BNE-Reise nach Uppsala und Stockholm, Schweden 8.-12.05.2023

Gute Praxisbeispiele für (Bildung für) nachhaltige Entwicklung in der Erwachsenenbildung

Gemeinsames Lerntagebuch

Samstag/Sonntag, 6./7.05. – Individuelle Anreise nach Uppsala

Alle Teilnehmenden sind individuell und passend zum Thema der Woche: „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ gemäß ERASMUS+-Vorgaben für „grünes Reisen“ nach Uppsala angereist – teils gemeinsam im Auto und mit der Fähre, teils mit dem Zug.

(Eintrag: A.H.)

Zu unserem großen Erstaunen ging für uns drei Reisende (Antje, Magdalena, Matthias), die mit der Fähre über Sassnitz nach Trelleborg fuhren, das Volkshochschul-Feeling bereits auf der Hinfahrt los. Wir hatten eine Zwischenübernachtung in Helsingborg gebucht. Nach dem Einchecken stellten wir fest, dass wir ohne es bei der Buchung zu wissen, in Sundsgården, einer der größten folkhögskolor des Landes untergekommen waren. Von den derzeit 250 Schülern und Schülerinnen wohnen 70 im Internat der folkhögskola. Ein perfekter Start in die schwedische Erwachsenenbildung!

(Eintrag: S.K.)

Unsere Gruppe besteht aus insgesamt 11 vhs- und Landesverbands-Fachbereichsleiter*innen aus unterschiedlichen Programmbereichen aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Eine Woche lang werden wir uns gemeinsam mit verschiedenen Erwachsenenbildungseinrichtungen in Uppsala und Stockholm über gute Praxisbeispiele für Bildung für Nachhaltige Entwicklung austauschen.

Den Sonntag nutzen alle Teilnehmenden für individuelle Erkundungen der Stadt, die sich mit strahlend blauen Himmel präsentiert. Uppsala hat 2020 zum zweiten Mal den One Planet City Challenge des WWF gewonnen, ein Zeugnis für Nachhaltigkeit ist der „Juwel“, angeblich der nachhaltigste Bürobau von ganz Skandinavien. Die Innenstadt wirkt trotz Sonntag sehr lebendig, viele Leute sitzen in Cafés oder auf schön gestalteten Sitzmöglichkeiten direkt am Fluss.
Am Fluss entlang sind zu beiden Seiten Spazierwege angelegt, die nach kurzer Zeit direkt in ein Naturreservat führen, sowie auf der anderen Seite durch den großzügig angelegten Stadtgarten. Auch hier schlendern und verweilen viele Menschen und scheinen die Naturnähe in der Stadt zu genießen.

„Juwel“
Platz zum Verweilen

Montag, 08.05.2023, Studiefrämjandet und Folkuniversitet Uppsala

(Eintrag: M.B., L.K. und I.F.)

 Am Morgen treffen wir uns zum Frühstück im Hotel und machen uns anschließend gemeinsam auf den Weg zu Studiefrämjandet, eine der größten gemeinnützigen Erwachsenenbildungseinrichtungen in Schweden. Dort begrüßt uns Denis Riabov und gibt uns einen ersten Einblick in die Organisationsstruktur und vielfältigen Arbeits- und Projektbereiche der Einrichtung in Uppsala. Studiefränjandet arbeitet sehr eng mit seinen 19 Mitgliedseinrichtungen zusammen, die zum überwiegenden Teil im Umwelt-, Natur- und Kulturbereich tätig sind.

Erwachsenenbildung wird in Schweden komplementär zum formalen Schulsystem verstanden.
Wir haben uns bei unserer Hospitation vor allem mit „Folkbildning“ beschäftigt. Der Begriff lässt sich nur schwer ins Deutsche übersetzen, am ehesten trifft es wohl der Begriff des „nicht-formalen Lernens“. Folkbildning zielt auf Demokratieentwicklung und darauf, individuelle Bildungslücken zu schließen. Eine weit verbreitete methodische Form dieser Bildungsvermittlung in Schweden sind staatlich geförderte sogenannte Studienzirkel (study circles).

Study circles sind selbstorganisiert und initiiert von Personen, die ein bestimmtes Interesse haben und/oder dieses bei anderen wecken möchten (z.B. im Bereich Musik, Umwelt und Natur, Kultur etc.). Ziel der study circle ist es, Menschen zu motivieren, sich zu beteiligen und gemeinsam Lösungen zu finden. Es wird im Dialog miteinander und voneinander gelernt. Es gibt einen, zumeist ehrenamtlichen, Moderator (leader), der gemeinsam mit den Mitgliedern der Lerngruppe einen Lernplan (study plan) entwickelt. Gelernt wird in den Räumen von Studiefrämjandet oder den Mitgliedseinrichtungen, teils auch online. Wer Moderator eines study circle werden möchte, nimmt mindestens an einem der von Studiefrämjandet durchgeführten, ganztägigen Trainings teil.

Bevor unsere Gruppe am morgigen Vormittag selbst aktiv Elemente aus dem Leader-Training erproben wird, gibt uns Denis noch ein eindrückliches Beispiel für einen sehr erfolgreichen study circle: „Älskede Barn“ (Geliebte Kinder). In diesem Kurs geht es um die Rechte und den Umgang mit Kindern. Hierfür wurden Leader besonders geschult – sie arbeiten nach einem Konzept, um den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen zu erleichtern. Z.B. soll vermittelt bzw. gemeinsam erarbeitet werden, dass man Kinder nicht schlägt und welche Alternativen es dafür gibt. Auch der Umgang mit Teenagern und Drogen wird thematisiert, die Gruppen finden mit unterschiedlichen Sprachniveaus in einer schönen Bücherei mit Kinderbetreuung am Abend statt.

Am Nachmittag übernimmt die Folkuniversitet Uppsala die Führung – und das im wahrsten Sinne. Nach einem gemeinsamen Mittagessen laden uns Ali Rashidi und Vivian Welker zu einer historischen und kulturellen Tour nach Gamla Uppsala und Sigtuna ein: Der Ort mit Grabhügeln der Wikinger stellt die Wiege Schwedens bzw. der schwedischen Kirche dar.

Wir lassen den ersten Tag mit einem gemeinsamen Abendessen mit unseren Gastgebern ausklingen.

Dienstag, 09.05.,

(Eintrag: D.L. und M.K.)

