Finnland: Migrants‘ course: Let’s use ICT teaching and learning of newly-arrived migrants

von F. S.

Samstag: 11.05.2019

Meine Reise beginnt am 11. Mai 2019, einen Tag bevor mein Kurs in Helsinki losgeht. Ich erhoffe mir von dem Lernangebot, Inspirationen aus einem der führenden Länder für die Einbindung von Digitalisierung in den (Lern-) Alltag und Eindrücke, sowie Erfahrungen von den anderen Kursteilnehmenden.

Mein eigener Aufgabenbereich beim Landesverband der Volkshochschulen ist die Umsetzung vom Projekt „Starterpaket für Flüchtlinge in Schleswig-Holstein“, was sich wie viele Aspekte der Weiterbildung nun den Herausforderungen der Digitalisierung stellen muss.

Helsinki fasziniert mich vom ersten Moment an, da die Stadt unglaublich grün ist. Moderne Architektur ist quasi direkt in den Wald gebaut worden. Meine Unterkunft liegt etwa 20 Minuten nordöstlich vom Stadtzentrum in Vantaa. Hier findet ab Montag auch mein Kurs statt und den Weg zum Vocational College kann ich problemlos zu Fuß gehen. Ich erkunde erst einmal Vantaa und die Gegend um meine kleine Wohnung, bevor ich mich ins Stadtzentrum aufmache und die finnische Hauptstadt aus der Nähe betrachte.

Da am morgigen Tag eine Stadtführung mit den anderen Kursteilnehmenden geplant ist, spaziere ich einfach etwas umher, ohne das Gefühl zu haben, die Sehenswürdigkeiten suchen zu müssen.

In der Feinkostabteilung des Kaufhauses Stockmann finde ich ein wunderbares Abendessen und fahre dann zufrieden zurück nach Vantaa.

 

Sonntag: 12.05.2019

Mein erster Kurstag findet glücklicherweise nicht in den Unterrichtsräumen statt. Auch ausschlafen darf ich am Sonntag noch, da wir uns erst um 14 Uhr am Hauptbahnhof in Helsinki treffen wollen. Zwei Betreuer, Jenny und Ilpo von Euneos warten dort auf die große Gruppe aus ganz Europa. Viele Nationalitäten sind bei den überwiegend weiblichen Kursteilnehmenden vertreten, vor allem Griechenland und Italien.

Jenny führt uns durch das kleine Stadtzentrum von Helsinki und zeigt uns die wichtigsten und schönsten Ecken bei strahlendem Sonnenschein. Ilpo streut hier und dort ein paar historische und kulturelle Fakten ein und erklärt uns, wie die Geschichte das heutige Finnland beeinflusst hat.

Ein besonderer Ort ist die Oodi Bibliothek ganz in der Nähe des Bahnhofs. Es ist die im Dezember 2018 eröffnete Nationalbibliothek Finnlands und sowohl architektonisch als auch kulturell wirklich beeindruckend.

Das Gebäude ist aus Holz und Glas gebaut und hat kaum grade Linien, was es so spannend macht.

Drinnen gibt es drei Ebenen, jede mit einem Café oder Restaurant ausgestattet und man hat das Gefühl, die gesamte Kreativität Helsinkis trifft sich dort.

In der unteren Ebene befindet sich die Leihstelle, einige Regale mit den aktuellen Bestsellern, ein großer Eingangsbereich mit vielen Sitzmöglichkeiten und ein Restaurant.

Auf der zweiten Ebene ist ein Co-Working Space mit einzelnen Gruppenarbeitsräumen, Virtual Reality Räumen und einem großen Arbeitstisch mit Nähmaschinen, Textildruck und diversen Rechnern und Tablets. Jenny berichtet uns, dass man hier lernen, arbeiten, oder sich kreativ ausleben kann. Viele kleine Unternehmen in Helsinki nutzen die Räumlichkeiten, da sie selbst keine haben oder die Atmosphäre schätzen.

Selbstverständlich ist der Zugang kostenfrei und diverse Ansprechpartner stehen zur Verfügung um zu helfen.

