sehr euch diesen Himmel an…

Dafür hat sich die Fahrt nach Schweden schon gelohnt! Aber es kommt noch besser:
Nach wohlverdientem Schlaf hatte ich für heute Vormittag eine zweieinhalbstündige Schärenfahrt gebucht. Überpünktlich – um auf jeden Fall einen guten Platz zu ergattern – war ich am Fähranleger und wurde zum Kaffeetrinken geschickt: Das Schiff musste noch geputzt werden. Ich setzte mich in ein kleines Café gegenüber der Pier und kam mit einer jungen Frau ins Gespräch, die dort ihr Frühstück einnahm. Wir unterhielten uns eine ganze Weile, auf Englisch, weil sie aus Weißrussland kam. Sie ist Künstlerin, lebt in Stockholm und hat hier bereits mehrere Ausstellungen gehabt. Sie zeigte mir Fotos davon auf dem Handy und schwärmte vom Ingmar Bergmann Museum gleich um die Ecke. So verging die Zeit bis zur Abfahrt des Schiffes wie im Flug.

Das Schiff, das von außen nicht besonders viel hermachte, entpuppte sich als äußert schönes altes Schiff mit Holzmobiliar und grünen Samtsitzen. Ich fand einen Platz außen auf der umlaufenden Bank, die durch eine Art Dach vor Sonne und Regen geschützt war. Eine Reiseleiterin begleitete die Tour auf Schwedisch und Englisch: Wir fuhren durch die Schäreninseln bis nach Wäxholm und wieder zurück. Diese Inseln, von denen es über 30.000 gibt, erwiesen sich als das schwedische Idyll, das man im Kopf hat: rotbraune oder gelbe Ferienhäuser mit Anlegestegen und flache große Steine, die direkt ins Wasser führen. Ein Traum!

Im Übrigen sind auch die Stockholmer S-Bahn-Stationen einen Blick wert: Sie liegen extrem tief unter der Erde und sind wie Höhlen gestaltet. Alle sind bemalt und thematisch mit Bezug zu ihrer Umgebung ausgeschmückt:

U-Bahnstation in Stockholm
Tag 3: Montag, 6.8.2018

Es ist 22 Uhr und ein langer Tag liegt hinter mir: Gestern Abend, also am Sonntag, stand das erste Gruppentreffen auf der Dachterrasse des Hotels auf dem Programm. Die drei Lehrer stellten sich vor und natürlich die insgesamt 11 Teilnehmer aus zwei Kursen: digital extra und SMILE (ein museumspädagogischer Kurs). Ein gemeinsames Pizzaessen bei einem Italiener um die Ecke ermöglichte erste Kontakte: Wir sind vier Griechen, ein Österreicher, eine Spanierin, ein Italiener und vier Deutsche. Heute Morgen dann die ersten Unterrichtsstunden in einem kleinen Tagungsraum im Hotel. Die Stimmung war fröhlich.

David stellte uns das Kursprogramm vor und führte uns mit Fragen wie „was ist ein Museum?“, „wie funktioniert ein Museum?“, „wie und was lernt man in einem Museum?“ in das Thema ein. Wir Teilnehmer waren schon vor dem Start gebeten worden, drei Objekte mitzubringen und sie als „unser Museum“ vorzustellen. Das fing gleich gut an, als Maria, eine der vier Griechinnen, ein Lied zu singen begann, das sie besonders liebt. Alle stellten ihre drei Objekte und damit sich selbst der Gruppe vor. Zum Mittagessen gab es ein Spezialitätenbuffet, zu dem wir ebenfalls durch eine Leckerei aus der jeweiligen Heimat, beigetragen haben. In meinem Fall war das eine große Packung Lübecker Marzipan.

Schwedisches Spezialitätenbuffet

Am Nachmittag ging es dann per S-Bahn mit unserem Guide Steven in die Altstadt. Er führte uns durch die engen Gassen und erklärte Details zu Stockholms Geschichte. Vorher waren vier Gruppen gebildet und jeweils mit einem iPad ausgerüstet worden, um Fotos zu machen. Diese werden später mithilfe einer besonderen App zu einer Dokumentation zusammengeführt. Dazu später mehr.

Der Abend klang aus mit einem gemeinsamen Abendessen in der Altstadt. Ein witziger Kellner, der allen Ehrgeiz daran setzte, unsere Bestellungen ohne Notizen zu bringen (Er sei Schachspieler, erklärte er stolz), trug zur guten Stimmung bei.