Auch den zweiten Tag haben wir in Uppsala verbracht. Am Vormittag hatten wir einen sehr interessanten Workshop bei Studiefrämjandet, der von Elin Sjöman geleitet wurde. Die Idee des Workshops war, uns das Konzept von „study circle“, in das wir schon am Vortag einen theoretischen Einblick bekommen hatten, aktiv näher zu bringen. Wir bekamen wir eine 2-stündige Einführung ins Teamleitertraining. Diese Einheit dauert in der Regel 9 Stunden. Bei dem Workshop hatten wir außerdem die Möglichkeit, in kleinen Gruppen einen study circle zu konzipieren und arbeiteten dafür an von uns gewählten Themen. Das war sehr spannend und lehrreich. Durch eigene praktische Erfahrungen haben wir erkannt, wie viele Ideen bei der gemeinsamen Arbeit zusammenkommen und wie viel Wert ein study circle als Methode mit sich bringt. Das study circle ist ein Instrument, das die Demokratie stärkt und dadurch nachhaltig auf die Bevölkerung und das Land wirkt.

Am Nachmittag ging es weiter zur Folkuniversitetet Uppsala – einer Institution, die berufliche Bildung für die Bevölkerung entwickelt und anbietet. Nach einer Einführung mit Nachhaltigkeit als Hauptthema, haben wir auch hier an einem Workshop teilgenommen. Es ging darum, wie der schwedische Staat mit dem Hinblick auf die 17 Nachhaltigkeitsziele vorgeht. Der Workshop wurde durch Emilija Zilinskaite geleitet. Emilija Zilinskaite ist als sustainability consultant bei AFRY angestellt. In dem Workshop haben wir die Arbeit der Institutionen analysiert, für die wir arbeiten. In kleinen Gruppen haben wir uns über folgende Aspekte Gedanken gemacht:

  • Wie ist die jetzige Situation im Hinblick auf das Thema „Nachhaltigkeit“ bei uns
  • Was können wir verbessern
  • Welche Schritte müssen wir unternehmen.

Anschließend haben wir im Plenum gemeinsam diskutiert. Es hat sich herausgestellt, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, schon heute nachhaltiger zu werden. Alle Institutionen überlegen bereits, wie sie ihr berufliches Handeln nachhaltiger gestalten können. Die Diskussion hat viele frische Ideen hervorgebracht. Der Austausch innerhalb unserer Gruppe, mit Teilnehmenden aus M-V und SH und der zusätzliche Input durch die beiden Workshops, brachten uns auf Ideen, die wir an den eigenen vhs-en umsetzen wollen.

 

Mittwoch, 10.05., Stockholm, Sverige Folkhögskolor

(Eintrag: M.B. und S.K.)

Heute haben wir uns von Uppsala verabschiedet und sind nach Stockholm gefahren, wo wir unser Programm für die kommenden drei Tage fortsetzen. Wir werden drei weitere Erwachsenenbildungseinrichtungen kennenlernen. Alle Wege dorthin sind problemlos mit der „Tunnelbana“, Metro und Bus zu erreichen, denn der ÖPNV in Stockholm ist gut ausgebaut.

Mittags sind wir mit Elin Bonnier und Nelly Bachner in den Räumen der Sverige Folkhögskolor verabredet. Sverige Folkhögskolor ist die Dachorganisation der rund 150 Folkhögskolen (Volkshochschulen) in Schweden. Elin und Nelly koordinieren das Projekt „Min Story“, an dem sieben Folkhögskolen – unter anderem die Röda Corsets Folkjhögskola, die wir morgen besuchen werden – beteiligt sind. Ziel des Projekts ist eine positive Einwirkung auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse, in dem neue Wege erprobt werden, die Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) in die Arbeits- und Lernprozesse einzubeziehen. Zielgruppe sind sowohl Kursteilnehmende als auch die Lehrkräfte.

Im Rahmen des Projekts wurde die I-We-World Methode entwickelt, die wir in einem mehrstündigen Workshop aktiv erproben. Vielen Menschen erscheinen die SDGs sehr abstrakt, die I-We-World-Methode zielt darauf, einen persönlichen Bezug zu den einzelnen Nachhaltigkeitszielen erfahrbar zu machen und dadurch Möglichkeiten aufzuzeigen, Veränderungen anzustoßen.

Die Methode umfasst drei Module.

Modul 1: Storytelling (I)

In Partnerarbeit haben wir über ein persönlich wichtiges Ereignis gesprochen, das einen positiven Einfluss auf uns selbst hatte.

Modul 2: Joint engagement – global goals (We)

Die gesammelten positiven Ereignisse wurden den SDGs zugeordnet. Dadurch wurde eine persönliche Verbindung zu den SDGs hergestellt, was diese weniger abstrakt machte.

Modul 3: change projects (World)

In diesem nächsten Schritt war es unsere Aufgabe, in Gruppenarbeit ein eigenes Veränderungsprojekt zu entwickeln. Mit viel Spaß haben wir in Kleingruppenarbeit drei vhs-Angebote erdacht:

  • Stand your woman. Ein vhs-Kurs, in dem Frauen den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen lernen.
  • Bibliothek der Dinge. Kostenfreies Ausleihen von verschieden Dingen/Geräten an vhs.
  • vhs hillwalking club. Gesundheitsförderung und bewusstes Erleben der Natur.

Durch das aktive Durchspielen des Workshops und in der anschließenden Diskussion wurde uns sehr deutlich, wie gewinnbringend es ist, persönliche Alltags-Erfahrungen auf die Nachhaltigkeitsziele zu beziehen und dadurch eine persönliche Beziehung und Handlungsfähigkeit herzustellen.

Gruppenarbeit, Modul 2
Gruppenarbeit, Modul 3

 

Donnerstag, 11.05., Stockholm, 

(Eintrag: K.J. und A.H.)

Am Donnerstag fuhren wir mit der Tunnelbana und der Straßenbahn in den etwas abgelegenen Stockholmer Stadtteil Skärholmen. Was so romantisch nach Schärengarten klingt, ist eigentlich ein Stadtteil mit vielen Problemen, wie hoher Arbeitslosigkeit, geringeren Löhnen, vielen Menschen mit Migrationshintergrund aus ca. 150 Ländern. Für uns macht der Stadtteil eigentlich einen ganz netten Eindruck; um so schockierter waren wir, als wir erfuhren, dass hier vor Kurzem jemand auf offener Straße erschossen wurde.