Die dritte Ebene scheint komplett aus Glas zu bestehen, hier sind die Bücher und weitere Arbeitsplätze untergebracht. Viele Menschen lesen in den zahlreichen gemütlichen Sesseln oder kommen in die Bibliothek um Zeit zu verbringen. Eine Dame strickt, jemand liegt mit geschlossenen Augen auf einem Sofa und hört ein Hörbuch und Familien sitzen an den Tischen im Café und genießen die Sonne. Trotz des belebten großen Raumes ist es angenehm ruhig, was besonders bemerkenswert ist, da es auch große Teppiche mit Spielsachen und Büchern für Kinder gibt. Mit dieser Bibliothek wurde in Helsinki ein ganz und gar wunderbarer Ort geschaffen, an dem man gern Zeit verbringt.

Der Abend steht uns dann zur freien Verfügung und ab morgen treffen wir uns in den Räumen des Varia College Vantaa.

 

Montag: 13.05.2019

Mein erster Tag am Varia Vocational College in Vantaa beginnt um 9 Uhr in der ehemaligen Bibliothek. Diese wird nicht länger genutzt, da alle Lehrbücher inzwischen digitalisiert sind.

Die Schule hat uns zwei Schüler aus dem ersten Jahr der ICT Ausbildung für die ganze Woche zur Verfügung gestellt, die mit jeglichen technischen Problemen helfen können. Für sie wird es als praktische Erfahrung gewertet und für uns ist es sehr angenehm, immer einen Ansprechpartner zu haben.

Der Kurs erhält eine kurze Einführung zur Geschichte und Entstehung dieser weiterführenden Schule. Sie wurde 1963 gegründet und hat derzeit 3500 Lernende aller Altersklassen. Etwa 30 % davon haben eine andere Muttersprache als Finnisch. Die Aus- und Schulbildung basiert hier nicht auf Zeit, sondern auf Kompetenzen. Das bedeutet, dass die notwendigen Fähigkeiten möglichst ohne Druck erlernt werden und dass die Lernenden nicht nach einer bestimmten Zeit fertig sein müssen, sondern dann, wenn sie sich das gesamte Wissen angeeignet haben. Im Durchschnitt dauert ein Abschluss drei Jahre und die Schüler*Innen kommen mit 16, nach den verpflichtenden Schuljahren in Finnland.

Es gibt 17 Felder, in denen unterrichtet wird und Abschlüsse erreicht werden können. Der praktische Bezug zur späteren Arbeit ist hier besonders wichtig und in die Ausbildung integriert. Bei einem Rundgang durch die Schule lernen wir einige der Felder kennen. Die meisten Räume, die wir besichtigen sind für Handwerksberufe ausgelegt: zum Beispiel Tischler, Heizungsinstallateure und Maurer können hier alle wichtigen Grundlagen der Arbeit erlernen. Ebenso gibt es Räume für angehende Friseur*Innen und Fotograf*Innen.

Besonders schön ist die Wertschätzung der einzelnen Felder innerhalb er Schule zu beobachten. Die Schüler*Innen des Bereichs Malerei gestalten die Wände, diejenigen des Bereichs Küche und Service betreiben die Kantine und das hauseigene Restaurant.

Anschließend hören wir einen Vortrag von Pia Hakkari, einer Mitarbeiterin der Abteilung für Bildung in der Stadt Vantaa. Sie erklärt uns das finnische Bildungssystem und erläutert, dass es hauptsächlich auf Zusammenarbeit und Vertrauen basiert. Auf Staatsebene werden zwar Vorgaben gemacht, die jedoch von den einzelnen Städten und sogar Schulen individuell umgesetzt werden können.

Das Mittagessen dürfen wir in der Kantine für Lehrende der Schule genießen und werden dabei auf die Schüler*Innen aufmerksam, die sich um die Zubereitung und die Organisation in der Küche kümmern. So wird den Kursinhalten von einzelnen Gruppen ein besonderer Wert beigemessen und aktiv Nachhaltigkeit betrieben.

Der Nachmittag besteht aus einem Vortrag von zwei Lehrerinnen am Varia Vocational College, die von ihren Erfahrungen im Unterricht berichten. Beide unterrichten gemeinsam eine Gruppe von Migrantinnen, die sowohl Finnisch lernen als auch Kinderkrankenschwestern werden wollen. So ist eine der beiden für den Sprachunterricht und eine für den praktischen Unterricht zuständig. Sie stellen uns im Rahmen des Vortrags verschiedene Digi-tools vor, die wir heute und am Mittwoch gemeinsam ausprobieren werden. Wir lernen heute ThingLink und Padlet kennen und probieren sie auch direkt aus. Gemeinsam erarbeiten wir Möglichkeiten, diese Lerntools in unserem Arbeitsalltag zuhause zu nutzen.

