von A. Kabuth
Im Rahmen des Erasmus+ Förderprogramms hatte ich die Möglichkeit, an dem Kurs „Mental Health Awareness for Teachers and Students“ der europass teacher academy in Lissabon teilzunehmen. Die Woche war geprägt von spannenden Inhalten, praktischen Übungen und wertvollen Begegnungen. Hier teile ich meine Eindrücke und Erkenntnisse.
Montag – Anreise und erste Eindrücke
Meine Reise nach Lissabon begann mit einer unerwarteten Herausforderung: Mein Anschlussflug von Amsterdam nach Lissabon am Vortag des Kurses fiel wegen eines technischen Defekts ersatzlos aus. So verbrachte ich die Nacht in Amsterdam und konnte erst am Nachmittag des nächsten Tages (- des ersten Kurstages!) weiterfliegen.
Nach der Ankunft führte mich mein Weg direkt zur Metro-Station Aeroporto – und ich wurde überrascht: Die Station ist mit 52 Karikaturen bedeutender Portugiesinnen und Portugiesen des Cartoonisten António Antunes geschmückt, darunter Schriftsteller wie José Saramago und Fernando Pessoa, die Fado-Sängerin Amália Rodrigues und der Fußballstar Eusébio.
Ein besonderes Highlight in den Metro-Zügen sind die feuerroten Sitze, die an den Rückenlehnen und auf den Sitzflächen komplett mit Kork bezogen sind – ein typisch portugiesisches Naturmaterial, da Portugal weltweit führend in der Korkproduktion ist. Die Metro hat in den letzten Jahren alle 13.700 Sitze von Textil- auf Korkbespannung umgerüstet, was den Zügen eine warme und einladende Atmosphäre verleiht. Ein authentischer Einstieg in Lissabon!

Dienstag – Emotionale Intelligenz und Naturerfahrung
Mein erster Kurstag (für den Rest der Gruppe schon der zweite) begann mit der Vorstellung der Förde-vhs und meiner Tätigkeit dort. Die übrigen Teilnehmenden hatten ihre Arbeit schon am Montag vorgestellt. Im Gespräch stellte sich heraus, dass neben Grundschul-Lehrkräften auch zwei Lehrkräfte aus beruflichen Schulen sowie eine weitere vhs-Mitarbeiterin unter den Teilnehmenden war. So kamen wir im Laufe des Kurses immer wieder über die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten unserer verschiedenen Zielgruppen in den Austausch.
Anschließend tauchten wir in das Thema emotionale Intelligenz ein. Laut dem World Economic Forum zählt emotionale Intelligenz zu den Top 10 der wichtigsten Jobskills – somit ist sozial-emotionales Lernen im Bildungsbereich zunehmend gefragt. Mit einem Umdenken weg von der Frage „Was stimmt nicht mit dir?“ und hin zu „Was ist dir widerfahren?“ wurde deutlich, wie wichtig das Verständnis für toxischen Stress schon in der Kindheit ist und wie dieser ohne Unterstützung zu großen Schwierigkeiten führen kann. Wir lernten einfache Techniken zum Umgang mit Stress kennen, wie etwa in Stresssituationen dreimal bewusst tief durchzuatmen, bevor man reagiert. Zudem erarbeiteten wir eine Übung zur kognitiven Verhaltenstherapie, bei der man Konfliktsituationen, Gedanken und Emotionen reflektiert und neue, ausgewogenere Denkweisen entwickelt.
Am Nachmittag führte uns eine Exkursion in den botanischen Garten Estufa Fria. Dort arbeiteten wir in Stille an selbstgewählten Orten, um unsere Sinneswahrnehmungen zu schärfen und unseren Emotionen nachzugehen. Besonders interessant erschien mir eine Übung, die Naturbeobachtung mit emotionaler Reflexion verbindet: Jede*r für sich wählt ein natürliches Objekt aus – einen Stein, eine Feder, eine Pflanze… Von einer genauen Beschreibung des gewählten Objekts ausgehend werden Überlegungen zur möglichen Geschichte des Objekts angestellt, über Wechselwirkungen mit der Umgebung: Gibt es Anzeichen von Veränderung, Wachstum, Widerstandsfähigkeit oder Zerbrechlichkeit? Diese Überlegungen führen hin zur Abstraktion: Wäre das Objekt eine Emotion, welche wäre es? Und weiter der Transfer ins Menschliche und Soziale: Wo spüre ich diese Emotion in meinem Körper, wenn ich sie erlebe? An welcher Stelle tritt diese Emotion im Unterricht in Erscheinung? Wie beeinflusst diese Emotion die Schüler*innen oder die Lernumgebung? So kann ein Stein in der Hand Halt geben, eine Pflanze kann für Flexibilität und Wachstum stehen – es entstanden in dieser Übung vielfältige Perspektiven und Gesprächsanlässe. Eine angeleitete Meditation rundete den Tag ab und gab wertvolle Hinweise, wie man Meditationen selbst anleiten kann.