Wir sind den ganzen Tag zu Gast in der Folkhögskola des Röda korset. Es ist die einzige Erwachsenenbildungseinrichtung, die das Rote Kreuz in Schweden betreibt. Mirabel Joshi, die hier als Lehrerin und als Verantwortliche für ERASMUS-Aktivitäten arbeitet, führt uns durch das Haus und bringt uns gemeinsam mit einigen Kolleginnen grundlegende Inhalte der Arbeit in dieser Einrichtung näher. Der Fokus der Einrichtung liegt auf dem Nachholen von Schulabschlüssen bzw. die Vorbereitung auf eine Ausbildung sowie auf der sozialen Lage. So werden zum Beispiel Anti-Diskriminierungskurse, Kurse zur Migration und sozialen Nachhaltigkeit angeboten. Auch das Projekt „Min story – Vår agenda“ der Sveriges folghögskolor, das wir bereits am Mittwoch kennen gelernt haben, wurde hier umgesetzt. Alle Kurse werden über mindestens ein Jahr oder länger als Vollzeitkurse (9-15 Uhr) angeboten. Wir lernten den Kurs „Sustainable Development“ kennen, der in Theorie und Praxis stattfindet. Hier werden zum Beispiel Workshops zum nachhaltigen Reisen oder klimafreundlichen Kochen zusammen mit den Teilnehmer*innen entwickelt oder Projekttage an Schule ausgerichtet.

In der gemeinsamen Mittagspause im Imbiss um die Ecke wurden wir herzlich begrüßt und nachdem bekannt wurde, woher wir kommen, hat ein deutschsprachiger Mitarbeiter zu unserer Freude die Bestellnummern auf Deutsch verlesen.

Anschließend besuchten wir eine kommunale Einrichtung namens „Återbruket“ (Wiederverwertung). Hier sind verschiedene Werkstätten, wie Näh-, Holz, und Fahrradwerkstatt eingerichtet, in denen die Bewohner*innen die Maschinen kostenfrei benutzen und sich dann selbst etwas nähen oder ihr Fahrrad reparieren können. Einige geringwertige Haushaltsgegenstände stehen hier außerdem zum Verschenken bereit. Jede*r Besucher*in darf 7 Gegenstände mitnehmen, die zu statistischen Zwecken gewogen und nach Kategorien einsortiert sind. Das ist ein guter Weg, Produkte weiter zu geben, die man selbst nicht mehr benötigt, die andere aber noch gebrauchen können. Ein kleiner Spaziergang führte uns zu einem weiteren kommunalen Projekt, dem Perennparken, einem öffentlichen Park, in dem mehrjährige Pflanzen angepflanzt wurden.

Am Nachmittag erfuhren wir außerdem, wie die Folkhögskola ihre Klimastrategie umsetzen will und wie intern Nachhaltigkeit im Blick bleibt. Hier gibt es viele Ideen wie grünes Reisen, Nachhaltigkeitswettbewerbe wie eine vegane Woche oder einen bestimmte Schrittanzahl pro Tag. Außerdem wurde uns das Klima-Budget vorgestellt, ein kleines Quizz, bei dem jeder seinen persönlichen Co2-Fußabdruck berechnen kann.

Soziale Nachhaltigkeit

Zu unserer Überraschung bekamen wir außerdem Besuch von einem Teilnehmer aus dem Nachhaltigkeitskurs, der hörte, dass wir aus Deutschland kommen. Stefano ist Italiener und hat in der Schule Deutsch gelernt, dass er gleich testen wollte. Wir hatten einen kleinen Austausch über Nachhaltigkeit in Italien, Deutschland und Schweden. Als Au-Pair war Stefano nach Schweden gekommen und findet, dass das wichtige Thema Nachhaltigkeit hier einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert hat als in seinem Heimatland. Daher hat er sich dazu entschlossen, den Kurs an der Folkhögskola zu besuchen.

Nach dem Besuch der Roda korsets folkhögskola ging es für einige ganz nachhaltig weiter in den nächsten Second Hand Shop, in dem wir auch fündig wurden. Am späten Nachmittag genossen wir bei strahlendem Sonnenschein außerdem auf dem Monteliusvägen in Södermalm den Blick auf die Stockholmer Altstadt und den Mälaren.

 

Freitag, 12.05., Stockholm, Studiefrämjandet Riksförbundet

(Eintrag: M.K. und M.E.)

Zum Bildungsverständnis in Schweden

Der Besuch an unserem letzten Erasmus + Tag beim Studiefrämjandet Riksförbundet in Stockholm war in jeder Hinsicht ein würdiger und sinnvoller Abschluss dieser Erasmus + Mobilität. Die vor Ort tätigen Manager Markus und Peter berichteten wie bereits zu Beginn der Woche in Uppsala über ihre Konzepte zu den „Studie Cirkles“. Wir wurden auch hier extrem unaufgeregt freundlich aufgenommen und mit einer Gastfreundschaft und Offenheit empfangen, die wirklich bemerkenswert war.

Uns wurde im Rahmen der Gespräche über Bildungskonzepte und -modelle immer wieder sehr deutlich, wo die Unterschiede zwischen dem schwedischen und dem deutschen Bildungssystem liegen. Zum einen hat die sogenannte 4. Säule der Bildung, die „außerschulische Erwachsenenbildung“, einen deutlich höheren Stellenwert als in Deutschland. Auch hier nicht auf Augenhöhe mit den Schulen, aber sehr viel anerkannter und etablierter. Formate, die in Schweden nach Berichten von 7% der Bevölkerung genutzt werden, wie die „Studie-Circles“, wären vermutlich in Deutschland wenig erfolgreich, weil die Anerkennung von allem nicht zertifizierten informell erworbenen Wissen und Kompetenzen keinen, oder im besten Fall einen geringen Stellenwert hat. Und genau da liegt der zweite wesentliche Unterschied in den Bildungs- und Gesellschaftssystem. Informell erworbenes Wissen geht dort in die Bildungs-Vita einer Person ein. Sicherlich nicht gleichberechtigt, aber es hat einen Stellenwert.