 

Dienstag: 14.05.2019

Der dritte Tag meines Aufenthaltes beginnt mit einer kleinen Finnisch Lektion: Hyvää huomenta bedeutet „Guten Morgen“ und ist gar nicht so einfach auszusprechen. Unsere heutige Referentin Karoliina ist Lehrerin für Finnisch als Zweitsprache an einer Schule hier in Vantaa. Sie begrüßt uns auf allen Sprachen, die im Kurs vertreten sind (das sind immerhin 5) und berichtet von ihren Erfahrungen im Sprachunterricht. Der Schwerpunkt liegt heute auf Spracherwerb und Vokabeln lernen.

Finnisch ist eine sehr praktische Sprache, um aufzuzeigen, dass Spracherwerb in jeder Altersklasse schwer ist, da bis auf eine Teilnehmerin im Kurs niemand die Sprache versteht. Wir werden daran erinnert, welche Techniken besonders wichtig sind, wenn das Sprachniveau im Kurs noch niedrig ist.

Die erste App, die in diesem Zusammenhang vorgestellt wird, ist classdojo.com. Hier wurde von Karoliina bereits ein Kurs mit unseren Namen erstellt. Jeder Teilnehmer erhält ein kleines Monster Icon und das Programm kann Gruppen zusammenstellen, Arbeitsaufträge visualisieren und die Lautstärke im Klassenraum anzeigen.

Dann dürfen wir selbst aktiv werden und unseren eigenen Kurs erstellen, um die Funktionen besser kennenzulernen.

Die Mittagspause wird heute draußen im strahlenden Sonnenschein verbracht, nachdem wir uns mit leckerem Essen aus der Schulkantine gestärkt haben. Da das College in Vantaa, außerhalb von Helsinki liegt, muss man nur einen kurzen Weg zurücklegen, bevor man zwischen Feldern und Bäumen mitten in der Natur steht.

Am Nachmittag zeigt Karoliina uns die App Quizlet.com und auch hier dürfen wir selbst erst als Lernende und dann als Lehrende die Möglichkeiten selbst ausprobieren. In dieser App können Lernkarten oder Schaubilder mit verschiedenen Vokabeln ausgestattet werden, besonders hilfreich ist hier auch die visuelle Stütze der Wörter.

Ich nutze das gute Wetter und die lange Helligkeit in Finnland, um nach dem Kurs noch einmal in die Innenstadt zu fahren und da kulturelle Weiterbildung auch Teil meiner Reise sein soll, genieße ich eine typische kanelipulla (Zimtschnecke).

Mittwoch: 15.05.2019

Am Mittwoch wird unser Kurs erneut von den beiden Dozentinnen betreut, die bereits am Montag bei uns waren. Montag haben sie uns die Hausaufgabe gegeben, entweder selbst ein Video zu filmen, oder uns eines auszusuchen, das wir bearbeiten möchten. Sie heißen beide Anna und erklären uns heute die Möglichkeiten, die Lernvideos im Sprachunterricht darstellen und wie wir diese erstellen können. Da die beiden angehenden Krankenschwestern unterrichten, nutzen sie Videos von Kindern, die dabei helfen können, motorische Entwicklungen oder Verhaltensweisen zu visualisieren und analysieren.

Wir lernen die App H5P.org kennen und dürfen eigene Videos für unseren Bedarf oder nur zum Spaß erstellen. Mein Beispiel ist ein kurzer Clip aus der „Sendung mit der Maus“, mit Hilfe dessen interaktiv Vokabeln gelernt werden können. Wörter wie „Maus“, „Elefant“ oder „Ente“ können sowohl mit dem Bild als auch mit der Bewegung dargestellt werden. Ich kann das Video an der passenden Stelle pausieren und durch das Anklicken eines Icons wird dann die Vokabel angezeigt.

Am Ende des kurzen Clips werden die neu erlernten Wörter mit einem integrierten Lückentext abgefragt.

Für Interessierte hier der link: https://h5p.org/node/507991

Die Beispiele, die von den anderen Kursteilnehmenden erstellt werden zeigen, wie unterschiedlich die Lerngruppen und Unterrichtsformen sein müssen, da alle sehr individuell gestaltet sind.