Gegen halb zehn waren wir wieder im Hotel und morgen geht es um Viertel vor acht (!) weiter…

Tag 4: Dienstag, 7.8.2018

Heute ist Dienstag und der Tag begann sehr früh: Schon um zehn vor acht haben wir uns vor dem Hotel getroffen, um gemeinsam zum weltweit ältesten Freilichtmuseum zu fahren, nach „Skansen“. Es handelt sich um ein Museum mit Freizeitpark und Zoo auf der großen Parkinsel Djurgarden mitten in Stockholm.

Im Skansen-Freilichtmuseum

Anfang des 20. Jahrhunderts wollte man verschiedene schwedische Baustile hier vereinen, um schwedische Identität zu zeigen und zu bewahren. Man zerlegte typische Häuser in allen Regionen des Landes und baute sie in Skansen wieder auf. Eine Führerin in Tracht erzählte uns vom Leben der Armen und der Reichen in den letzten Jahrhunderten. Wir konnten die Häuser betreten und auch alles anfassen. Witzig war, dass viele Kostümierte durch den Park liefen, als wären sie im letzten Jahrhundert. Man konnte sie ansprechen und zu ihrem „Leben“ befragen. So interviewten wir den Lehrer in der Dorfschule und die Krankenschwester, die auf einem alten Fahrrad umherfuhr.

Im Anschluss gab es ein typisch schwedisches Mittagessen und weiter ging’s mit der Fähre zurück in die Altstadt, wo wir im „Levande Historia“ (lebende Geschichte) ebenfalls durch die Ausstellung geführt wurden. Dies ist eine neuere Einrichtung, die auf einen ehemaligen Premierminister zurückgeht, der in Sorge um die historische und politische Bildung der Bevölkerung dieses Institut errichtete, das sich mit dem Holocaust beschäftigt, aber auch andere Themen aufgreift. Von hier aus war es nur ein kurzer Weg ins Mittelalter-Museum.

Uns qualmten zwar im wahrsten Sinne schon die Socken, aber tapfer kämpften wir uns durch die Stadtgeschichte Stockholms. Der Tag schloss wieder mit einem gemeinsamen Abendessen in der Altstadt. Der letzte Akt am Abend war dann natürlich das Lerntagebuch zu schreiben, bei schlechtem WLAN und dem Wunsch, auch Fotos zu schicken, kein leichtes Unterfangen! Aber wenigstens kann man dabei sitzen!

Tag 5: Mittwoch, 8.8.2018

Am Mittwochmorgen gab es eine kleine Theorieeinheit im Hotel: Das Erstellen von QR-Codes stand auf dem Programm. Mithilfe von Apps lassen sich QR-Codes mit Texten, Videos, Bildern hinterlegen, so dass man Schülergruppen zum Beispiel eine Art Schnitzeljagd durch ein Museum machen lassen kann. Oder Teilnehmer erstellen selbst QR-Codes (mithilfe eines Minidruckers lassen diese sich auch direkt vor Ort ausdrucken!). Für die Perfektionisten kann man diese QR-Codes sogar farbig hinterlegen und mit einem Logo oder Foto versehen.

Im Anschluss an den Besuch im Skansen Freilichtmuseum diskutierten wir die schwierige Aufgabe der Identitätsbildung für Museen. Nach dieser theoretischen Stunde machen wir uns aber auch wieder auf den Weg und das nächste Museum war wirklich atemberaubend: Vasa-Museum. Ich hatte vorher im Reiseführer gesehen, dass es ein Museum für ein altes Kriegsschiff gab, dies aber insgeheim als „langweilig“ aussortiert. Nun standen wir vor einem Schiff aus dem 17. Jahrhundert, das zu 98 % Original erhalten geblieben ist!

Kriegsschiff im Vasa-Museum

Die Geschichte dazu ist so einzigartig, dass ich sie hier kurz erzählen möchte: Im dreißigjährigen Krieg bekam der schwedische König einen Trump-Anfall und wollte allen zeigen, dass er der beste, größte und mächtigste König ist. Er ließ das bis dahin größte Kriegsschiff der Welt bauen und forderte kurz vor Bauende noch ein weiteres Kanonendeck. Die Schiffsbauer waren skeptisch, erfüllten aber die Wünsche des Königs. Bei der Jungfernfahrt mit über 300 Seeleuten an Bord fuhr das Schiff genau 1000 Meter … und sank. Es sank noch im Stockholmer Hafen, wo es 333 Jahre auf Grund lag. Natürlich war es im 17. Jahrhundert undenkbar, dieses Schiff zu heben, dazu hätten die technischen Möglichkeiten nicht ausgereicht. Das Schiff geriet über die Jahrhunderte in Vergessenheit. Erst 1961 (!) wurde es gehoben und baute dieses Museum sozusagen um dieses Schiff herum. Ein weiteres Detail: Die besondere Mischung des Hafenwassers von Stockholm – eine Mischung aus Süßwasser aus dem Mälarensee und aus Salzwasser der Ostsee – verhinderte, dass das Holz des Schiffes unter Wasser zerfiel, denn die Mikroben, die normalerweise dafür verantwortlich sind, fehlen hier. Ein tolles Museum, in dem man auf sieben Galerien um das Schiff herum alles Wichtige erfährt.