Stichwort Digitalisierung: Festnetztelefonie – haben wir seit 5 Jahren nicht mehr

Die Kommunikation läuft in allen von uns besuchten Instituten im Schwerpunkt über Messenger und Groupware wie Teams etc., sowie Mailings und Video Calls in den dafür versehenen Räumen.

Jede*r Mitarbeiter*in sucht sich entsprechend seiner für den Tag geplante Tätigkeiten einen passenden flexiblen Arbeitsplatz. Beispielsweise „calm“ leise Arbeitsplätze oder einen Konferenzraum ggf. mit Videotechnik – alles täglich on demand. Unter diesen Gesichtspunkten macht solch eine Büroanordnung und -Gestaltung auch Sinn.

In diesem Zusammenhang ist auch die Dokumentation sehr interessant: „Totaly Trust“ Es gibt keine Arbeitszeitenkonten oder ähnliches.

Studie Circles – an different idea of education

Mit unseren Gastgebern haben wir ein weiteres Mal über das Konzept der Study Circle diskutiert (s. Tag 1 und Tag 2) und unsere positiven Beobachtungen zusammengefasst:

Diese Art von informellen Lerngruppen basieren auf dem Prinzip der gemeinschaftlichen Bildung und dem freien Austausch von Ideen und Erfahrungen. In Study Circles kommen Menschen mit ähnlichen Interessen oder Lernzielen zusammen, um über ein bestimmtes Thema zu diskutieren, Fragen zu stellen, Materialien zu studieren und ihr Wissen zu erweitern. Study Circles können in verschiedenen Kontexten stattfinden und die Teilnehmenden entscheiden gemeinsam mit einem festgelegten Lehrplan und einem Moderator, oder informell, mit flexiblen Strukturen, was und wie sie lernen möchten. Die Vorteile von Study Circles liegen in der Zusammenarbeit, dem gegenseitigen Lernen und der Stärkung der Gemeinschaft. Durch den Austausch von unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen können die Teilnehmer ihr Wissen vertiefen und neue Einsichten gewinnen. Study Circles fördern auch die Eigenverantwortung und das Engagement der Teilnehmer für ihr eigenes Lernen.

Strategi 2131

Des Weiteren haben unsere Gastgeber uns über die strategischen Entwicklungsziele der Studiefrämjandet in puncto Nachhaltigkeit informiert .

Strategi 2131 – Nachhaltigkeitsstrategie des Studiefrämjandet

Die Nachhaltigkeitsstrategie 2131 orientiert sich nicht an den Zielen für das Jahr 2131, sondern umfasst das Zeitfenster 2021-2031. Die Strategie zeigt den Weg des Studiefrämjandet in die Zukunft. Sie zeigt auf, welche Prioritäten gesetzt werden müssen, um die gewünschte Position von Studiefrämjandet im Jahr 2031 zu erreichen.

Strategische Ziele:

  1. Demokratieentwicklung/-bildung
  2. Lernen im Fokus
  3. Stärkung der Rolle des Vereins in der Gesellschaft
  4. Steht für Nachhaltigkeit / Nachhaltige Entwicklung
  5. Steht für gemeinsamen Werte und dem Grundverständnis von Menschen, Bildung und Demokratie

Bereiche:

Das Studiefrämjandet setzt sich für eine langfristig nachhaltige Gesellschaft ein. Sie verteidigen, stärken und entwickeln die Demokratie. Volksbildung und Vereinsleben sind Teil der Demokratie und tragen dazu bei, das Vertrauen in die Gesellschaft zu stärken. Sie bieten ein Ort, an dem Menschen in der Interaktion mit anderen die Kraft freisetzen, ihre eigene Lebenssituation, ihre Umgebung und die Gesellschaft insgesamt zu beeinflussen.

Studiefrämjandet setzt sich für die Gleichwertigkeit aller Menschen ein. Sie sind inklusiv und fordern das Recht eines jeden, er selbst zu sein. Vertrauen in den Menschen und der Glauben an die positive Kraft des Dialogs und der Begegnung mit anderen. In der Volksbildung lernen und reflektieren alle gemeinsam, mit viel Raum und Akzeptanz für unterschiedliche Gedanken und Meinungen.

Lebenslanges Lernen sollte ein Recht und eine Chance für jeden sein. Die Bildungsunterschiede in der Gesellschaft sollen ausgeglichen werden. Studiefrämjandet wendet die Pädagogik der Volksbildung an, die auf der aktiven Beteiligung und Einflussnahme der Menschen in Studienkreisen und Gruppen beruht. In der Volksbildung wird die Demokratie in der Praxis gelebt. Die Pädagogik wird an die Bedürfnisse und Wünsche der Teilnehmer angepasst. Es werden neue Lernformen und pädagogische Methoden auf der Grundlage der Volksbildung weiterentwickelt.

Kultur ist eine verbindende und zugleich herausfordernde Kraft in der Gesellschaft. Eine freie Kultur ist ein Wert an sich und stärkt die Demokratie. Kultur ermöglicht Teilhabe, regt Kreativität, Phantasie und Dialog an, gibt uns Ausdruck und Einsicht. Eine freie und lebendige Kultur kann gesellschaftlichen Herausforderungen wie Ungleichheit, Diskriminierung und Ausgrenzung begegnen und zur öffentlichen Gesundheit beitragen. Mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, Kultur zu erleben und auszuüben, ist ein zentrales Anliegen der Volksbildung und des Studiefrämjandet.

Quelle: Broschüre Strategi 2131 -Studie främjandet

BNE-Reise nach Odense, Dänemark, 15.-17.05.2023

Kurs: Applied Education for Sustainable Development for a Sustainable Future

Gemeinsamer Bericht aller Teilnehmenden

Tag 1, 15. Mai 2023

Montag Mittag geht es los. Einzeln und in kleinen Gruppen kommen wir an. 13 sind wir, Programmbereichsleitungen, Referent:innen und Leitungen aus Volkshochschulen Schleswig-Holsteins sowie dem Landesverband. Einige kennen sich, andere nicht, die Stimmung ist neugierig-zugewandt.

Host-Organisation Cresce und Reflexionsmethoden

Wir treffen uns in Kulturmaskinen. Ein Ort, der ein Herzstück dieses Kurses sein wird. Morgen erkunden wir ihn ausführlich, heute werden wir in einem hellen Seminarraum herzlich begrüßt.

Der Kurs „Applied Education for Sustainable Development for a Sustainable Future“ wurde von der dänischen Non-Profit-Organisation Cresce organisiert und lieferte Einblicke in gute Praxisbeispiele zum Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung.