Die Mittagspause ist heute etwas ganz Besonderes. Bereits um halb 12 (für  Finnland eine ganz normale Zeit zum Mittagessen) begeben wir uns in das Training-Restaurant, das von den Schülern des Varia Vocational College betrieben wird. Die Schüler*Innen erlernen hier die Bereiche Küche und Service und bereiten ein köstliches Drei-Gänge-Menü zu. Die Qualität des Essens ist herausragend und alle geben sich große Mühe mit der Präsentation.

Der Nachmittags-Block dreht sich dann weiter um die Erstellung der Lernvideos, sowie die anderen Funktionen, die H5P zu bieten hat. Es gibt Quiz-Optionen, eine Diktier-Funktion und zahlreiche andere Möglichkeiten, interaktive Einheiten zu erstellen. Wir haben genug Zeit, die einzelnen Felder mit Hilfe unserer Dozentinnen und der ICT Schüler kennenzulernen und auszuprobieren.

Ein besonders positiver Aspekt dieses Kurses ist für mich die Vielfalt an digitalen Lerntools, die vorgestellt wird. Man hat die Möglichkeit, viele verschiedene Dinge auszuprobieren und dann zu entscheiden, welche Apps man im Alltag nutzen möchte und dort die Kenntnisse dann gegebenenfalls vertiefen.

Schließlich benutzen wir das erste mir bereits bekannte Lerntool: Kahoot.com. Mit dessen Hilfe erstellt jeder ein farbenfrohes Quiz, das für den individuellen Unterricht genutzt werden kann. Auch hier werden wieder sehr unterschiedliche Ergebnisse produziert, sehr passend zu den jeweiligen Fächern und Lerngruppen der Teilnehmenden. Einige Kahoots spielen wir selbst durch und alle sind begeistert, von der Nutzung des eigenen Smartphones und des kleinen Wettbewerbs, der entsteht.

Das hervorragende Wetter motiviert mich, nach dem Kurs noch etwas die Gegend zu erkunden und ich fahre nach Sipoo, etwa 20 Minuten entfernt von Vantaa.

 

Donnerstag: 16.05.2019

Auch am Donnerstag beginnt der Morgen am Varia College mit strahlendem Sonnenschein.

Man kann an den blühenden Birken förmlich sehen, wie der finnische Sommer Einzug hält. Unsere Dozentin ist heute erneut Karoliina und sie erklärt uns zu Beginn des Tages, dass wir heute viel vorhaben. Es werden Apps für Bild- und Videobearbeitung vorgestellt und ausprobiert.

Die erste App ist Flipgrid.com, hier können Lernende kurze Videos als Antwort auf eine Aufgabe oder Frage erstellen. Karoliina erzählt, dass ihre Schüler*Innen diese App besonders gern nutzen und kaum Scheu vor der Kamera oder einem Video von sich selbst haben. (Das sieht bei uns im Kurs ganz anders aus!)

Grade für schüchterne Teilnehmende scheint dies eine besonders gute Option zu sein um Fähigkeiten abzufragen.

Es ist hier übrigens ganz selbstverständlich, dass alle Lernenden ein Chromebook oder ein iPad besitzen und im Unterricht nutzen können. In Vantaa werden die Schulen mit genug Geräten für jeden Schüler ausgestattet. Auch Smartphones können zum Beispiel bei Kahoots genutzt werden.

Die Anzahl an Benutzerkonten, die ich im Kurs bereits erstellen musste, steigt stetig weiter und ich bemühe mich, den Überblick zu behalten. Mein Eindruck von unseren verschiedenen Dozentinnen ist, dass diesen Daten geringerer Wert beigemessen wird.  Die Verwendung von hilfreichen Plattformen oder Apps passiert ganz selbstverständlich und ohne Hemmungen. ES fällt mir schwer, mir einen ähnlich entspannten Umgang mit diesen Geräten oder Plattformen in Deutschland vorzustellen.

Dann geht es direkt mit neuen Benutzerkonten bei spark.adobe.com und bookcreator.com weiter. Hier erstellen wir ein Video über das finnische Schulsystem und verfassen unser erstes ebook. Anschließend befassen wir uns mit dem Thema Animation.