Nach dem Mittagessen ging es weiter ins technische Museum, das auf den ersten Blick nicht besonders auffällig war. Die Schwüle machte uns zu schaffen und wir schlenderten etwas angestrengt durch die Ausstellung. Das Highlight des Tages war dann aber dies: Wir hatten die Möglichkeit, im Fernsehstudio des Museums eine Nachrichtensendung mit uns zu drehen. Diese wurde aufgezeichnet und wird heute Abend im Offenen Kanal Stockholm gezeigt! David, unser Lehrer, wird sie auf Youtube stellen, so dass auch ihr Daheimgebliebenen sie sehen könnt. Wir bildeten Gruppen von Kameraleuten, Cuttern, Interviewern, Textschreibern etc. und machten uns an die Arbeit.

Nach knapp zwei Stunden zeichneten wir unsere eigene Nachrichtensendung auf und sind sehr stolz auf das Ergebnis!

So schnell geht ein Tag zu Ende! Unsere mediterranen Kollegen zogen noch weiter in die Stadt, aber wir Nordeuropäer kehrten erschöpft ins Hotel zurück: Morgen machen wir einen Tagesausflug nach Schloss Gripsholm!

Tag 6: Donnerstag, 9.8.2018

Um neun Uhr ging es mit zwei großen Taxis los in die Stockholmer Umgebung. Ca. 100 km vor der Stadt liegt der Ort Mariefred (Marienfrieden) mit Schloss Gripsholm. Hier liegt Kurt Tucholsky begraben. Der Tag versprach heiß zu werden: Blauer Himmel und Sonne wie am Mittelmeer. Wir besichtigten die Renaissancestadt mit der kleinen Ladenstraße und den Promenaden am See. Eine herrliche Ruhe liegt über diesem Land und die entspannte Atmosphäre eines Ferienortes, wo man direkt an der Promenade in den See springen kann, wenn einem der Badesteg zu eng ist, lässt uns schon Pläne für den Sommerurlaub im nächsten Jahr schmieden.

Wir besichtigen das Schloss Gripsholm mit der berühmten Gemäldegalerie und schlendern durch die Stadt. Zurück nehmen wir das Dampfboot, das uns in vier Stunden wieder nach Stockholm bringt. Während der Fahrt über den Mälarensee genießen wir den Blick auf die vielen Inseln und Badestellen und am Schluss die Einfahrt in die Stadt bei Sonnenuntergang.

Stockholm bei Sonnenuntergang

Der Abend endet etwas stillos in einem „MAX“, was dem schwedischen McDonalds entspricht, aber wir wollen nicht meckern. Alle sind voller Eindrücke, müde und freuen sich auf eine Dusche.

Tag 7: Freitag, 10.8.2018

Es ist Freitag! Die Woche ist um und die Stimmung ist bestens! Steven führt uns am Vormittag durch zwei Stadtteile im südlichen Stockholm, um uns zwei weitere Stückchen Stadtgeschichte zu zeigen.

Vor allem die „Gartenstadt“ mit den kleinen Häuschen für die Arbeiter des frühen 20. Jahrhunderts, die heute fast alle von Architekten bewohnt werden, gefallen uns. Nach einem letzten Lunch im Hotel geht es an die Auswertung der Woche: Wir müssen in unseren Gruppen mit Hilfe einer App ein Video erstellen. Über zwei Stunden sitzen wir daran, es macht viel Spaß! Wir können auch Texte dazu einsprechen, Musik einspielen usw. Unser Endergebnis ist vier Minuten lang und wir sind zufrieden. Alle Gruppen präsentieren ihre Videos, außerdem sehen wir „unsere“ Fernsehsendung auf dem Offenen Kanal.