Cresce wurde im Dezember 2017 von Ulrike Niemann, Piero Maria Gentilini und Carlos Guillemot gegründet, drei Kommilitonen aus Management-Masterprogrammen der University of South Denmark (SDU). Die SDU zählt auch zu ihren Auftraggebern. Cresce gestaltet hier ein Kulturprogramm für Teilnehmer*innen der summer school. Sie begleiten die Entwicklung von Organisationen, führen interkulturelle Trainings durch und entwickeln maßgeschneiderte Bildungsformate – wie in dem von Ulrike und Piero für uns organisierten Workshop. Ihrem Motto “Making the world a better place, one workshop and training at a time” wurden sie dabei aus unserer Sicht absolut gerecht.

Im dänischen Bildungsverständnis stehen die lernende Person, ihre Eigenverantwortung und das wechselseitige Vertrauen im Mittelpunkt. Lehrpersonen oder Einrichtungen stellen einen pädagogischen Rahmen und bieten Lernmöglichkeiten an, deren Wahrnehmung und Ausgestaltung jedoch in der Verantwortung der jeweils lernenden Personen liegt. Aus eigenem Interesse heraus soll der Lernprozess durch die Lernenden gestaltet werden. Kernfragen sind daher: Was interessiert mich? Was will ich lernen? Welche Fragen muss ich dafür stellen? Wie kann ich das Beste aus der Lernsituation für mich rausholen?

Dieses Verständnis ließ sich auch im Programm und den Zugängen von Cresce (lat. Crescere, wachsen) erkennen. Über abwechslungsreiche Methoden und verschiedenen Optionen sowie viel Raum zum Nachfragen vermittelten Ulrike und Piero verschiedene Aspekte und Ansätze von BNE. Hierbei profitiert Cresce von den unterschiedlichen Hintergründen ihrer Gründer*innen (u.a. Schifffahrt, int. Business, Marketing) und ihrer Flexibilität, auf die Bedürfnisse verschiedener Lerngruppen zu reagieren.

Neben vielfältigen Einstiegs- und Reflexionsübungen (bspw. Personen-Bingo zum Kennenlernen oder Dixit-Karten zur Reflexion) setzten die beiden vor allem auf das direkte Erleben vor Ort. So lieferten die pädagogisch angeleiteten Besuche bei Kulturmaskinen, der UCL oder auch bei Regndans abwechslungsreiche Zugänge zur Thematik und authentische Eindrücke sowie Möglichkeiten des Ausprobierens vor Ort. Bei der Organisation Regndans (dt. Regentanz) konnte bspw. das „Circular Design Kit“ (spielerisch nachhaltiges, kreislauforientiertes Projekt) an eigenen Fragestellungen erprobt werden (ausführlich nachzulesen bei Tag 3.)

Und die Wrap-up reflection ganz am Ende des Kurses mit der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode machte deutlich, dass Lernen nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Erleben und Fühlen bedeutet. Bei dieser Übung steht das ernsthafte Bauen mit Legosteinen im Fokus, durch welches die Teilnehmenden verschiedene Fragen beantworten. Dabei steigerten sich die Fragen in ihrer Komplexität und schlossen mit der Fragestellung ab, was von dem Gelernten mit in die eigene berufliche Praxis übernommen werden kann.

All diese Methoden und Inhalte bündelten Ulrike und Piero von Cresce durch ihre authentische, freundliche und motivierte Art zu einem runden, spannenden und inspirierenden Programm. Hierbei orientierten sie sich stets an ihrer Unternehmensphilosophie: „We help companies, institutions and organisations in exploiting their potential. It is for them an invitation or prompt to grow.“ (https://cresce.dk)

Nachhaltigkeit in der Tiefgarage?! – Stadtführung durch Odense

Am Nachmittag werden wir ziemlich herausgefordert: Eine Stadtführung steht an. Odense-Innenstadt hat in den letzten rund 10 Jahren eine tiefgreifende Umwandlung von einer Autostadt zu einer Fahrrad-Stadt durchgemacht. Vierspurige Straßenschneisen wurden transformiert, die Autos aus der Stadt raus- bzw. runter gehalten. Fahrradstraßen und Wohnraum wurde geschaffen. Die Innenstadt ist unfassbar ruhig.

2014 wurde das Projekt „Fra Gade Til By“ (von der Straße zur Stadt), finanziert von der Kommune Odense und dem Verein Realdania, begonnen. Ziel war es, die Hauptstraße, die quer durch die Stadt verlief, zu schließen und so mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu schaffen. Marianne, unser Guide und eine der an der Neugestaltung beteiligten Architekt:innen bringt uns die Neugestaltung der 53.000 qm näher.

Wir folgen ihr also über kleine Kopfsteinpflastergässchen und breite, aufwändig gestaltete Fussgängerwege. Vor über 14 Jahren, so Marianne, wurde beschlossen, den Verkehr aus der Stadt zu leiten. Dafür wurde einer der Hauptverkehrswege vom und zum Hafen, meist nur zur Durchfahrt genutzt, planiert und durch Straßenbahnschienen ersetzt. Parkplätze mussten weichen und an ihrer Stelle finden wir wenig Grünes und viel Platz zum Flanieren. Neue Häuserkomplexe fanden ihr Plätzchen und beschatten die hübschen Muster im Pflaster. Da es uns um die Nachhaltigkeit geht, blicken wir ein wenig verwundert um uns herum. Auf den Dächern der Wohnhäuser sind wohl Terrassen für die Mieter angelegt, hier gibt es keine allgemeine Begrünungspflicht. Solaranlagen? Leider kein Platz wegen der Terrassen. An Starkniederschläge wurde gedacht: das Wasser wird gut abgeleitet. Aber wie sieht es aus mit Trockenperioden? Das wurde in der Planung nicht berücksichtigt.

Neu ist auch ein großer Hotelkomplex, der sich in die Stadtmitte schmiegt und eine gute Lösung für die Lichtprobleme in Bodennähe darstellte. Immerhin gibt es hier die Vorgabe, dass die Außenmauern bis zum 1. Stock begrünt werden müssen – auch wenn diese aus Glas bestehen.