Mit Hilfe eines iPads und kleinen Duplo Figuren filmen wir einen Stop-Motion-Animationsfilm und versehen ihn mit finnischen Vokabeln. Die Einleitung dauert nur wenige Minuten, da die App Stop Motion Studio sehr intuitiv und einfach funktioniert. Von den verschiedenen Ergebnissen im Kurs sind wir alle begeistert und die Gruppenarbeit kann einfach in den Unterricht übertragen werden.

Scratch.mit.edu ist eine Webseite, bei der wir erneut eine kleine Animation erstellen sollen. Diesmal müssen wir allerdings selbst den Code schreiben, um die gezeichneten Charaktere in Bewegung zu setzen. Schließlich probieren wir noch die App Toontastic aus, bei der wir nur die Stimme und Bewegungen der Figuren kontrollieren müssen.

Alle drei Formen der Animation bereiten dem Kurs großen Spaß und es werden bereits erste Ideen formuliert, wie man sie im Unterricht einsetzen könnte. Nach so vielen neuen Eindrücken sind wir froh, als Karoliina den heutigen Tag mit einer kleinen Feedbackrunde beendet, die selbstverständlich interaktiv bei Flipgrid stattfindet!

 

Freitag: 17.05.2019

Den Freitag verbringen wir in einem anderen Gebäude des Varia Vocational College, wo weitere Fachbereiche der Schule untergebracht sind. Es befindet sich in der Nähe des Flughafens von Helsinki, der ebenfalls in Vantaa liegt.

Anssi ist hier Lehrer für Logistik und führt uns durch die Räumlichkeiten. Was die Gruppe hier besonders beeindruckt, sind die großen Lagerhallen und Klassenräume für den Bereich Flugzeugtechnik.

Die Schule hat verschiedene eigene Flugzeuge, an denen die Schüler*Innen lernen können. Sie bauen sie auseinander und fügen sie wieder zusammen, während ein Lehrer sie beaufsichtigt. Die Ausbildung in den mechanischen Berufen dauert drei Jahre und die Schüler*Innen lernen zunächst die theoretischen Grundlagen, bevor es an die praktischen Erfahrungen und Praktika in den jeweiligen Bereichen geht.

Die technische Ausstattung ist auch hier hervorragend und die digitalen Lerntools unterstützen die handwerkliche Arbeit auf eine sehr natürliche Art und Weise.

Danach lernen wir Tea kennen, die ein Projekt mit Migrant*Innen an der Schule ins Leben gerufen hat. Es geht hierbei um das Erlernen von Finnisch als Zweitsprache und den Einsatz von Fotografie im Spracherwerb. Sie berichtet mit ihrer Kollegin Sanna davon, wie eine kleine Gruppe erwachsener Lernender mit Hilfe von Kameras kreativ werden konnte. So wurde beispielsweise die Stadt erkundet, oder es wurden Detailaufnahmen von Gegenständen gemacht, die als Vokabelkarten fungieren konnten. Unter dem Titel „Grammar in the camera“ wurden verschiedene Bilder aufgenommen, die das schier unmögliche Thema von finnischen Präpositionen versuchen zu visualisieren. Da es nicht wie im Deutschen tatsächliche Präpositionen gibt, sondern die Substantivendungen angepasst werden, kann es schwierig sein, dieses Thema zu verstehen.

Die Bilder des Projektes können unter anderem bei variaphotos.wordpress.com eingesehen werden.

Dann dürfen wir noch einmal selbst kreativ werden und sollen mit der Methode Camera-pen-learning eine Stärke unserer Lerngruppe (3-5 Personen) ohne Worte visualisieren. Wir einigen uns schnell aus das Thema Neugier und filmen ein kurzes Video in der Schule. Dabei soll in 15 Sekunden das Konzept vermittelt werden und auch hier sind die Ergebnisse der einzelnen Gruppen sehr individuell. Man merkt, wie die Scheu vor Videos und Smartphones, die zu Beginn der Woche noch herrschte, nahezu komplett abgebaut ist.

Nach der Mittagspause haben Piia und Anna, die ebenfalls an der Schule unterrichten und Expertinnen für e-learning sind, ein Lernspiel für uns vorbereitet. Wir sollen die digitalen Lerntools, wie zum Beispiel Virtual Reality Brillen oder Simulatoren in der Schule erkunden und ausprobieren. Das Lernspiel ist wie eine Schnitzeljagd aufgebaut und führt und quer durch das ganze Gebäude. Unter anderem können wir dabei einen Simulator für LKW´s und Bagger ausprobieren, den die Schüler*Innen hier im ersten Jahr nutzen können, wenn sie noch zu jung sind, um einen Führerschein zu machen. Gleichzeitig werden sie so auf die Praxis im Straßenverkehr vorbereitet.