Schließlich gibt es noch ein Zertifikat und Applaus für alle!
Zum Abendessen werden wir dann in ein schwedisches Lokal auf der Insel Södermalm ausgeführt und essen ganz ausgezeichnet: mit Lachs gefüllte Heringe (!), Pytti panna (fast wie Labskaus), Elchklöße und Lachsfilet. Wir schwelgen und feiern unseren Abschied. Das Dessert setzt dem ganzen dann noch die (schwedische) Krone auf!
Wie das dann immer so ist, tut man sich am Ende schwer mit dem Abschied: Viele Küsschen und Umarmungen und Wünsche für die Heimreise und ein Wiedersehen! Vor mir aus gern!
Wir beschließen den Kurs mit einem Ausblick über das nächtliche Stockholm, vom Katharinahisse:

Stockholm bei Nacht
Tag 8: Samstag, 11.8.2018

Alle Adresse sind ausgetauscht, alle Fotos in einer WhatsApp-Gruppe geteilt. Die ersten Teilnehmer sind zum Flughafen gefahren und die Gruppe wird immer kleiner. Ich nutze den nicht mehr so heißen, aber sonnigen Tag für eine Busfahrt durch verschiedene Stockholmer Stadtteile und bummle durch Geschäfte. Schließlich wollen die Lieben zu Hause auch einen Eindruck bekommen. Am Nachmittag fahre ich an einen der vielen Seen an eine Badestelle und gehe schwimmen… Wie herrlich!

Das Wasser ist kühl und angenehm. Kleine Fische schwimmen vor mir weg und ich glaube, ich bin hier die einzige Touristin … Am Abend sortiere ich meine Unterlagen, lasse meine Bordkarte ausdrucken und setze mich mit einem letzten Abendessen auf die Hotelterrasse im neunten Stock: Der Himmel ist dramatisch, neben mir hören drei deutsche Jugendliche das Lied „Pocahontas“ von AnnenMayKantereit. Da muss ich denn doch grinsen …

Fazit

Ein achttägiger Stockholm-Aufenthalt im Hochsommer verspricht ja an sich schon Genuss. Wenn er nun noch verbunden ist mit dem Besuch von acht außergewöhnlichen Museen und deren digitaler Erkundung, dann kann man mehr als dankbar sein für so eine Chance!

Vom 4. bis 12. August 2018 habe ich am Kurs „digital extra“ von EUcourses in Stockholm teilgenommen. Der Kurs beinhaltete auch Unterkunft – in einem Apartmenthotel – und Vollpension. Wir waren wirklich rundum versorgt. Eintritte und Fahrgelder waren ebenfalls enthalten. Die Veranstalter, insg. drei Schweden, haben uns sehr routiniert und erfahren durch die Woche geführt. Eingerahmt wurde das Besichtigungsprogramm von Unterrichtseinheiten mit theoretischen Inhalten zu Museumskonzepten, Fragen der Identität, der Besichtigungsmöglichkeiten etc.

„Wir“, das waren 11 Teilnehmer aus Griechenland, Österreich, Spanien, Italien und Deutschland. Sehr schnell stellte sich ein aus alten Tagen bekanntes „Klassenreisegefühl“ ein: Man alberte herum, lachte zusammen und – als Tribut an neue Zeiten – schoss zahllose „Selfies“ oder „Groupies“! Die Stimmung war sehr locker und angenehm. Wir bildeten insgesamt drei Gruppen, die mit verschiedenen Aufgabenstellungen zusammen unterwegs waren. Zum einen wurde der „Blick“

geschult: Wir durften an einem Tag in der Gruppe nur Fotos mit dem Thema „gelb“ machen. An einem Tag wurde die Zahl der Fotos limitiert. Fotos wurden übrigens mit einem eigens verteilten iPad gemacht. Jede Gruppe verfügte über eines und konnte so ihre Fotos und Videos sammeln. In einem Museum wurden den Gruppen unterschiedliche Ausstellungsobjekte zugewiesen, die sie den anderen präsentieren sollten, indem sie eine „Geschichte“ dazu erzählten. Eine QR-Code-Rallye wurde entwickelt, wir konnten eine eigene Nachrichtenshow in einem echten Fernsehstudio aufnehmen und und und.

Und gibt es auch etwas zu meckern? Wenn es denn unbedingt sein muss: Die Englischkenntnisse einiger Teilnehmer waren mehr als dürftig, was zu Beeinträchtigungen in der Gruppenarbeit, aber auch bei den theoretischen Exkursen geführt hat. Darauf sollte man in Zukunft vielleicht ein bisschen mehr achten.

Ich habe diesen Kurs mehr als genossen und bin voller Ideen wieder nach Hause zurückgekehrt.

Meine Kollegen zu Hause werden sich jedenfalls unsere „Nachrichten“ und das Video ansehen müssen, versüßt mit Knäckebrot und Lachs aus Stockholm!