Auch die alten Teile der Stadt zeigt uns Marianne. Hier wurde viel Wert darauf gelegt, den Charme der Häuschen und die Privatsphäre der Bewohner:innen zu wahren und die Lebensqualität zu erhalten. Die neuen Häuser sind sehr modern und sicherlich schön zu bewohnen. Wie sieht es mit der sozialen Dimension von Nachhaltiger Entwicklung aus:  Sozialer Wohnbau und bezahlbare Wohnungen auch in den neuen Komplexen, wollen wir wissen. Fehlanzeige. Es wurden hochpreisige Eigentums- wie Mietwohnungen erschaffen. Immerhin wurde niemand dabei verdrängt, denn der Raum würde ja durch den Rückbau von Straßen gewonnen. Trotzdem gilt dies als Vorzeige-Nachhaltigkeitsprojekt? Ich sehe viele stutzige Gesichter in unserer Runde.

Unsere Fragen drehen sich darum, wie der Bildungsprozess in dieser Transformation gestaltet war. Wie wurden die Bürger:innen einbezogen, wie mitgenommen? Ein großer, roter Container wurde aufgestellt, in dem über 400 Workshops mit Stakeholdern und anderen Interessierten abgehalten wurden. Gleich sehe ich dies als vhsn der Zukunft vor mir: Orte, an denen Visionen und Pläne geteilt, gemeinsam entwickelt, diskutiert, verworfen, verfeinert werden. Wie wäre es, wenn die Kommune bei allen größeren Fragen lange vorab schon solche Bürger:innenwerkstätten in ihren vhsn etablieren? Wenn Ideen der Betroffenen hier früh einfließen, vielleicht gar Anstoß sein können?

Verwundert lernen wir, dass diese gemeinsamen Prozesse gar nicht Ziel des Containers war. Viel mehr wurde er als Kommunikationsmedium aufgestellt, um Akzeptanz für die Vorhaben zu erwirken.

Wir könnten uns vorstellen, dass ein Umbau der Innenstadt in dieser Größenordnung bei der Bevölkerung auf Widerstand stieß. Die Kommune hat hier gute Vorarbeit geleistet und noch vor Beginn der Baumaßnahmen den Informationsort des roten Containers eingerichtet. Dort konnten sich alle ein Bild von den Maßnahmen im Vorweg machen und Fragen stellen. Anregungen und Vorschläge zur Verbesserung wurden leider nicht oder nur in geringem Maße umgesetzt, eine richtige Bürgerbeteiligung war nicht möglich. Eine Homepage hat während der gesamten Zeit Hilfe zur Orientierung geboten und bietet auch im Nachhinein einen interessanten Einblick in die Baujahre: https://www.fragadetilby.dk/om-os

Unsere Vorstellungen sowohl von Nachhaltiger Entwicklung als auch von Bildung für Nachhaltige Entwicklung finden sich in dem Projekt und im Prozess kaum wirklich wieder. Marianne erklärt uns, dass es in Dänemark wichtig ist, wie es dem Individuum geht: Es steht im Mittelpunkt. Nur, wenn der Einzelne zufrieden ist und es ihm gut geht, kann auch die Gesellschaft funktionieren. Sich selbst zu verwirklichen und zu entfalten, seine Potenziale zu erkennen und auszuschöpfen, steht im Vordergrund. Dazu wurde hier der Raum und die Ruhe geschaffen. Die Frage, wie dies mit dem Umgang mit Geflüchteten im Land zusammenpasst, bleibt ungestellt.

Dann der wunderschöne Moment, als wir in die Tiefgarage geführt werden, die diesen neuen Stadtabschnitt komplett „untergräbt“. Hier gibt es sehr viel Platz für etwa 1.000 Autos unter – statt in – der Stadt. Tageslicht wird durch Oberlichter in den Fußgängerbereich eingelassen. Und es ist nicht nur eine Garage, sondern auch ein Tunnel, den so einige Autofahrer:innen nutzen, um die Stadt ein Stück weit zu durchqueren. Ist es gar keine wirkliche Abkehr vom Auto in der Innenstadt, sondern vor allem eine Tieferlegung des Verkehrs? Kann eine Tiefgarage Nachhaltige Entwicklung sein? Man sieht die Gehirne arbeiten. Dies alles entspricht nicht den Erwartungen, die die meisten von uns an diesen Programmpunkt hatten. Haben wir unsere Komfortzone verlassen und beginnen soeben einen vertieften Lernprozess? Oder ist dies einfach mal wieder ein typisches Nachhaltigkeitsphänomen: Alle meinen verschiedene Dinge, wenn dieser Begriff und seine vielen Verwandten fallen? Reicht es, dass die Innenstadt nun zweifelsohne lebenswerter gestaltet, ruhiger, fahrradfreundlicher ist? Was ist mit den verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen, die hier nicht berührt sind?

Der Tag endet mit einer Reflektion in Kleingruppen. Die bisherigen Programmpunkte wurden als extrem spannend und bereichernd empfunden. Klar! Wir sind ja nicht hier, um Rezepte zu lernen, wie BNE funktioniert (wenn es sie gäbe, wäre diese Reise kaum nötig), sondern um uns auch durch kritische Abgrenzung inspirieren zu lassen und zu schauen, welche Aspekte von BNE/NE eben doch sichtbar waren und wurden. Spannend im Austausch zu lernen, wie konkret manche ihre Ideen für ihre vhs schon direkt verknüpft haben.

Der Abend klingt in netter, großer Runde aus.

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TAG 2, 16. Mai 2023

Kulturmaskinen

Dienstag Morgen treffen wir uns an dem selben Ort wie gestern. Heute erfahren wir viel über den Hintergrund, Ansatz und die Umsetzung von Kulturmaskinen, einem spannenden offenen Lernort, in dem die soziale Dimension von Nachhaltigkeit im Fokus steht.

Podcast Kulturmaskinen 

Von und mit:
Nadine Cinar, vhs Geesthacht
Miriam Otto, vhs Heide
Evelyn Tegeler, vhs Brunsbüttel
Beate Lorkowski, vhs Halstenbek

 

 

Fotoeindrücke aus dem offenen Lernort „Kulturmaskinen“

Töpferei

Textilwerkstatt

Medienwerkstatt

 

 

Besuch bei University College Lillebælt (UCL) – Odense

Am Nachmittag geht es zu UCL, einem großen Akteur der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Odense. UCL ist vergleichbar mit dem Berufskolleg und der Fachhochschule in Deutschland und hat fünf Standorte in der Region Syddanmark.  In rund 40 Ausbildungs- und Studiengängen werden zurzeit rund 10.500 Vollzeitstudent:innen ausgebildet, sowie rund 15.000 Kursteilnehmer:innen und Teilzeitstudent:innen in 35 Fortbildungsangeboten und Zertifikatslehrgängen (Akademiuddannelse).