Ich bin erneut beeindruckt, wie selbstverständlich hier der Umgang mit der herausragenden Ausstattung gepflegt wird. Den Lernenden und Lehrenden stehen unzählige Möglichkeiten zur Verfügung, um das Lernen aufregend und kooperativ zu gestalten und individuell auf jeden Einzelnen einzugehen.

 

Samstag: 18.05.2019

Nach 7 Kurstagen ist meine Zeit in Helsinki fast zu ende. Zum Abschluss besuchen wir einen weiteren Lernort, das Heureka Science Center. Es liegt ebenfalls in Vantaa, nur 2 km vom Varia College entfernt. Es handelt sich dabei um ein Museum für alle Altersklassen, wo spannende Experimente ausprobiert werden können. Die Technologien, die dabei genutzt werden, sind alle auf dem neuesten Stand und das interaktive natürliche Lernen mit Medien wird hier aktiv umgesetzt.

Die Schule in Vantaa hat mich sehr beeindruckt. Zu sehen, wie sehr eine Ausbildung wertgeschätzt wird, die mit der Berufsschule in Deutschland zu vergleichen ist, wirkt sehr inspirierend. Die Motivation, die ich aus meiner Zeit am Varia Vocational College wird sicher eine positive Wirkung auf meine Arbeit haben. Die Begleitung des Kurses durch Euneos war toll und unsere Betreuerin Jenni war jeden Tag vor Ort und stand uns mit Rat und Tat zur Seite.

Die anderen Kursteilnehmer kamen alle aus Lehrberufen und haben sehr interessante und individuelle Eindrücke mitgebracht. So haben zum Beispiel die Lehrer*Innen aus Griechenland und Italien häufig das Problem, dass Teilnehmende, die als Flüchtlinge in ihr Land kommen nicht lange bleiben. So werden nur erste, basale Sprachkenntnisse vermittelt. Die deutschen oder Finnischen Lehrer*Innen konnten hier von langfristigerem Spracherwerb berichten.

Die ICT tools, die im Kurs vorgestellt und erprobt wurden, haben in dem Fall das Potential, den Unterricht für viele zu erleichtern. Ich hoffe, dass ich sie zuhause ebenso gut bewerben und vermitteln kann, wie die Referenten hier.

Es war sehr spannend, noch einmal in die Rolle der Lernenden zu schlüpfen und die Erfahrungen werden mir sicher dabei helfen, die verschiedenen Aspekte und Auswirkungen meiner alltäglichen Arbeit zu berücksichtigen. Hier hat mich besonders überrascht, dass nicht alle guten Lehrer*Innen auch gute Schüler*Innen abgeben und Aspekte wie Ruhe während die Referenten sprechen oder das leise stellen des Handys nicht für alle selbstverständlich sind.

Die Reise nach Finnland war eine wunderbare Erfahrung und hat mir vermittelt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der sich ständig entwickelnden Digitalisierung ist. Wenn die Gesellschaft sich auf den Wandel einstellt und ausreichend Unterstützung von der Regierung erhält, kann diese neue Zeit gut navigiert werden. Der Umgang mit digitalen Lerntools und dem Internet im Allgemeinen ist selbstverständlich. Die Lehrenden suchen dort sowohl nach Möglichkeiten, die eigene Arbeit zu erleichtern und den Schülern die bestmögliche Ausbildung zu bieten. Eine Aussage eines Lehrers hat mich durch die ganze Woche begleitet: Wir haben verstanden, dass ICT nicht wieder verschwinden wird. Es wird sich immer weiterentwickeln und es ist unsere Aufgabe unsere Schülerinnen und Schüler darauf vorzubereiten.

Die Einstellung der Finnen zu Bildung im Allgemeinen ist sehr positiv und inspirierend. Der Wertschätzung der Schule und das Bestreben, allen dieselben Chancen zu ermöglichen schaffen eine tolle Lernatmosphäre. Ich bin fast versucht, selbst im Varia Vocational College zu bleiben und einfach weiter zu lernen…