Mittwoch – Glaubenssätze und Teambuilding
Am dritten Kurstag stand die Theorie ganz im Zeichen der Frage: Was sind Emotionen? und insbesondere, wie können wir unser Gehirn auf Glück trainieren? Inspiriert von Dalai Lama und Mahatma Gandhi beschäftigten wir uns mit limitierenden Glaubenssätzen, die uns in stressigen oder ängstigenden Situationen oft negativ beeinflussen. Mit praktischen Übungen wie „Trash talkers meet Treasure talkers“ lernten wir, wie negative innere Dialoge (Trash Talk) durch positive, stärkende Gedanken (Treasure Talk) ersetzt werden können.
Den Abschluss des Tages bildete eine Mental-Health-Rallye durch den Garten Jardim Gulbenkian, die Bewegung, Austausch und spielerisches Lernen verband. Angelegt war die App-basierte Rallye als digitale Schnitzeljagd im analogen Raum. In der inspirierenden Umgebung des Gulbenkian-Gartens sollten verschiedene Aufgabentypen in kleinen Teams gemeistert werden: Orte finden, Informationen einholen, schauspielerisch kurze Filme drehen, mit einfachen Materialien Objekte erschaffen und fotografisch dokumentieren. – Ein willkommener Impuls für die Teamstärkung zwischen den Lernenden.

Donnerstag – Mental Health am Strand von Carcavelos
Der Strand von Carcavelos bot die perfekte Kulisse für praktische Übungen zur Mental Health: Achtsamkeits-Meditation und Yoga halfen, Körper und Geist zu verbinden und zu entspannen. Hier bekamen die Teilnehmenden auch die Gelegenheit, eigens entwickelte Meditationen anzuleiten. In der darauffolgenden Praxiserfahrung erschufen wir in Kleingruppen Skulpturen der Stärke: Nach einem Austausch über die persönlichen Stärken baut jede Gruppe gemeinsam aus dem eben vorhandenen Material eine Skulptur, die diese Stärken symbolisiert. – Am Strand bot sich der Sand als Baumaterial geradezu an. Die kreative Arbeit förderte den Teamgeist und die Wertschätzung der eigenen Ressourcen.
Anschließend gingen wir in die Planung von Mental-Health-Aktivitäten für den eigenen Unterricht. Die Kleingruppen wurden so zusammengesetzt, dass ähnliche Lehr-/Lernsituationen berücksichtigt wurden, um einen möglichst großen Nutzen zu erzielen.

Freitag – Klientenzentrierte Beratung und Resilienz
Der Vormittag startete mit einer angeleiteten Meditation zur Achtsamkeit für den Körper. Danach folgte ein intensives Thema: die klientenzentrierte Beratung nach Carl Rogers. Wir lernten, wie wichtig Authentizität, urteilsfreie Fürsorge und Empathie im Beratungsprozess sind. Eine spannende Übung dazu war das improvisierte Rollenspiel einer Beratungssituation mit vier verschiedenen Rollen: der/die Erzähler*in einer Konfliktsituation, dazu beratend der/die Rationale, der/die Empathische und der/die Motivierende. Die Möglichkeiten und Herausforderungen dieser verschiedenen Aspekte wurden durch die praktische Anwendung in isolierten Rollen besonders spürbar.
Am Nachmittag widmeten wir uns dem Thema Resilienz: Durch eine Stresskartierung analysierten wir persönliche Stressfaktoren und entwickelten gemeinsam Strategien zur Stressreduktion.

Samstag – Kultureller Abschluss: Besuch im Gulbenkian Museum für moderne Kunst
Den Abschluss der Woche bildete ein individueller Museumsbesuch im neu eröffneten Centro de Arte Moderna Gulbenkian. Die moderne Architektur und die barrierefreie Gestaltung des Museums machen es zu einem besonders zugänglichen Ort des Lernens.
In der Ausstellung beeindruckten mich besonders die Werke portugiesischer Künstler*innen des 20. und 21. Jahrhunderts wie Paula Rego und Francisco Trêpa. Sie behandeln gesellschaftliche Themen wie Identität, Migration und Ungleichheit, aber auch abstraktere Themen wie Metamorphosen und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Lebensformen. Die Exponatbeschriftungen stellen in leicht verständlicher Sprache (auf Portugiesisch und Englisch) immer wieder Bezüge zur Lebenswelt der Besucher*innen her, offene Fragen laden zum Nachdenken und Diskutieren ein.
Der Besuch regte mich zum Nachdenken an, wie kulturelle Orte stärker in Bildungsangebote integriert werden können, um Lernenden neue Zugänge zu eröffnen und Selbstwirksamkeit zu stärken.

Fazit
Die Woche in Lissabon war eine wertvolle Erfahrung für mich, persönlich und beruflich. Die vielfältigen Methoden und Übungen rund um das Thema Mental Health Awareness bieten zahlreiche Inspirationen, um das Wohlbefinden von Lehrenden und Lernenden im Alltag zu fördern.
Ich freue mich darauf, das Gelernte in meiner Arbeit an der Förde-vhs umzusetzen und dadurch die Bedeutung mentaler Gesundheit in der Bildung weiter zu stärken.