Ca. 80 % der Studiengänge finden am Hauptstandort in Odense statt. Zuerst erhielt unsere Gruppe eine kurze Führung durch das Gebäude und die verschiedenen Fachbereiche.

UCL bietet Ausbildungen und Studiengänge in den fünf Bereichen an:

a) Business und digitale Entwicklung

b) Bau- und Ingenieurswesen

c) Leitung und Verwaltung

d) Erziehungswissenschaften und Erwachsenenbildung

e) Gesundheits- und Sozialwesen

Themenschwerpunkt des Besuchs war die Implementierung von ESD/BNE in die akademischen Fortbildungsgänge und Aufbaustudiengänge („Akademiuddannelse“) in den Fachbereichen Leitung, Administration und Transport & Logistik.

Die Studienleitung Marie Toft stellte die fünf neuen Ausbildungsgänge zum Thema BNE vor, die erst seit Februar 2023 angeboten werden:

3 Akademieausbildungen: Transport & Logistik; Leadership; Sustainability and green trasition

2 Bachelorstudiengänge: Nachhaltige Betriebswirtschaftslehre; Leadership

Das Gespräch und der Vortrag von Marie Toft zeigten schnell, welche Startschwierigkeiten auch und gerade eine große Bildungseinrichtung wie UCL hat, BNE in ihr Bildungsprogramm zu implementieren.

So kollidieren Inhalte und Ziele der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung mit den traditionellen Werten und Inhalten des klassischen Ausbildungssystems und der auf Effizienz und Wertsteigerung ausgerichteten traditionelle Volks- und Betriebswirtschaftslehre.

Marie Toft zeigte beispielhaft auf, wie schwierig es auch am UCL war, Kolleg*innen von der Sinnhaftigkeit des Paradigmenwechsels in der Ausbildung und der Fortentwicklung der Bildungsprogramme im Sinne von BNE zu überzeugen, da viele der Lehrenden erstmal ihre eigenen, lange bewährten Meinungen und Lehrsätze über Bord werfen mussten.

Sie stellte dazu folgende fünf Schritte vor, welche die Studierenden (oder auch Mitarbeiter:innen) in den Lehrgängen durchlaufen:

  1. Auch bei Lehrenden und Studierenden muss zunächst mal ein Grundverständnis für den Bedarf einer Nachhaltigkeitsstrategie im Betrieb geweckt werden.
  2. Alle Lehrgangsteilnehmer:innen müssen ein gemeinsames Verständnis der Begrifflichkeiten zum Thema Nachhaltigkeit entwickeln,
  3. die TN müssen ihre eigenen Grundsätze aufgrund dieses erworbenen Verständnisses reflektieren können: „Lebe und arbeite ich selber nach diesen Grundsätzen?“ „Warum ist dies wichtig für meine Organisation?“
  4. Es muss eine gemeinsame Sprache und Kommunikation im Unternehmen erarbeitet werden, damit alle Mitarbeiter:innen „über dieselben Dinge sprechen“
  5. Die so erarbeiteten Grundsätze müssen in dem Betrieb /Institution implementiert werden.

Hilfreich war in diesem Kontext ein Exkurs zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU, die seit 05. Januar 2023 Wirtschaftsunternehmen, Finanzsektor und Dienstleistungen verstärkt in die Pflicht nimmt, ihre Nachhaltigkeitsziele zu definieren und regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht an die EU zu melden. Hierin sieht UCL einen klares Signal, Unternehmen, aber auch Studierende von der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels im Sinne des „Green Deals“ in der Wirtschaft zu überzeugen, der in der EU bis 2050 eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Gang setzen soll.

Erste Schritte sind dazu in Dänemark erfolgt, auch wenn in der abschließende Reflexion der Umfang der von Marie Toft dargestellten Entwicklung etwas relativiert wurde:

UCL hat die unterschiedlichen neuen Lehrpläne zur Nachhaltigkeit gemeinsam mit ca. 6 anderen Fachhochschulen und Berufskollegs in Dänemark entwickelt. Eine Anerkennung der Curricula durch das dänische Unterrichtsministerium erfolgte erst im Winter 2022/23, so dass im Februar 2023 erste Module der Akademielehrgänge zur Nachhaltigkeit umgesetzt werden konnten. Am Lehrgansmodul „Sustainable Business understanding“ nahem sechs Teilzeitstudierende teil, am Modul „ Leading sustainable development“ zehn Teilnehmer*innen.

Ein weiterer Indikator, dass auch in Dänemark die Umsetzung im akademischen Bildungswesen noch in den Anfängen steckt, ist auch die Tatsache, dass von den rund 1.400 Mitarbeiter*innen von UCL, Marie Toft die alleinige Hauptverantwortliche für das Fortbildungsprogramm zur Nachhaltigkeit ist. Unterstützung erhält sie durch wenige Teilzeitlehrkräfte und externe Fachreferent:innen.

Bemerkenswert sind auch aufgrund dieser Personalsituation die Aktivitäten UCL’s zum Branding der neuen Lehrgänge: so beteiligt sich UCL mit Infoständen am „Klimafolkemøde“ (Klimatreffen) im August, zu dem in Middelfart auf Fünen (ebenfalls ein UCL Standort) rund 30.000  Teilnehmer*innen erwartet werden und an der größten dänischen Fachmesse zum Thema Nachhaltigkeit „Reboot“ in Odense, an der sich rund 3.000-4.00 Personen als Fachpublikum beteiligen. 

Die abschließende Diskussion der 13 Kursteilnehmen und Reflexionsrunde ergab zum Teil sehr unterschiedliche Vorkenntnisse zum Stand von BNE in den verschiedenen entsendenden Einrichtungen. Viele Teilnehmende fühlen sich, ähnlich wie Marie Toft es auch aus ihrer Einrichtung schilderte, teilweise überfordert und hilflos, da das Thema Nachhaltigkeit im Sinne der UN-Ziele enorm komplex und groß ist.

Klar wurde aber für alle Teilnehmende, dass die Volkshochschulen  ein wichtiger Akteur auf der lokalen Ebene sein können. Weniger, da sie keine konkreten Studiengänge anbieten und eine Implementierung in die berufliche Weiterbildung extrem anspruchsvoll ist, sondern vielmehr weil die Volkshochschulen einen klaren öffentlichen Auftrag zur politischen, sozialen und kulturellen Bildung haben. Hier wurde für die meisten Teilnehmenden klar, dass die VHS’en ein wichtiger Akteur sind, um die Zivilgesellschaft von der Notwendigkeit eines nachhaltigen Umbaus unserer Bildungsziele und unseres Handelns zu sensibilisieren.

Die oben geschilderten Entwicklungs- und Marketingschritte waren hier nützliche und hilfreiche Inspiration.

Danach geht es gemeinsam zum Abendessen. Wahnsinn! Ein altes Packhaus am Hafen, in dem Street Food aus allen möglichen Ländern verkauft wird. Die Atmosphäre auf diesem Markt ist umwerfend. „And the concept and realization is so simple, it almost hurts”, wie jemand der Gruppe so wunderbar formuliert.

Guter Dinge und gestärkt geht es in den Abendstunden noch einmal zu Kulturmaskinen, weil zu dieser Tageszeit die Medienwerkstatt geöffnet ist.

Tag 3, 17. Mai 2023

Plötzlich ist schon der letzte Tag da. In Co-Working Räumen treffen wir uns und bekommen von den enthusiastischen Gründern von Regndans ihre Überlegungen und ihr Kit vorgestellt, das wir auch testen dürfen.

Regndans und das Circular Design Kit

„Regndans“ ist eine Firma, die vor fünf Jahren von den ehemaligen Digital Consultants Jonas und Mark gegründet wurde. Beide waren aber mit ihrer Arbeit nicht so recht glücklich. Ihr berufliches Tun bewerteten sie als nicht nachhaltig, d.h. ihre Kunden und Auftraggeber haben einfach nur das gemacht und umgesetzt, was sie Ihnen vorgeschlagen hatten. Aus dem Wunsch heraus „Real World Problems“ zu lösen, haben sie die Firma gegründet und das „Circular Design Kit“ entworfen. Das Motto der Firmeninhaber lautet: Mehr geben als nehmen!

Das „Circular Design Kit“ kommt  in großen Räumen, z.B. in Sporthallen zum Einsatz. An diesem Ort, dem dann „Circular Design Camp“ , soll nun an insgesamt drei Tagen ein konkretes Problem (Challenge) gelöst werden, das von einer Firma oder Organisation gestellt wurde.

Die Methode verbindet den klassischen Ansatz des Design Thinkings mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft. Die Teilnehmer sollen anstatt von linearen Lösungsansätzen in „nachhaltigen“ Entwicklungskreisen denken.

Dabei setzen sich je 5-9 Teilnehmende an eine Art kreisförmiges Spielbrett. Während eines Durchlaufs des Kreises soll gemeinsam aus einer Aufgabenstellung, über die Identifikation der eigentlichen Problematik, ersten Ideen, Fokus auf einen Ansatz und Ausarbeitung eine Lösung entstehen. Reflexion und Anpassung stehen im Vordergrund. Die Lösung soll nachhaltig im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sein. Das heißt, bei Bedarf kann sie Ausgangspunkt einer weiteren Runde sein.

Am Anfang steht dort ein detailliertes Briefing mit Hintergrundinformationen zu der Aufgabe. Häufig wurde die Methode bisher mit Schülergruppen und jungen Menschen (mind. 15 Jahre alt) eingesetzt, die mit Hilfe von Personenkarten., Arbeitsblättern und Post-its, auf denen man kurz und knapp schreiben soll, in zehn Schritten zum Ziel kommen sollen.

Die Gruppe ist also im Gegensatz zum bekannten Design Thinking eher gleichförmig. Den Part der Experten mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln übernehmen hier die Spielkarten. Sie unterteilen den Durchlauf in Etappenaufgaben, z.B. Brainstorming, Prioritätensetzung, Erstellen von Personas, Stakeholder-Analysen und ähnliches. Dadurch wird die Methode auch in gleichförmigen Gruppen einsetzbar. Die Spielkarten ersetzen die sonst notwendige Moderation der Einzelgruppen und ermöglichen es, mehrere Gruppen parallel auf die Reise zu schicken. Eine dieser Phasen ist auf 10 Minuten beschränkt und soll Ergebnisse und Einigung durch Zeitdruck ermöglichen. In Dänemark wird dies auch als Eventkonzept für 3 Tage eingesetzt: Am ersten Tag stellen sich Firmen mit ihren Herausforderungen und Profilen dar.

Die Gruppen werden gebildet und in die Methodik eingeführt. Anschließend durchlaufen sie eigenständig mindestens einmal den Kreislauf der Design Thinking- Methode. Das Ergebnis einer Sitzung wird per Video dokumentiert und vorgestellt und soll möglichst schnell verwirklicht werden (rapid prototyping), wobei die Schöpferinnen und Schöpfer keine Patentrechte geltend machen können. Am zweiten Tag bereiten die Gruppen einen Pitch/eine Präsentation vor, die am dritten Tag auf einer Bühne vor dem Plenum präsentiert wird. Die teilnehmenden Firmen sehen ihre Lösungsansätze, eine Jury bestimmt Sieger und Schüler bekommen Preise und/oder Kontakte und Eindrücke der beteiligten Firmen. Insofern dient das Konzept zusätzlich als eine Art Firmenmesse für den Nachwuchs.

Das „Spielprinzip“ (das circular design kit) an sich erleichtert einerseits die Umsetzung, stellt aber andererseits auch sicher, dass es zu Ergebnissen kommt und ein permanenter, abwechslungsreicher „Spielfluss“ aufrechterhalten wird, der dauerhaft für Motivation sorgt.

Dann ist schon die letzte Einheit des Kurses angebrochen. Wir reflektieren, tragen zusammen und schauen, was wir erlebt haben, was wir mitnehmen möchten, wie es weitergehen möge. Und plötzlich ist der Kurs zuende, Zeit, auseinander zu gehen.

Gefüllt geht es nach Hause, gespannt, was aus dem Erlebten wächst, entsteht und entspringt.